Bayern 1


88

Raumduft beim Shoppen Was Raumdüfte beim Einkaufen und daheim mit uns machen

Wie Duftmarketing den öffentlichen Raum beduftet - und was es mit unserer Gesundheit macht, ständig von künstlichem Raumduft umgeben zu sein, das ermittelt der BAYERN 1 Umweltkommissar.

Von: Alexander Dallmus

Stand: 16.04.2019

Frau im Einkaufscenter schnuppert, hat Tüten in der Hand | Bild: mauritius-images

Wie problematisch sind Raumdüfte?

Früher war klar: Wenn es nach frischem Brot riecht, wird irgendwo gebacken. Wenn es nach Kaffee duftet, ist er irgendwo gerade aufgebrüht worden. Heute können wir uns nicht mehr ganz so sicher sein, ob der Duft auch „echt“ ist: Denn Vanille-, Kaffee- oder Zimtdüfte werden vom Einzelhandel ganz bewusst eingesetzt. Wir sollen uns in Geschäften wohlfühlen, vielleicht Appetit bekommen, aber vor allem etwas kaufen.

Und nach einem Blick in die Regale der Drogeriemärkte, bekommt man ohnehin den Eindruck, wir würden allesamt in stinkigen Miefbuden leben und es gäbe im Haus oder der Wohnung keine Fenster zum Lüften. Natürlich sind Parfums und andere Duftstoffe immer schon gezielt eingesetzt worden sind, aber nicht in dieser Fülle. Neben dem berüchtigten „Duftbaum“ und dem „frühlingsfrischen“ Weichspüler, erobern seit einigen Jahren auch verstärkt Sprays, Duftkerzen und Duftöle unseren muffigen Alltag.

Verkaufsförderung durch Duft

Das hat sicher auch damit zu tun, dass ein frischer Duft das Gefühl von Sauberkeit und Hygiene verstärkt. Während in den 70ern und 80ern noch Räucherstäbchen angezündet wurden, werden heutzutage Düfte bereits automatisch oder auf Knopfdruck versprüht. Nicht nur in Bad und WC oder der Wohnung, auch in Modegeschäften, Kaufhäusern oder selbst in Krankenhäusern werden gezielt Duftstoffe über die Klimaanlagen, Duftterminals oder „Aromasäulen“ verbreitet. Unsere Kleidung kommt duftend aus der Waschmaschine, im Mülleimer und sogar in der Spülmaschine hängen kleine Duftkapseln, in der Toilette setzen wir Duftspüler ein.  Mit Aromakerzen oder Aromaölen werden Rosen-, Vanille- oder weihnachtliche Apfel-Zimt-Düfte verteilt, je nach Jahreszeit.

BAYERN 1 Umweltkommissar als Podcast abonnieren

Hier erhalten Sie unseren Umweltkommissar als Podcast:
Alle Folgen im BR-Podcast Center oder bei iTunes anhören, downloaden - und abonnieren

Unsere Nase kann mehr als nur riechen

Tatsächlich bestätigen auch Erkenntnisse von Evolutionsbiologen, dass wir Menschen mit der Nase mehr riechen, als nur gute oder schlechte Gerüche. Unbewusst erfassen beispielsweise Frauen an Männern die immungenetische Ergänzung für mögliche gemeinsame Kinder. Und zwar um diese optimal gegen Krankheitserreger zu schützen. Das bedeutet hier aber, dass wir idealerweise ein Parfüm finden, das unseren eigenen Körpergeruch nachahmt und verstärkt. Mit Zitrone, Moschus oder Waldfrucht in der Raumluft hat das nichts zu tun.

Vielmehr ist es so, dass wir sowieso permanent Gerüchen ausgesetzt sind und uns zusätzlich noch Gerüchen aussetzen, die wir als angenehm und schön empfinden. Gerade bei Raumdüften kann das zu einem negativen Effekt führen. Wie an der Ruhr-Uni in Bochum bewiesen worden ist, können unsere Riechzellen auch ganz bewusst die Wahrnehmung blockieren, d.h. wir nehmen auch intensive Düfte nach einer gewissen Zeit nicht mehr wahr, weil wir uns daran gewöhnt haben. Das führt unter Umständen dazu, dass wir den sowieso schon intensiven Duft dann nochmals erneuern oder verstärken, um ihn wieder wahrzunehmen zu können. Das Umweltbundesamt in Berlin warnt beispielsweise in einem Ratgeber:

"Duftstoffe erfüllen keinen gesundheitlichen Zweck und manche Menschen reagieren sehr empfindlich auf sie. Daher stellen sie eine Belastung für die ideale Raumluftqualität dar."

Umweltbundesamt in Berlin

Was ist Duftmarketing?

