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Corona-Impfung Langzeitfolgen Langzeitschäden: "Die Sorge ist unbegründet"

Langzeitfolgen durch die Corona-Impfung - diese fürchtet Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich. Immunologe Prof. Clemens Wendtner und Impfstofforscher Dr. Torben Schiffner erklären, ob die Angst begründet ist oder nicht.

Stand: 27.10.2021 | Archiv

Ärztin bereitet eine Impfung gegen das Corona-Virus vor | Bild: mauritius images

Wir haben zwei Experten zu eventuellen Langzeitfolgen, zu Bossterimpfungen und Impfdurchbrüchen befragt. Prof. Clemens Wendtner, Immunologe und Infektiologe und Chefarzt an der München Klinik Schwabing, sprach mit BAYERN 1 Morgenmoderator Marcus Fahn. Das Interview mit Impfstoffforscher Dr. Torben Schiffner von der Uni Leipzig, können Sie unten nachhören.

Marcus Fahn: "Wenn Ihnen jemand gegenüber sitzt und sagt: 'Hm ... ich bin kein Impfgegner. Aber ich hab Angst, dass die Impfung in ein paar Monaten oder auch Jahren etwas in meinem Körper anrichtet!' Was sagen Sie ihm oder ihr?"

Prof. Clemens Wendtner

Prof. Clemens Wendtner: "Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man diese Sorge ernst nimmt. Ich würde dann aber versuchen, denjenigen zu überzeugen, dass die Sorge unbegründet ist. Wir haben bei den Impfstoffen eher ein umgekehrtes Problem, dass sie zu schnell abgebaut werden und wir nachimpfen müssen. Das heißt, wir gehen nicht von Langzeitschäden aus. Wir haben ja sehr, sehr viele Patienten geimpft, haben lange Erfahrung damit. Also diese Sorge ist unbegründet. Wir hatten ja kürzlich ein sehr prominentes Beispiel dafür, Joshua Kimmich. Ich bin ihm dankbar, dass er diese Frage aufgeworfen hat, aber auch ihn würde ich versuchen zu überzeugen und lade ihn hiermit gerne ein, sich impfen zu lassen."

Marcus Fahn: "Ein Kollege von Ihnen - der Immunologe Prof. Watzl - hat gesagt: Was Menschen unter Langzeitfolgen verstehen - dass eine Impfung erst nach Jahren eine Erkrankung auslöst - das gibt es nicht." Aber woher weiß man das denn so genau bei dieser Art von neuem Impfstoff, der ja erst seit einem Jahr verimpft wird?"

Prof. Clemens Wendtner: "Die mRNa-Impfstoffe haben ja nicht die Eigenschaft, dass sie in irgendeiner Form integriert werden in unsere Körper-DNA. Das heißt, das kann man definitiv ausschließen, weil es umgekehrt eher so ist, dass unser Körper von der DNA eine RNA bilden muss, wir haben aber ja schon einen RNA-Impfstoff, das heißt, es wird nur noch das Protein gebildet. Sonst gibt es bei diesen Impfstoffen nicht viel Neues. Sie haben eine Fetthülle, die schützt die RNA, dass sie nicht sofort durch Enzyme im Körper vernichtet wird. Das ist das Prinzip. Wir haben diesen Impfstoff ja jetzt auch schon seit Dezember 2020 im Einsatz, global betrachtet. Und auch da gibt es keinerlei Langzeitprobleme mit diesem Impfstoff. Kurzfristig kann es mal Nebenwirkungen geben, die sind gut beschrieben, aber Langzeitnebenwirkungen würde ich nahezu ausschließen."

Marcus Fahn: "Also das heißt, diese Fetthülle wird abgebaut, relativ schnell, die RNA auch - und was bleibt, sind die Antikörper, die Zellantwort, die ich aber auch produzieren würde, wenn ich mit dem echten Virus in Kontakt käme?"

Prof Clemens Wendtner: "Korrekt. Der Impfstoff dient ja dazu, dass wir unseren eigenen Körper zwingen, Antikörper zu bilden, weil das Eiweiß, das Spike-Protein über die RNA gebildet wird. Und damit das eigene Immunsystem das als Angriff begreift und Antikörper produziert. Dasselbe passiert natürlich bei einer Infektion. Dort kriegt der Körper quasi das Spike-Protein des Virus in Reinform serviert und muss dementsprechend auch Antikörper bilden. Deswegen ist der Genesene dann auch mit Antikörpern gesegnet."

Marcus Fahn: "Ein weiterer Punkt, den man immer wieder hört: Normalerweise dauert es viele Jahre bis Impfstoffe entwickelt und zugelassen werden. Das ging hier ja deutlich schneller. Da hört man dann : 'Das MUSS doch zu Lasten der Sicherheit gegangen sein?'"

Prof Clemens Wendtner: "Wenn man die Vita von Frau Türeci und Herrn Sahin verfolgt, weiß man, dass diese beiden Personen schon seit Jahrzehnten an dieser Technologie arbeiten. Die Technologie ist ja nicht erst im Januar 2020 erfunden worden. Das heißt, es ist dem ein langer Prozess vorhergegangen. Und da sollte man die Sicherheit haben, dass man hier schon auf viele Jahrzehnte Forschung zurückblicken darf."

