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Average Mohamed Mit Comics gegen den Terror

Der Somalier Mohamed Amin kämpft in den USA gegen den Islamischen Staat - mit Videos. Denn eine der stärksten Waffen des Cyberkalifats ist die Internetpropaganda. Der gilt es etwas entgegenzusetzen.

Von: Katharina Mutz

Stand: 24.02.2016

"Average Mohamed" - Videostills | Bild: www.averagemohamed.com

"Junge: Average Mohamed, who am I? Am I black, Muslim… or Somali?
Average Mohamed: Why do you ask?
Junge: Sometimes people say I can only be one.
Average Mohamed: Do not let the extremists confuse you. They say a Muslim has to reject all identities, except the one they define for you. But that is not Islam. Islam is many things: all colours, all races. All nationalities. Islam accepts them all. And tells us to live in harmony and peace. Remember: Peace up. Extremist thinking out."

aus: 'Average Mohamed'- Identity'

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien haben sich 35.000 ausländische Kämpfer aus über 100 Staaten der Terrororganisation Islamischer Staat angeschlossen, darunter rund 800 Deutsche. Die allermeisten von ihnen werden online radikalisiert. Der in Minneapolis lebende Somalier Mohamed Amin will etwas dagegen unternehmen: Und zwar mit dem Youtube-Kanal „Average Mohamed“. Seine Videos sollen Kinder und Jugendliche zwischen acht und 16 Jahren davor bewahren, sich von Extremisten anwerben zu lassen.

Die Idee zu den Videos hatte Mohamed Amin vor vier Jahren. Damals bekam er zum ersten Mal mit, wie Extremisten in der somalischen Community in Minnesota auf Menschenfang gingen. Von allen US-Amerikanern, die zum Islamischen Staat gegangen sind oder es versucht haben, kommen die meisten aus Minnesota. Jeden Monat, erzählt Amin, verliere der Staat im Nordwesten der USA mindestens einen Jugendlichen an den IS.

"Wir müssen etwas tun. Und was kann ein Durchschnittsmensch tun? Denn es sind Durchschnittsmenschen, die die jungen Leute anwerben und sie zu Extremisten machen. Also brauchen wir auch einen Durchschnittsmenschen, der mit ihnen über De-Radikalisierung redet."

Mohamed Amin

Mohamed Amin ist wie seine Figur „Average Mohamed“ so ein Durchschnittsmensch: Er betreibt eine Tankstelle, hat vier Kinder und eine Hypothek abzuzahlen. Die Cartoons lässt er von einem Grafiker produzieren, er selbst entwickelt die Ideen und spricht die Texte ein. In seinen Videos greift er Themen auf, mit denen Extremisten ihre potentiellen Opfer ködern: Identität, Gerechtigkeit oder das Leben in der westlichen Welt. Oft zitiert er darin Verse aus dem Koran – Amin will den Jugendlichen einen anderen, toleranten Islam zeigen. Er präsentiert seine Videos an Schulen, verbreitet sie über Youtube und – das ist ihm besonders wichtig – über soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook.

"Wir gehen da raus und verbreiten unsere Botschaft. Durch die Animation der Cartoons können wir auch komplexe Inhalte so transportieren, dass sie einfach zu verstehen sind. Die Videos sind leicht zu produzieren, einprägsam und einfach zu verbreiten."

Mohamed Amin

Wie vorgehen gegen das digitale Kalifat?

In Anbetracht der virtuellen Übermacht des IS ist das dringend nötig: Über Twitter, Facebook und Youtube-Videos rekrutiert der Islamische Staat neue Leute – dieses hochprofessionelle digitale Kalifat ist eine der wirksamsten Waffen der Terrororganisation. Der IS verfügt über ein offizielles Medienzentrum mit mehreren spezialisierten Unterabteilungen – so kann er ganz gezielt bestimmte Gruppen ansprechen. Junge Frauen sollen mit Websites voller Katzenvideos, Stylingtipps und extremistischer Rhetorik geködert werden, abenteuerlustige Männer mit martialischen Videos. Die Strategie der Islamisten geht auf: Rund 90 Prozent der angeworbenen Kämpfer haben sich zuerst online radikalisiert, sagt die Terrorismusforscherin Christina Schori Liang vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik.

"Das ist das erste Mal, dass eine Terrorgruppe in zwei Sphären kämpft: in der realen und in der virtuellen Welt. Während wir uns immer noch auf den militärischen Kampf in der realen Welt konzentrieren, gewinnen sie ihren Krieg im Cyberspace."

Christina Schori Liang, Terrorismusforscherin

Deutschland klärt mit LeFloyd auf

Es gibt erste Ansätze, den IS auf dem digitalen Schlachtfeld zurückzuschlagen: Die EU finanziert seit Anfang 2015 Gegenpropaganda in sozialen Netzwerken, die USA versuchen über den Twitter-Account „Think Again Turn Away“, dschihadistischer Rhetorik etwas entgegenzusetzen. In Deutschland klärt die Bundeszentrale für politische Bildung mit prominenten Youtubern wie LeFloyd über den Islam auf.

Insgesamt, sagt Terrorismusforscherin Schori Liang, tun Regierungen jedoch immer noch nicht genug im virtuellen Kampf gegen den IS: Sie investieren zu wenig Geld – und sie wissen immer noch nicht genug darüber, wie man die Botschaften des IS wirkungsvoll entzaubert.

"Gerade schauen wir zuerst, was der IS macht, und dann sagen wir: Das ist falsch. Aber sie wissen, dass wir genau das tun werden. Also sind sie uns einen Schritt voraus. Wir müssen unsere eigene Marketingstrategie entwickeln, eine neue, die junge Leute anspricht und viel proaktiver wirkt als die Kampagnen des IS."

Christina Schori Liang, Terrorismusforscherin

Der Traum einer globalen Aufklärungskampagne

Schori Liang sieht dabei nicht nur Staaten in der Verantwortung. Ihre Vision ist die einer globalen Kampagne, die von Politik und Zivilgesellschaft gleichermaßen getragen wird. Zum Beispiel indem man die Erfahrungen von ehemaligen IS-Kämpfern bewusst als Instrument einsetzt, um andere abzuschrecken. Auch Macher Amin würde den virtuellen Kampf gegen den Extremismus gerne breiter aufstellen – dafür bräuchte er allerdings mehr Unterstützung. Bislang bringt ihm sein Engagement nicht nur Todesdrohungen ein, zusätzlich muss er für die Produktion jedes einzelnen Videos auch noch 1.500 Dollar zahlen – ohne irgendwelche Zuschüsse.

"Der IS hat die finanziellen Mittel. Diese Leute investieren in ihre Ideologie. Sie akquirieren Geld für ihre Ideologie. Wir brauchen dasselbe in unseren demokratischen Gesellschaften. Wir haben so viele Ideen, aber kein Geld. Das ist ein Problem. Firmen müssen helfen, multinationale Konzerne müssen helfen, ganz normale Leute müssen mitmachen. Denn es sind die Durchschnittsleute, die gefährdet sind. Das betrifft Dich und mich, uns alle."

Mohamed Amin


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