Fakt ist: Wir können Düfte erlernen und abspeichern. Diese Düfte prägen sich dann in unserem Gehirn ein und zwar in dem Kontext, in dem wir sie erlebt haben, erklärt Prof. Hanns Hatt, Geruchsforscher der Ruhr-Uni Bochum:

"Wenn ich zum Beispiel als Männernase zehn Mal hintereinander immer ein junges hübsches Mädchen sehe, die einen ganz bestimmten Duft trägt, dann werde ich diesen Duft mit ‚jung und schlank‘ in meinem Gehirn abspeichern. Und wenn dann eine ältere, etwas fülligere Dame diesen Duft trägt, werde ich sie automatisch jünger und schlanker schätzen."

Prof. Hanns Hatt, Geruchsforscher der Ruhr-Uni Bochum

Zum Beispiel hat ein US-Forscher herausgefunden, dass sehr florale Noten und rosa Pampelmusenduft eine Person bis zu sechs Kilo leichter und sieben Jahre jünger wirken lässt. Allerdings nur in der Nase. Mit dem Duft verfliegt auch der Eindruck.     

Wir erleben Gerüche im Kontext. Und rufen Erinnerungen ab, wenn wir sie riechen. Das versuchen Kaufhäuser, Boutiquen oder Einkaufscenter schon seit Jahren für sich zu nutzen.  Deshalb möchten sie sich bei den Kunden duftend-positiv in Erinnerung bringen. Damit wir länger im Laden bleiben und mehr einkaufen. „Deswegen ist Duftmarketing schon lange im Handel ein großes Thema,“ sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Bayerischen Einzelhandelsverbands, „ob jetzt über Duftterminals oder Aromasäulen. Da gibt’s verschiedene Möglichkeiten, wo dann eben natürliche Duftöle über Erwärmung und Verdampfung in den Verkaufsraum gelangen.“

Genau diesen unkontrollierten Einsatz von Ölen und Wachsen, sieht Silvia Pleschka, Chemikerin, vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) in Berlin, aber sehr kritisch: „Leider ist das Problem nicht nur, dass überall beduftet wird, sondern es kommen unterschiedliche Substanzen in die Raumluft. Das verbessert nicht die Qualität der Raumluft, sondern es sind einfach Chemikalien. Das verschlechtert die Raumluft und es wird nicht transparent dargestellt, dass bestimmte Räume beduftet werden.“

Dass vor allem Allergiker oder hautsensible Menschen gar nicht wissen was da gesprüht wird, findet auch Bernhard Junge-Hülsing, HNO-Arzt aus Starnberg, bedenklich. Natürlich gibt es eine EU-Chemikalienverordnung, die auch Duftstoffe einschließt, aber manche entfalten ihre Wirkung bereits in kleinsten Dosen. „Es gibt Konzentrationen, die vorgeschrieben sind“, sagt Junge-Hülsing, der auch bayerischer Landesvorsitzender vom Berufsverband der HNO-Ärzte ist, „zum einen für die Atemluft, zum anderen für das, was auf die Haut aufgetragen werden kann und da sieht man eben schon, dass in diesen Duftstoffen zum Teil auch allergieauslösende und giftige Stoffe drin sein können. Und darauf verzichtet die Industrie auch nicht.“

Wenn Raumdüfte die Gesundheit gefährden

Duftstoffallergien gehören zu den häufigsten Kontaktallergien, eben weil wir diese Stoffe nicht nur über die Nase, sondern auch über die Haut aufnehmen. Außerdem gelangen die Duftstoffe in unsere Lungen, verteilen sich dort und breiten sich im gesamten Körper aus. Etwa 3.000 verschiedene Duftstoffe sind derzeit auf dem Markt und wir kommen mit diesen Sprays, Ölen oder Kerzen in Berührung. Die Frage ist also, ob sie mehr als nur Kopfschmerzen oder Allergien auslösen können. 

Mehr als „Vorsicht, kann Allergien hervorrufen“ oder „enthält allergene Inhaltsstoffe“ ist bei den eingesetzten Raumdüften oft gar nicht vermerkt, sagt Chemikerin Silvia Pleschka vom DAAB: „Wenn Sie bedenken, dass die Verbraucher, die dem ausgesetzt sind, gar nicht diese Information, die auf der Verpackung steht, zur Kenntnis nehmen können, dann ist es eben auch mehr als fragwürdig, dass man solche Stoffe überall einsetzt.“