Marcus Fahn: "Was viele Menschen verunsichert, das sind die Impfdurchbrüche, von denen es ja immer mehr gibt. Die werden gewertet als 'Naja, da kann die Impfung ja nicht so toll sein, wie es heißt.' Kann man diesen Schluss ziehen?"

FC-Bayern-Spieler Joshua Kimmich ist noch ungeimpft und hat Bedenken wegen Langzeitfolgen.

Prof Clemens Wendtner: "Nein. Es ist so, dass die Impfdurchbrüche uns sagen, man hat auch bei diesen Personen Schlimmeres verhindert. Ohne Impfung wäre aus einem Schnupfen, wie er bei einem Impfdurchbruch in der Regel stattfindet - ein bisschen Fieber, Schnupfen, etc - , wäre wahrscheinlich sehr viel mehr passiert. Aktuelles Beispiel: Herr Stoiber hat einen Impfdurchbruch, aber hat ein bisschen Husten und ein bisschen Schnupfen. Mehr nicht. Wir haben auch bei uns in der Klinik Patienten mit Impfdurchbrüchen. Ich kann Ihnen sagen, ein ganz überwiegender Teil ist nur auf Normalstation liegend, ist nicht intensivpflichtig. Allerdings auf Intensivstation ist es leider so, dass wir 95 Prozent ungeimpfte Personen haben. Man sieht schon, was hier der qualitative Unterschied ist zwischen einem Impfdurchbruch und einer Erkrankung bei Ungeimpften."

Marcus Fahn: "In einigen Altersgruppen fängt man jetzt an zu "boostern", also eine dritte Impfung zu geben. Auch das ist etwas, was Menschen vom Impfen abhält, weil sie sagen: 'Dann muss ich mir jetzt alle paar Monate eine Impfung holen!' Kann man so einen mRNA-Impfstoff wirklich ein drittes, viertes, fünftes Mal verimpfen oder ist das dann vielleicht mal eine Gefahr für den Körper?"

Prof. Clemens Wendtner: "Eine dritte Impfung ist möglich. Da gibt es auch Daten von vielen tausend Patienten, das ist ja entsprechend auch untersucht worden. Eine Drittimpfung ist ab dem 70. Lebensjahr möglich. Das ist neben den älteren Patienten auch für immunsupprimierte Patienten eine Option, also Patienten mit Krebs oder Rheuma. Die Drittimpfung, die Booster-Impfung, ist eine gute Sache und man weiß, dass der Schutzfaktor vor schwerer Covid-Erkrankung um Faktor 20 verbessert ist. Ich habe mich als Klinik-Mitarbeiter auch impfen lassen. Es ist sehr gut verträglich, ich hatte nicht mehr Impfnebenwirkungen - nämlich fast keine - im Vergleich zur Erst- oder Zweitimfpung."

Marcus Fahn: "Nun warten viele, die den neuartigen Impfstoffen kritisch gegenüberstehen, auf sogenannte Totimpfstoffe, weil man diese Art Impfstoff schon lange kennt. Sind die besser, sicherer, lohnt sich das Warten?"

Prof. Clemens Wendtner: "Das Warten ist aus meiner Sicht eher gefährlich. Wir gehen davon aus, dass die Totimpfstoffe, konkret von zwei Produzenten in Deutschland erst im ersten Quartal 2022 zur Verfügung stehen werden. Dann läuft mit hoher Wahrscheinlichkeit die schon jetzt sichtbare vierte Welle durch und da sollte keiner ungeschützt sein. Man weiß ja auch von den Totimpfstoffen, dass die Schutzwirkung nicht so hoch ist wie bei mRNA Impfstoffen. Und die Totimpfstoffe müssen mit einem sogenannten Adjuvans angereichert werden, dass überhaupt das Immunsystem Alarm schlägt im eigenen Körper. Diese Adjuvantien sind auch nicht ohne, da kann es auch Unverträglichkeitsreaktionen geben. Aus meiner Sicht sind die mRNA-Impfstoffe die bessere, neuere Generation von Impfstoffen, an die wir uns auch für künftige Impfungen gewöhnen sollten."

Marcus Fahn: "Viele Menschen, die sich noch nicht impfen haben lassen, sind ja unter 50 und sagen 'Ich bin fit, gesund, nicht in dem Alter, in dem einen Corona normalerweise schwer trifft. Wieso soll ich mich da mit einem relativ neuartigen Impstoff impfen lassen?"

Prof. Clemens Wendtner: "Wir haben bei unseren Patienten einen Peak zwischen 35 und 60 Jahren - das ist genau die Gruppe, die Sie ansprechen. Die sich eben nicht haben impfen lassen. Das ist ein Spiel mit dem Feuer, weil das Virus ganz klar auf die Ungeimpften losgehen wird. Das Risiko, sich zu infizieren, ist eben sehr, sehr hoch, gerade in dieser Saison. Es ist auch aus meiner Sicht erste Bürgerpflicht, sich impfen zu lassen und letztlich ein Akt der Solidarität für die Schwächsten, die gar keine Chance haben, sich impfen zu lassen. Denken Sie an einen Krebspatienten, dessen Immunsystem wegen der Chemotherapie sehr, sehr eingeschränkt ist. Der ist darauf angewiesen, dass seine Mitmenschen ihn in dieser quasi Art Herdenimmunität schützen. Da hat jeder eine Verantwortung."

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