Bayern 1


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Virologin Ulrike Protzer "Für den nächsten Herbst sind wir dann wirklich gut gerüstet"

Im Gespräch mit BAYERN 1 macht Prof. Dr. Ulrike Protzer Hoffnung auf einen Impfstoff und gibt Tipps für den kommenden Winter.

Stand: 23.09.2020 | Archiv

Prof. Dr. med. Ulrike Protzer, Lehrstuhl für Virologie, TU München | Bild: BR

Die große Hoffnung während der Corona-Pandemie ist ein Impfstoff. Im Interview mit BAYERN 1 gibt Virologin Prof. Dr. Ulrike Protzer einen Ausblick darüber, wann wir vielleicht mit einem Impfstoff rechnen können.

Corona-Impfstoff

BAYERN 1: Was ist eine realistische Einschätzung, wann können wir Ihrer Meinung nach mit einem Impfstoff rechnen?

Ulrike Protzer: "Es sieht so aus, als ob sich dieses Virus relativ gut durch einen Impfstoff verhindern lässt. Also zumindest, Tierversuche sehen so aus. Alles, was man da bisher an präklinischen Versuchen hat, sieht eigentlich gut aus. Deswegen bin ich guter Hoffnung, dass es auch einen Impfstoff für den Menschen geben wird, der funktioniert.

Wann wird’s einen Impfstoff gegen Corona geben?

Jetzt im Moment sind ja viele Kandidaten in der Prüfung. Es sind inzwischen neun oder zehn in der letzten Phase der klinischen Prüfung, die wird zum Teil Ende dieses bzw. im Frühjahr nächsten Jahres abgeschlossen sein. Und dann wissen wir: Welcher Impfstoff ist denn sicher und welcher Impfstoff funktioniert auch, denn das wird ja in der dritten Phase überprüft. Wenn wir das wissen, dann muss geprüft werden und dann geht das in die Zulassung - und da bin ich sehr zuversichtlich, dass das für die ersten Impfstoffe im nächsten Jahr, genauer gesagt im Frühjahr nächsten Jahres, allerhöchst-wahrscheinlich passieren kann.
Dann muss es aber auch natürlich noch eine Infrastruktur geben, damit man auch impfen kann und damit man auch ganz vielen Menschen diesen Impfstoff geben kann. Die Produktion auszudehnen und die Infrastruktur bereitzustellen, das wird auch nochmal ein paar Monate dauern. Aber ich denke, im Laufe des nächsten Jahres wird das passieren und für den nächsten Herbst sind wir dann wirklich gut gerüstet."

Corona-Medikament - wie ist der jetzige Stand?

"Bei Medikamenten sind wir schon einen Schritt weiter. Es gibt ja das erste zugelassene Medikament, das Remdesivir. Da wurde in den ersten Studien gezeigt, dass es die Krankenhausaufenthaltsdauer verringert. Was wichtig ist, weil das natürlich zur Entspannung der Lage in den Krankenhäusern beiträgt. Und die zweite Studie hat jetzt auch gezeigt, dass es die Sterblichkeit verringert. Das sind gute Nachrichten. Das Medikament ist auch gut verträglich. Da haben wir die erste Waffe in der Hand und weitere sind natürlich auch in der Entwicklung. Die Pharmafirmen sind sehr aktiv dabei, neue Medikamente zu suchen. Neue Studien starten. Und auch da werden wir sicherlich über den Herbst, Winter neue Nachrichten erhalten."

Verstärkte Maskenpflicht droht uns jetzt. Das ist sinnvoll Ihrer Ansicht nach, oder?

Ja und nein. Ich glaube, man muss die Masken auch sinnvoll einsetzen. Ich persönlich finde eine Maßnahme sehr vernünftig, die die Italiener getroffen haben: Die haben gesagt, "Okay, auf öffentlichen Plätzen, wo es eng ist, da ist ab dem Eintritt der Dunkelheit, also dann jetzt im Herbst ab 18 Uhr eine Maskenpflicht bis in die frühen Morgenstunden. Aber tagsüber, wenn es hell ist, wenn UV-Licht da ist, dann braucht man das nicht." Und solche differenzierten Maßnahmen sind glaube ich etwas, über was man nachdenken kann. Aber insgesamt helfen uns die Masken natürlich schon, die Übertragung zu verhindern - das haben viele Studien in der Zwischenzeit gezeigt. Man muss sie halt gezielt und weise einsetzen, damit die Bevölkerung da nicht müde wird.

Corona-Forschung - Was ist denn für Sie als Forscherin momentan die spannendste Frage?

"Für mich ist eine der spannendsten Fragen: Warum werden manche Menschen krank und andere nicht? Wir wissen, es gibt Risikofaktoren, das ist vor allem das Alter. Da ist auch nicht ganz klar, warum. Ist das nur die Immunantwort oder ist das Alter allein ein Risiko? Und dann ist es so, dass schon bei jüngeren Menschen oder im mittleren Alter zwischen 30 und 60 manche krank werden und manche nicht. Und das ist komplett unverstanden. [...] Wenn wir das verstehen würden, hätten wir vielleicht eine Möglichkeit, es auch zu verhindern."

Was ist denn Ihr Tipp an uns alle, wenn der Winter uns wahrscheinlich höhere Infektionszahlen bringen wird?

"Den kühlen Kopf bewahren. Wir alle wissen inzwischen, wie man sich selber schützen kann. In seiner eigenen Blase bleiben, wenn es eng wird, und dann eben die Maske anziehen - aber nicht gleich in Panik verfallen. Und ich glaube, wenn wir das alle beherzigen, dann kommen wir auch gut über diesen Winter."

Prof. Dr. Ulrike Protzer ist Virologin in München.


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