Migräne in der Parfümerie

Tatsächlich kann vielleicht kann unser Riechnerv (Nervus Olfactorius) den Duft von Minze nach einer Zeit nicht mehr erfassen, unser Drillingsnerv (Nervus Trigeminus) im Hirn, der Schmerz und Berührungsreize wahrnimmt, jedoch schon. „Wenn Sie ein Kosmetikgeschäft betreten oder eine Parfumerie“, sagt HNO-Arzt Bernhard Junge-Hülsing, “und Sie fragen sich, wie können die hier arbeiten, Sie kriegen doch schon nach 20 Minuten Migräne. Das sind natürlich so Sachen, die können auf Dauer nicht gesund sein.“

Für Bernd Ohlmann vom Bayerischen Einzelhandelsverband, ist das mit dem Beduften aber weniger eine gesundheitliche Frage; „Also man kann es niemandem hundertprozentig recht machen. Das ist wie mit der Musik in den Verkaufsläden. Geschmäcker sind unterschiedlich.“

Nicht alles, was „natürlich“ ist, ist auch gut!

Blumen, Kräuter, Gräser, Bäume oder Harze haben ihre spezifischen Gerüche in der Natur und unser Organismus hat sich über die Jahrtausende an diese Duftessenzen gewohnt. Diese Düfte wirken ganz natürlich auch auf unseren Körper und Geist und beispielsweise die Aromatherapie versucht diese Wirkung positiv für unser Wohlbefinden zu nutzen.

So genannte ätherische Duftstoffe werden aus Pflanzen oder Pflanzenteilen gewonnen und haben einen signifikanten Geruch, wie Lavendel, Eukalyptus oder Orange. Dabei ist der Duft einer Vanilleschote natürlich wesentlich komplexer aufgebaut, als ein synthetisch hergestellter Duft, der mit Vanillin erzeugt wird. Natürlicher Orangen- oder Kaffeeduft basiert zum Beispiel auf jeweils rund 100 verschiedenen, gemischten Komponenten und bei uns Menschen werden die entsprechenden hundert (von insgesamt etwa 350) Rezeptoren aktiviert, die wir dann in dieser Kombination wiederum abspeichern. „Die Riechzellen können natürlich zwischen einem chemisch produzierten und einem von der Pflanze produzierten Molekül nicht unterscheiden“, sagt Deutschlands „Duftpapst“ Prof. Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum. Natürliche Duftstoffe sind daher im Allgemeinen nicht weniger belästigend oder weniger allergieauslösend als synthetisch hergestellte Duftstoffe.

Ätherische Öle Wirkung

Lavendel duftet von Natur aus.

Unbestritten wirken bestimmte Düfte stimulierend auf unser Gehirn. Zitrus-Düfte, wie Grapefruit oder Limette, sollen erfrischend und motivierend sein, Lavendel dagegen beruhigend. Gerade im Zusammenhang mit Stressabbau setzt die Aromatherapie auf die entspannende Wirkung von ätherischen Ölen, die in ihren jeweiligen Verbindung über die Luft verbreitet werden. In Taiwan haben Forscher an 100 gesunden, jungen Mitarbeitern, in verschiedenen Spa-Bereichen in Tapei, untersucht, wie Herz und Gefäße auf ätherische Öle dauerhaft reagieren, berichtete das European Journal of Preventive Cardiology (November 2012). Interessant war, dass zu Beginn tatsächlich der Blutdruck und auch die Herzfrequenz zu sinken begannen. Allerdings hielt dieser Effekt nur etwa eine Stunde an, anschließend stiegen sämtliche untersuchten Werte jedoch wieder an und lagen nach knapp zwei Stunden wiederum weit über dem ermittelten Ausgangswert der Probanden. 

Langzeitwirkung von Duftstoffen unerforscht

Ein großes Problem bei so genannten Raumerfrischern oder Sprays, die im Handel erhältlich sind, ist, dass oft nicht klar ausgewiesen ist, welche einzelnen Inhaltsstoffe da versprüht werden bzw. es ist noch weitgehend unerforscht wie die Kombination der Inhaltsstoffe langfristig wirkt. Bestimmte Produkte werben auch damit, über Cyclodextrinderivate Verbindungen, die für unangenehme Gerüche verantwortlichen sind, durch einen Hohlraum in der molekularen Struktur binden zu können; dabei sind sie gleichermaßen wiederum Träger von Duftstoffen.

Tatsächlich ist die Langzeitwirkung von Raumdüften auch noch weitgehend unerforscht . Leider, sagt HNO-Arzt Bernhard Junge-Hülsing: „Ein großes Problem in der Medizin ist, dass Duftstoffallergien nicht wirklich gesucht werden. Man schiebt es dann so in eine Schiene ‚Umweltreizung‘, dabei kann man es testen. Es gibt, industriell verfügbar, Epikutan-Tests, wo man Duftstoffmischungen auf der Haut testen kann und das ist neu.“ Diese Patch-Tests eignen sich zum Nachweis von allergischen Spätreaktionen wie eben Kontaktallergien. Allerdings sind die Ergebnisse nicht immer eindeutig.

