Sven Ulreich
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Sven Ulreich: Rückkehr ins Schattendasein

Das Comback von Manuel Neuer in das Tor des FC Bayern steht unmittelbar bevor. Und so kehrt Sven Ulreich wieder einmal von der großen Bühne auf die Bank zurück.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

In der 9. Minute bewies Sven Ulreich wieder einmal, dass der FC Bayern sich auf ihn verlassen kann. Im Champions-League-Duell gegen Galatasaray Istanbul wollten die Münchner den Grundstein für den Grupppensieg und somit eine erfolgreiche Saison legen. Ein Vorhaben das in Gefahr geriet, als Kerem Aktürkoğlu einen ganz fiesen Schuss auf das Tor der Münchner schickte. Ein überraschender Schuss aus der Drehung: Volley, verdeckte Sicht, mit Schnitt machte sich der Ball auf den Weg ins lange Eck. Doch Ulreich reagierte sofort, hechtete, wurde lang und länger, lenkte den Ball um den Pfosten und holte sich von seinen Abwehrkollegen die verdienten Glückwünsche ab.

Es dürfte erstmal der letzte große Auftritt von Ulreich gewesen sein - vielleicht sogar das letzte Champions-League-Spiel seiner Karriere. Denn die Rückkehr von Manuel Neuer steht unmittelbar bevor. Und somit beginnt für den 35-Jährigen wieder einmal das Schattendasein, das er so perfektioniert hat, wie vor ihm kaum ein anderer. „Natürlich freut man sich immer, wenn man spielt“, sagte Ulreich nach dem 3:1-Sieg über Galatasaray, an dem er einen ziemlich großen Anteil hatte. Wie auch schon beim 3:1-Sieg über den FSV Mainz 05. "Aber", sagte Ulreich: "Ich kenne meine Rolle beim FC Bayern."

Mit 26 auf die FC-Bayern-Bank: Ulreichs ungewöhnlicher Karriereschritt

Und die heißt nunmal: zweiter Torwart - eine ungewöhnliche Rolle im Fußball. Fast alle Feldspieler eines Vereins, und möge sie noch so sehr Reservisten sein, können sich damit trösten, zumindest gelegentlich eingewechselt zu werden, sich immer wieder auch im Ernstfall beweisen und auf dem Platz als Teil des Teams fühlen zu können. Das zu machen, was ihr tatsächlicher Beruf ist: Fußballspielen. Für die "Nummer Zwei" im Tor bleiben meist nur Auftritte im Training und sobald es ernst wird, der kurze Gang von der Kabine auf die Bank.

2015 wechselte Sven Ulreich mit der Gewissheit, genau diese Rolle einzunehmen, zum FC Bayern. Neuer war gerade zum dritten Mal hintereinander zum Welttorhüter gewählt worden - und der damals 26-jährige Ulreich war bereit, seine Karriere als Bundesliga-Stammtorhüter zu opfern, um künftig die Nummer zwei hinter dem besten Torhüter seiner Generation zu werden. Ein Wechsel, den damals nicht wenige Experten kritisiert hatten. Denn zweiter Torwart ist nur etwas für aufstrebende Keeper, oder solche, die sich im Vorruhestand befinden.

Als Nummer zwei zur Nationalmannschaft

Auf Ulreich traf beides nicht zu. Und so wuchs er nicht nur in diese Rolle herein, er interpretierte sie neu und wurde beim FC Bayern zu einer Institution. Zwei Jahre lang blieb es still um Ulreich - durchaus ein Qualitätsmerkmal für eine gute Nummer zwei beim FC Bayern. Denn ein Ersatztorwart muss ehrgeizig sein - aber bloß nicht zu ehrgeizig. Die Nummer eins hieß Neuer und die, das war hinlänglich bekannt, teilt nicht gerne ihre Minuten.

Und dennoch muss eine Nummer zwei beim FC Bayern sofort bereit sein, auf der größtmöglichen sofort Topleistungen zu bringen. Als Neuer sich das erste Mal schwer verletzte - ein Mittelfußbruch im April 2017 war Ulreich zur Stelle. Mit ihm bestritt die Mannschaft die letzten Meter im Saisonendspurt. Mit ihm ging das Team in die neue Saison und zog bis in das Halbfinale der Champions League ein. Ulreich machte seine Rolle als Neuer-Vertreter sogar so gut, dass er mit einer Berufung in die Nationalmannschaft belohnt wurde - wo er freilich nur auf der Bank Platz nahm.

Nübel, Sommer und de-Gea-Gerüchte

Als Neuer schließlich zurückkehrte, gab Ulreich wie selbstverständlich seinen Posten zurück und verschwand wieder in seinem Schattendasein. Und das Problem an diesem Schattendasein - die Leistungen geraten allzu schnell in Vergessenheit. So war es damals, als Ulreich wieder Spiel für Spiel, Saison für Saison auf der FC-Bayern-Bank saß - und plötzlich durch die Ankunft von Alexander Nübel selbst auf der Bank beim Rekordmeister keinen Platz mehr fand.

So war es auch nach seiner Rückkehr von seinem einjährigen Ausflug zum Hamburger SV, als sich Neuer das Bein brach und der FC Bayern dem jahrelangen, loyalen Ersatz Yann Sommer vor die Nase stellte. Und doch war Ulreich am Anfang der Saison - als Sommer und Nübel längst weitergezogen waren, als die Namen David De Gea und David Raya gehandelt wurden, als niemand so richtig auf die ewige Nummer zwei vertrauen zu schien - sofort wieder da und spielte auf demselben Niveau, auf dem er schon einmal Neuer vertreten hatte.

Ulreich sticht als Nummer zwei heraus

Ulreich ist nun 35 Jahre alt. Er hofft, dass sich nun seine Loyalität auszahlt und er am Ende der Saison noch einmal mit einer Vertragsverlängerung belohnt wird. "Bis dahin fließt noch viel Wasser die Isar runter. In den nächsten Monaten wird es sicher ein Gespräch geben, wie der Verein plant, wie es mit mir aussieht", sagt Ulreich nach dem Spiel - und fand damit mal wieder den richtigen Ton zwischen Vereinsidentität, Anspruch und Demut.

Er dürfte sich mit der Art, wie mit dieser zweiten schweren Neuer-Verletzung umgegangen ist, den Status als beste Nummer zwei in der Geschichte des FC Bayern untermauert haben. Das Spiel gegen Istanbul, es könnte tatsächlich Ulreichs letzter großer Auftritt im Trikot des FC Bayern gewesen sein. Doch wer weiß, wie fit Neuer tatsächlich ist und ob der ewigen Nummer eins nicht doch noch eine erneute Verletzung droht. Ulreich wäre sicherlich zur Stelle - doch wünschen würde er sich das nicht. Dazu - und das macht aus einer guten eine exzellente Nummer zwei - ist Ulreich zu emphatisch.