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Tatort Franken: Ich töte niemand Redaktionsstatement

Stand: 21.02.2018

Redakteurin Stephanie Heckner | Bild: BR/Christian Demas

"Dass neue und alte Rechte und der islamische Fundamentalismus Überschneidungen in einer autoritären Weltanschauung haben, ist nicht neu. Aber hier auf verblüffende Weise erzählt. Es geht in 'Ich töte niemand' um einen fatalen Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Jeder der Akteure beruft sich auf Werte, die so ultrakonservativ wie identitätsstiftend sind. Universelle Werte wie Würde, Ehre und Anstand. Wie sehr diese Werte im Verhalten pervertiert werden, davon erzählt der Film. Es geht um den Missbrauch dieser Werte, ihre Verkehrung ins Gegenteil – und das auf beiden Seiten. 'Wir hätten uns viel zu sagen. Egal, woher Sie kommen' ist daher einer der Schlüsselsätze im Film."

BR-Tatort-Redaktionsleiterin Stephanie Heckner

Drei Fragen an BR-Tatort-Redaktionsleiterin Stephanie Heckner

Frage: "Ich töte niemand" behandelt das Thema Erstarken von Rechtspopulismus in Deutschland. Was ist der Kern der Geschichte? 

Heckner: Der Film behandelt weniger das Erstarken des Rechtspopulismus im Parteienkampf als die Tatsache, dass sowohl in extrem rechten gesellschaftlichen Kreisen als auch im islamistischen gesellschaftlichen Umfeld Werte wie Anstand und Ehre, Familie und Heimat – die an sich positiv sind – pervertiert werden. Die Werte dienen dazu, den Einsatz von Gewalt zu legitimieren. Das ist der Kern unserer Geschichte.

Frage: Wie politisch ist dieser Tatort?

Heckner: Die Frage ist doch: Was ist politisch? Politisch ist ja nicht nur die Debatte im Bundestag, sondern politisch ist im Grunde jede menschliche Haltung.

Haltungen bestimmen das Verhalten der Menschen und diese basieren auf Werten. Aus der Gemeinschaft individueller Haltungen ergibt sich das Klima in einer Gesellschaft. Das gesellschaftliche Klima ist politisch relevant. Da schließt sich der Kreis zwischen dem Individuum und der Politik. 

Da jeder Tatort von Menschen und ihren Haltungen erzählt, ist letztlich jeder Tatort auch politisch.

Frage: "Ich töte niemand" ist teilweise "recht hart". Warum geht es in diesem Tatort so grausam zu?

Heckner: Man könnte hier auch mit einer Gegenfrage antworten: Was wird im Film als besonders hart empfunden? Die physische Gewalt, die man sieht? Oder die Härte, die Gnadenlosigkeit und Verachtung, mit der zum Beispiel Gudrun Leitner über ihren Mann spricht und die Härte, die in einer komplett fehlenden Empathie liegt?

Was ist härter: rein physische Gewalt oder eine gnadenlose Geisteshaltung? Ist es brutaler, wenn Dutzende von Menschen im Tatort erschossen werden, ein psychisch gestörter Täter Menschen mit einem Auto als Tötungswaffe mehrfach überfährt, oder wenn Menschen aus pervertierten Werten heraus zur Gewalt greifen?

Der Tatort erzählt per se Gewalttaten. Und wenn diese nicht etwa humoristisch überspitzt werden, dann berühren sie die Zuschauer im besten Fall, sie verstören sie, rütteln sie auf, sie bestürzen und erschrecken sie. Das gehört zum Tatort dazu. Aber zum Tatort gehören auch die Ermittler, die dem Zuschauer in dem ganzen Gewaltgeschehen eine moralische und ethische Orientierung geben. Der Kern dieses Tatort ist zutiefst moralisch: Der Tatort hält uns vor Augen, wie gefährlich es ist, wenn positive Werte wie Ehre, Familie und Anstand missbraucht werden, um Gewalt zu legitimieren. 


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