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Das Thema Der Ablass

Stand: 22.02.2012 | Archiv

Die Reformation entzündet sich am Missbrauch einer kirchlichen Schlüsselgewalt, die im frühen 16. Jahrhundert zum Schachern mit Ablässen entartete.

Der Ablass und die allmähliche Umdeutung eines Gnadenaktes

In ihrem Ursprung waren Ablässe jedoch keine Handelsware, die das Seelenheil für Geld käuflich machten, sondern Instrumente der Aussöhnung mit Gott, die das Bußsakrament ergänzten und die Furcht vor dem Fegfeuer dämpften.

Der Ablass als alternative Bußleistung

In der Frühzeit der Kirche war es üblich, die Absolution schwerer Sünden mit zeitlich bemessenen Bußauflagen wie etwa strengstem Fasten oder Ausschluss von den Sakramenten zu verbinden. Im Laufe der Zeit kam es dazu, dass Päpste und Bischöfe die von der Kirche auferlegten Bußstrafen unter bestimmten Bedingungen verkürzten oder erleichterten. So konnten Gläubige, die aufgrund eines Gebrechens nicht imstande waren, die ursprüngliche Auflage zu erfüllen, Ersatz für ein nicht einlösbares kirchlich verfügtes Bußwerk leisten und in den Genuss der vollen Vergebung gelangen. Als Alternativen für ein strenges Fasten, das Kranken und Alten nicht zumutbar war, galt beispielweise die Almosenspende für Arme. Es ging also beim Ablass zunächst darum, den Weg der Buße für alle offen zu halten und keinesfalls darum einen echten Ersatz für das Bußsakrament, für die Reue, für die Beichte und für die Genugtuung anzubieten.

Der Ablass verkürzt den Aufenthalt im Fegfeuer

Mit der Ausbildung der Fegfeuerlehre seit dem 6. Jahrhundert wandelte sich der Gebrauch des Ablasses. Entscheidende Impulse setzte dabei die Vorstellung, dass das Bußsakrament zwar den Bruch mit Gott und der Kirche heilt, den Menschen jedoch nicht von den Folgen seiner Sünden befreit. Da die Sündenstrafen also auch mit der Absolution noch nicht restlos getilgt sind, bleibt die Notwendigkeit eines Läuterungsprozesses im Fegfeuer erhalten. Für das Mittelalter, aber auch noch für die Neuzeit bis herauf an die Schwelle des 20. Jahrhunderts, war das Fegfeuer sehr konkret. Es wurde gelehrt und gefürchtet nicht als Zustand oder Prozess der vollständigen geistlichen Bekehrung nach dem Tod, sondern als körperlich und räumlich realer Läuterungsort, in dem die Seele je nach Schwere der begangenen Sünden eine bestimmte Zeit unter physischen Qualen auszuharren hatte.

Der Gnadenschatz wird umverteilt

Wie groß die Angst des mittelalterlichen Menschen vor den in krassen Farben gemalten, durch drastische Bilder und Predigten heraufbeschworenen Feuerqualen gewesen sein muss, lässt sich heute kaum mehr ahnen. Festhalten lässt sich jedoch, dass die Furcht immens gewesen sein muss. Trost und Hoffnung fand die seelische Not der Gläubigen schließlich in einer Modifikation der Ablasslehre, die im Verlauf des 13. Jahrhunderts unter anderem durch Thomas von Aquin ausformuliert wurde. Diese Neuerung sprach der Kirche kraft ihrer von Gott verliehenen Schlüsselgewalt die Vollmacht zu, einen wirksamen Erlass der zeitlichen Sündenstrafen im Fegfeuer zu erwirken. Dazu bediente sich die Kirche eines Gnadenschatzes (thesaurus ecclesiae), den die Märtyrer und Heiligen und vor allem Christus im Überfluss und zur Verteilung an die Gemeinschaft der Gläubigen erworben haben. Salopp gesprochen, ist der Ablass eine geistliche Überschussbeteiligung von Verdiensten, die an Bedürftige ausgeteilt werden kann.

Der Ablass ist kein Freibrief für Sünder

Diese "Überschussbeteiligung" ist allerdings zunächst kein Ersatz für das Bußsakrament. Die Gewährung eines Ablasses setzt zwingend voraus, dass sich der Gläubige durch Reue, Schuldbekenntnis, innere Buße und vor allem durch den Empfang der Absolution mit Gott versöhnt hat und bereits im Stand der Gnade ist.


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