EU-Richtlinien zu Duftstoffen

Schon nach kurzer Zeit blendet unsere Wahrnehmung Düfte aus.

Um den Einsatz von Chemikalien, und darunter fallen auch Duftstoffe, innerhalb der EU einheitlich kontrollieren und regeln zu können, gibt es die EU-Chemikalienverordnung REACH. Dabei ergibt sich jedoch das Problem, dass vor allem jene Duftstoffe besonders streng geprüft werden, die besonders häufig, bzw. in großer Menge jährlich produziert werden. Das Bundesumweltamt in Berlin sieht darin eine Lücke, weil „viele Duftstoffe ihre Duftwirkung schon in sehr geringen Konzentrationen entfalten. Die Lücke besteht also gerade bei solchen Stoffen, die hinsichtlich der biologischen Wirkung über den Riechsinn schon in kleinsten Mengen eine Relevanz für empfindliche Menschen haben.“ Es gibt natürlich aber auch eine Reihe Duftstoffe, die bereits über die EU- Kosmetikverordnung verboten sind, wie zum Beispiel Moschus Ambrette. Bestimmte Moschusverbindungen sind in der Umwelt nämlich nur schwer abbaubar und reichern sich mit der Zeit in Umwelt, Tier und Mensch an. Weitere, oft verwendete Duftstoffe, die als sensibilisierend eingestuft werden, müssen zudem auf der Verpackung angegeben werden.

Raumdüfte täuschen die Verbraucher vor allem darüber hinweg, dass das Raumklima bereits schwer belastet ist. Verschlechtert wird das Klima nämlich durch die zusätzlichen, chemischen Substanzen, den so genannten flüchtigen organischen Verbindungen (VOC). Durch die Verbrennung werden mit Duftkerzen und Duftlampen natürlich auch Ruß, Kohlenmonoxid und Feinstaub erzeugt. Kerzen aus Paraffin und Duftkerzen verdampfen beim Abbrennen nicht nur Dioxine oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, sondern auch Terpene, Aromaten und Lösungsmittel.

Kopfschmerzen von Duftkerzen

Duftkerzen verbreiten in der Luft nicht nur Duft, sondern auch Schadstoffe.

Es ist bekannt, dass diese Verbrennungsprodukte nicht nur Schleimhautreizungen oder Kopfschmerzen verursachen, sondern auch das Risiko für chronische Atemwegserkrankungen erhöhen. Will heißen: Bei einer hohen Konzentration von allergenen Duftstoffen, können Allergien auch über die Raumluft ausgelöst werden. Ob das auch für niedrigere Konzentrationen gilt, ist noch nicht ausreichend erforscht und deshalb auch nicht nachzuweisen.

Benzol oder Formaldehyd sind weitere bekannte, krebserregende Giftstoffe, die im Zusammenhang mit Raumdüften immer wieder in Verbindung gebracht werden. Bei einem Test von sechzehn  Raumerfrischern (handelsübliche Sprays, Duftkerzen etc.), im Auftrag des Deutschen Allergie- und Asthmabundes, wurde Formaledhyd zwar nicht in bedenklichen Konzentrationen nachgewiesen, dafür gaben die meisten Produkte „signifikante Mengen an dem Terpen Limonen an die Raumluft ab. Limonen ist als potentes Allergen bekannt und gilt als (Haut-)reizend und sensibilisierend“.

Fazit

Prinzipiell ist nichts dagegen zu sagen, ab und an mal ein paar Tropfen Duftöl in eine Duftlampe zu geben, um damit zuhause eine behagliche Atmosphäre zu schaffen, gerade zur Weihnachtszeit. Allerdings sollte jeder mal selbst kurz überschlagen, wie viele zusätzliche Duftstoffe täglich nur in den eigenen vier Wänden auf einen einströmen. Schließlich duftet heutzutage beinahe alles und selbst aus dem Mülleimer kommt noch ein „frischer Zitrusduft“. Dass Duftstoffallergien immer häufiger auftreten, scheint nicht sonderlich überraschend angesichts der Fülle an Duftstoffen, denen wir in allen Bereichen unseres Lebens begegnen. Duftstoffe können über die Atmung in den Organismus gelangen und sich über die Blutbahn im gesamten Körper verteilen. Auch wenn es nur in seltenen Fällen, d.h. bei extrem hohen Konzentrationen, nachgewiesen werden kann, dass auch das Einatmen von Duftstoffen allergische Symptome hervorrufen kann, müssen wir es ja nicht übertreiben. Insbesondere im Kinderzimmer haben Raumerfrischer nichts verloren. Durchlüften sorgt für ein wesentlich besseres Raumklima.

Links:


88