Bayern 2 - Zündfunk


18

Das Corona-Tagebuch Wir brauchen ein anderes Wort für Impfneid

Ich will auch! Ich möchte auch geimpft werden, wieder Freunde treffen, nachts draußen rumlaufen. Ist das schon Impfneid, fragt sich unsere Autorin Amelie Hörger, Prio 4, während sie die Impf-Fotos in ihrer Timeline betrachtet.

Von: Amelie Hörger

Stand: 06.05.2021 | Archiv

Amelie Hörger | Bild: Privat

Wenn ich früher cool auf Social Media sein wollte, dann habe ich ein Foto aus dem Urlaub gepostet. Berge oder Meer: vollkommen egal, nur weg von Zuhause. Jetzt würde ich gerne ein anderes Foto auf Instagram hochladen: Hochgekrempelter Ärmel, blanker Arm, darauf ein weißes Pflaster. Ein Foto oder Video nach der Corona-Impfung. So sehen die Impf-Fotos aus, die durch meine Timeline laufen. Dazu heißt es dann: Mir geht’s ganz gut, mein Arm tut halt ein bisschen weh, aber ich bleib mal optimistisch.“

Ganz unten in der Impfstoff-Nahrungskette

Optimistisch zu bleiben, versuche ich auch. Obwohl ich zur Prio 4 gehöre und ganz unten in der Impfstoff-Nahrungskette stehe. Handelt es sich da etwa bei mir um den gerade viel diskutierten Impfneid? Was ist das überhaupt? Ich schlage das Wort Neid im Internet-Duden nach: Neid: Empfindung, Haltung, bei der jemand einem andern dessen Besitz oder Erfolg nicht gönnt und selbst haben möchte.“

Ich will auch...

Also Sekunde: Neid heißt, ich gönne etwas dem anderen nicht, weil ich es auch gerne hätte. Aber wie nenne ich dann das, was ich jetzt gerade fühle? Ich gönne ja – und will das alles auch haben: Die Corona-Impfung. Dazu noch ein paar meiner Grundrechte, wie sie die Geimpften jetzt wieder bekommen. Ich möchte auch wieder nachts auf die Straße gehen und mich mit mehr Menschen treffen. Ich will endlich auch mein Selfie vom Impfen, das „Impfie“, hochladen.

Tweet-Vorschau - es werden keine Daten von Twitter geladen.

Fynn - Mittwoch, 05. Mai 2021, 08:39 Uhr
#Impfneid ist auch wieder so etwas typisch deutsches. Warum kann man in diesem Land nicht gönnen?

Ich kann doch gönnen!

Mann, aber ich kann doch gönnen! Ich freue mich für meine Mama, für meine Tante, für meine beiden Freundinnen. Alle arbeiten mit Kindern und sind deswegen schon zumindest einmal geimpft. Ich habe mich schon vor Monaten für alle Pflegekräfte gefreut, als die geimpft wurden, und freue mich jetzt, dass mobile Impfteams in arme Stadtviertel mit hoher Ansteckungsgefahr wie Chorweiler in Köln fahren. Und ich würde mich für alle Menschen in Ländern des Globalen Südens freuen, die hoffentlich bald Impfschutz kriegen, weil die Regierungen im Norden die Impftechnologie mit allen teilen und nicht horten.

Trotzdem: Mein Arm würde sich auch über ein bisschen Impfstoff freuen. Und hier kommt das Problem: Neid ist einfach nicht klar genug definiert. Manche denken Neid sei etwas Schlechtes, etwas, für das wir uns schämen sollten. Das finde ich nicht. Neid kann auch etwas Positives sein. Ich beneide jemanden um etwas und versuche alles, um dasselbe zu erreichen. Neid kann also motivieren. Das sagt auch die Psychologie und unterscheidet zwischen zwei Arten: Dem konstruktiven und dem destruktiven Neid. 

Tweet-Vorschau - es werden keine Daten von Twitter geladen.

Mysaltygymsocks - Dienstag, 04. Mai 2021, 10:54 Uhr
Das macht mich sehr sauer ein Jahr für die #BOOMER total zurück gesteckt, dass die nicht sterben wie die Fliegen an #Corona und jetzt können eben jene nicht noch 2 Monate auf alle anderen warten? Undankbar. https://t.co/CrPXDe5iVP

Zwei Arten von Neid

Das ist destruktiver Neid oder auch Missgunst: Mir fehlt etwas. Hier: Ein Teil meiner Grundrechte. Ich fühle mich ungleich behandelt und gönne den anderen nicht das, was mir fehlt. Ganz anders die zweite Form von Neid: Ich wünsche mir etwas, was eine andere Person hat und versuche das dann auch zu bekommen.

Tweet-Vorschau - es werden keine Daten von Twitter geladen.

Metalmade 🤘🔴🔴🔴 - Dienstag, 27. April 2021, 10:22 Uhr
Was ist das denn für ein Wort: #Impfneid? Habt ihr mal darüber nachgedacht, dass man sich sowohl über jeden geimpften Menschen freuen als auch den Wunsch hegen kann, selbst geimpft zu werden?

#impfneidohnemissgunst

Danke, das ist nämlich genau das, was ich auch empfinde - unter dem Hashtag #impfneid will ich diese Meinung aber nicht mehr posten. Ich finde der Begriff ist inzwischen einfach nicht mehr konkret genug. Hier sammeln sich beide Formen von Neid, die sich ganz deutlich voneinander unterscheiden. Und deswegen brauchen wir meiner Meinung nach einen neuen Hashtag. Einen ohne Verwirrungen. Bei dem wir alle wissen, was genau gemeint ist. Ein Hashtag der sagt: Ich freue mich für euch, der aber auch den Wunsch nach einer eigenen Impfdosis klar macht. So wie ich mich fühle. Hier meine Vorschläge: #konstruktiverImpfneid. Oder #vollcoolaberichhätschonauchBock für die fleißigen Tippfreunde unter uns. Oder einfach #impfneidohnemissgunst.


18