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Außenpolitik Hasardeur Hitler

Ausgerechnet über einen Deal mit England suchte Hitler den Weg Richtung Osten. Verhandeln ließ er die schwierige Offerte am Auswärtigen Amt vorbei durch einen Sondergesandten - Joachim von Ribbentrop. Undurchsichtige Kompetenzen sind ein Markenzeichen von Hitlers Außenpolitik.

Published at: 22-7-2019 | Archiv

Friedensfürst Hitler

Im Ausland war man beunruhigt wegen der innenpolitischen Veränderungen in Deutschland. Mit Sorge sah man die Verfolgung politischer Gegner, die Ausschaltung des Parlaments und die Schikanen gegen Juden. Aber Hitlers erste Schritte in der Außenpolitik waren schwer einzuschätzen. Hitler gab sich lammfromm und betonte zunächst vor allem seinen Friedenswillen. Besondere Beachtung fand seine so genannte Friedensrede vom 17. Mai `33. Dort sprach er davon, dass die Beschränkungen des Versailler Vertrags ungerecht seien und zurückgenommen werden müssten. Wenn Deutschland dann einen akzeptierten Platz in Europa habe, wolle es wie andere Großmächte in Europa auch friedlich bestehen. Das wirkte beruhigend, auch wenn Hitler kurz darauf einen Vorwand nutzte, um die gerade laufenden Abrüstungsverhandlungen in Genf zu verlassen und bald darauf auch aus dem Völkerbund auszutreten.

Beide Manöver hatten vor allem einen Sinn: Hitler versuchte, multilaterale völkerrechtliche Verträge zu vermeiden. Verpflichtungen, die von mehreren Staaten eingegangen werden, haben automatisch zur Folge, dass auch immer mehrere Staaten verletzt sind und reagieren, wenn ein Partner aus den Vereinbarungen ausschert. Von Anfang an setzte Hitler deshalb auf bilaterale Verträge. So hoffte er auch die Front der Sieger des Ersten Weltkriegs, die gleichzeitig auch die Garantiemächte des Versailler Friedensvertrags waren, aufzuspalten. Und nur so konnte er die nötige Zeit gewinnen, um sein gewaltiges Aufrüstungsprogramm umzusetzen.

Englandpolitik

Am wirkungsvollsten gelang Hitlers Strategie bilateraler Abkommen mit England. England war für Hitler der wichtigste Faktor für seine Vorbereitung zu einem großen Krieg im Osten. Denn - erstaunlich: Hitler war England-Fan. Nicht nur, dass ihm die Briten als alte Germanen galten und damit geblütsmäßig als ebenbürtig. Er glaubte auch, England einen Deal anbieten zu können, den es nicht ablehnen konnte. Hitler wollte England für das deutsche Lebensraumkonzept im Osten gewinnen. Sein konkreter Vorschlag war: Wenn England bereit sei, Deutschland die dominierende Stellung auf dem Kontinent zuzubilligen, dann sei Deutschland seinerseits bereit, die kolonialen Pläne Englands in Übersee zu unterstützen - einfach dadurch, dass Deutschland selbst dort keine Ansprüche anmelden würde.

Und tatsächlich: England ließ sich von Hitler umwerben und gab nach. Am 18. Juni 1935 wurde das deutsch-britische Flottenabkommen unterzeichnet - ein glatter Triumph für Hitler.

Joachim von Ribbentrop, Sondergesandter

Hitler verdankte seinen Triumph vor allem dem Verhandlungserfolg eines schillernden Mannes, der dennoch typisch war, für Hitlers Methode, Außenpolitik zu machen: Joachim von Ribbentrop. Ribbentrop war früh zur NSDAP gekommen. Er war finanziell unabhängig, verheiratet mit der Tochter des Sektfabrikanten Henkell und hatte schon im Vorfeld der Machtergreifung in seiner Villa in Berlin Hitler gute Dienste erwiesen. Und besonders praktisch: Er sprach sehr gut Englisch.

1935 schickte Hitler Ribbentrop als Sondergesandten nach London. Der Auftrag hieß schlicht: Bringen Sie mir das englische Bündnis! Und Ribbentrop wurde wunschgemäß aktiv. Ohne das Auswärtige Amt vor Ort einzuschalten, begann er in London zu verhandeln. Die Briten waren kurz indigniert über die seltsamen diplomatischen Gepflogenheiten, aber Ribbentrops Angebot war verführerisch: Deutschland würde selbst nicht mehr als ein Drittel der englischen Flottenstärke bauen, um dessen Überseeinteressen nicht zu gefährden. Und England stimmte zu, gerade die Nation, die die stärkste Garantiemacht des Versailler Vertrags war. Dieser Tag sei der schönste in seinem bisherigen Leben gewesen, sagte Hitler euphorisch.

