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Hirnschrittmacher

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Tiefe Hirnstimulation - Hirnschrittmacher bei Depressionen

Es klingt nach Frankenstein: Das Gehirn mit Strom beeinflussen. In Deutschland tragen etwa 6.000 Menschen einen Hirnschrittmacher. Noch ist umstritten, ob die Geräte auch schwer depressiven Patienten helfen. Von Veronika Bräse

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Weltweit tragen etwa 120.000 Parkinson-Patienten Elektroden im Kopf. Der sanfte Strom stoppt ihr Zittern und sorgt dafür, dass sie wieder besser laufen können. Der Hirnschrittmacher hilft auch bei Epilepsie, dem Tourette-Syndrom und bei Tics. Er beruhigt das Gehirn immer dann wenn es an einer bestimmten Stelle übererregt ist. Mediziner nennen das Verfahren „tiefe Hirnstimulation“. Ob es auch Depressionen lindern kann, ist noch nicht eindeutig erwiesen.

Sanfter Strom sorgt für gute Gefühle

Psychiater in Freiburg im Breisgau testen schon seit Jahren Hirnschrittmacher bei Depressiven. Sie haben bisher 40 schwer Depressive im Rahmen von Studien behandelt. Bei den meisten hat sich der sanfte Strom, den die Patienten gar nicht spüren, positiv ausgewirkt: Sie nehmen jetzt wieder am Leben teil. Und das, obwohl bei ihnen weder Psychotherapie noch starke Medikamente geholfen hatten. Die Idee: Elektroden setzen am Belohnungssystem an. Das sorgt bei Gesunden für angenehme Gefühle, wenn sie etwas Schönes erleben.

„Genau dieses System ist bei depressiven Patienten nicht mehr richtig funktional, und wir glauben, dass wir mit der tiefen Hirnstimulation die Funktion verbessern oder gar normalisieren können.“ (Thomas Schläpfer, Universitätsklinikum Freiburg)

Ernüchternde Studienergebnisse

Der Gedanke ist verlockend, Depressionen per Knopfdruck auszuschalten. Kritiker warnen allerdings vor zu viel Euphorie. Ein internationales Forscherteam hat im November 2017 eine Studie mit 90 Teilnehmern veröffentlicht. Darin hat sich nach einem halben Jahr mit Hirnschrittmacher bei den depressiven Patienten keine Besserung gezeigt. Im Nachhinein stellte sich die Studie allerdings als fehlerhaft heraus.

Vagus-Nerv-Stimulation verbessert die Stimmung

Der Münchner Psychiater Alkomiet Hasan sieht dagegen Fortschritte in anderen Bereichen. Etwa bei der Elektro-Krampf-Therapie, deren Wirksamkeit bereits durch viele Studien belegt ist. Dabei bekommen Patienten in Narkose mehrfach hintereinander kurze Stromimpulse von außen verabreicht. Außerdem gibt es die Möglichkeit, am Hals zu stimulieren. Dort sitzt der sogenannte Nervus vagus, ein Nerv, der zum Gehirn führt und bei einer Studie mit Epileptikern im Zentrum stand. Stimuliert man diesen Nerv, bessert sich auch die Stimmung der Patienten. Die amerikanische Zulassungsbehörde hat die Vagus-Nerv-Stimulation bereits zur Behandlung der Depression zugelassen.

Weitere Studien sollen für Klarheit sorgen

Der Gedanke liegt also nahe, dass auch die tiefe Hirnstimulation bei Depressionen helfen kann. In den kommenden Jahren soll nun eine größere Fallstudie mit 50 Patienten in Freiburg für Klarheit sorgen, ob es Depressiven wirklich hilft, ihr Belohnungssystem im Gehirn mit Elektroden anzuregen. Bei Zwangserkrankungen beispielsweise ist ihr Nutzen schon eindeutig erwiesen. Sie ist bei diesen Patienten als Behandlungsmethode EU-weit zugelassen - wie auch bei Parkinson, Epilepsie und bestimmten Bewegungsstörungen.