Die Angelegenheit war typisch für Hitlers Regierungsstil. Außenminister samt Diplomaten hin oder her - der Führer betrieb seinen Führerstaat zunehmend als Kompetenzchaos. Ribbentrop, der am Auswärtigen Amt vorbei ein eigenes Büro, die "Dienststelle Ribbentrop" betrieb, ist nur ein Beispiel von vielen, wie vor allem auch Funktionsträger aus den Reihen der alten Eliten mühelos durch Hitler persönlich ergebene Sonderbeauftragte überspielt werden konnten. Die konkurrierenden Stellen zogen somit zwar nicht an einem Strang, aber sie konnten sich in radikalen Ideen, die nach dem Geschmack des Führers sein mussten, gegenseitig überbieten.

Hitlers Risikopolitik nach Zeugnis der Goebbels-Tagebücher

Aber sogar die Eliten in der eigenen Partei sind immer wieder von Hitlers Drang, alles auf eine Karte zu setzen, verunsichert. Aufschlussreich sind hier die Goebbelstagebücher. Zu ihrer Herkunft: Bald nach 1945 sind zumindest Teile der handschriftlichen Tagebuch-Kladden Joseph Goebbels´ in Berlin in sowjetische Hand gelangt. Später, Anfang der 70er Jahre, sind Filmkopien davon über die DDR in die Bundesrepublik gekommen.

Goebbels räsoniert in seinen Tagebüchern immer wieder, ob die außenpolitischen Schritte des Führers nicht allzu gewagt seien. Ein Beispiel ist Hitlers Plan vom März 1936, die nach dem Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinlandzone zu besetzen.

Eintrag zum 29. Februar: "Mittags Führer. Göring auch da. Thema: Remilitarisierung des Rheinlands. Führer ringt schwer mit sich."

Das Risiko ist gewaltig. Marschiert Frankreich auf den deutschen Vorstoß hin selbst ins Rheinland ein und drängt Deutschland wieder heraus, sind die deutschen Aufrüstungs-Anstrengungen der letzten Jahre dahin. Goebbels hofft auf Zurückhaltung Hitlers. Doch dann, Eintrag vom 2. März:

"Führer kommt. Er ist nun fest entschlossen. … Dem Mutigen gehört die Welt. … Es wird wieder Geschichte gemacht!"

Goebbels

Als die deutschen Truppen am 7. März 1936 tatsächlich ins Rheinland einmarschieren, war der Affront perfekt. Aber Frankreich überschätzte die militärische Stärke Deutschlands und blieb passiv. Damit war wohl die letzte Chance vertan, Deutschland ohne ausgewachsenen Krieg an weiteren vertragswidrigen Aktionen zu hindern.

Besprechung mit schwerwiegenden Folgen

Wie für das Militär bedeutete auch für die alten Eliten im Außenamt die Besprechung in der Reichskanzlei vom 5. November 1937 eine scharfe Zäsur. Hitler hatte auf dieser Sitzung angekündigt, er wolle als nächstes Österreich und die Tschechoslowakei dem Reich einverleiben und war auf klaren Widerstand vor allem der militärischen Spitze gestoßen. Auch für den parteilosen Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath wurde dieser Tag zur Endstation seiner Karriere. Hitlers Pläne sprengten die revisionistischen Ziele der traditionellen Gegner des Versailler Vertrags. Eine derart riskante Risikopolitik wollten etliche Wegbegleiter und Wegbereiter aus den traditionellen Eliten des alten Kaiserreichs nicht mehr mittragen.

Zum Krieg

Der neue Außenminister hieß nun Joachim Ribbentrop. Planmäßig kam es mit ihm zum Anschluss Österreichs. International standen darauf hin die Zeichen auf Sturm, doch die Folge war das Münchner Abkommen vom 30. September `38. Der britische Premier Chamberlain versuchte mit seiner Appeasementpolitik Hitler noch einmal auf diplomatischen Weg zur Ruhe zu bringen. Doch die Ruhe währte nur kurz. Nach dem in München verhandelten Anschluss der sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei wagte Hitler Mitte März 1939 die "Erledigung der Resttschechei". Wieder allerhöchstes Risiko. Jetzt wachten die Westmächte auf. Doch Hitler blieb ungerührt. Sein nächster Schachzug schien undenkbar und verschaffte ihm tatsächlich noch einmal Luft: Er schloss einen Nichtangriffspakt mit dem Erzfeind im Osten, mit Stalin. Am 23. August 1939 unterzeichneten die Außenminister Molotow und Ribbentrop den Hitler-Stalin-Pakt in Moskau - ein Tanz der Skorpione. Der Vertrag hatte ein geheimes Zusatzabkommen, das Stalins Bereitschaft zum Pakt erklärt: Nach dem deutschen Einmarsch in Polen wollten sich die beiden Partner Polen untereinander aufteilen. Genau so sollte es auch kommen.

Jetzt glaubte Hitler die Gefahr eines Zweifrontenkriegs gebannt zu haben. Wenn Stalin ihm nicht in den Arm fällt, würde der Westen nicht wagen, gegen Deutschland Krieg zu führen. Doch dieses Mal hatte Hitler endgültig zu hoch gespielt. Am 1. September 1939 marschierten die deutschen Truppen in Polen ein. Zwei Tage später erging die britisch-französische Kriegserklärung an das Deutsche Reich. Die Briten! Sie griffen also doch ein! Hitler soll auf die Nachricht hin wie versteinert gewesen sein.


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