Besucher auf der re:publica 2022
Bildrechte: Stefanie Loos/re:publica

Besucher auf der re:publica 2022

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

re:publica: Auf der Suche nach dem nächsten Internet

Auf der re:publica in Berlin haben dieses Jahr auch Blockchains und das "Web3" ihren eigenen Schwerpunkt erhalten. Diese Technologien sind oft noch fehlerbehaftet — helfen aber jetzt schon bei der Vernetzung von Künstlern und Communitys.

NFTs, DAOs, Kryptowährungen... Rund um die Begriffe des "Web3" reiht sich ein Hype nach dem anderen ein. Manchmal geht er auch wieder zu Bruch — etwa beim jüngsten Crash im Krypto-Markt, bei dem zahlreiche Währungen massiv an Wert verloren haben.

Bei der re:publica-Konferenz in Berlin stand dieses Jahr aber im Mittelpunkt, wie dezentrale Technologien wie die Blockchain jenseits des Investitions-Rausches immer wichtiger werden — vor allem nämlich im Kulturbereich.

Es ist nicht leicht, hier einen Überblick zu bekommen. "Ich nehme den Web3-Komplex als etwas wahr, das für die meisten Menschen überhaupt nicht greifbar ist", sagt die Digitalstrategin Ela Kagel im Interview. Und Kaitlyn Davies, gestaltendes Mitglied mehrerer Blockchain-Communities, meint: "Es wäre unmöglich, alles was man über diese Sachen zu wissen gibt, in einer Stunde zu lernen. Es braucht eher Jahre."

Dezentrale Communitys

Wer nicht so viel Zeit hat, für den gibt es die Möglichkeit, sich mit den Menschen auszutauschen, die heute schon Blockchain-Technologie im Alltag nutzen: Beispielsweise Mitglieder von DAOs — das ist kurz für "Dezentrale Autonome Organisationen". So nennt man digitale Gemeinschaften, die Genossenschaften, Vereinen oder auch Investment-Fonds ähneln können — nur, dass sie sich auf der Blockchain organisieren.

"Wir sind eine soziale DAO", sagt Kaitlyn Davies über Friends with Benefits, eine DAO, die Krypto und Kultur miteinander verbinden will. "Eine soziale DAO beginnt für mich als ein Gruppenchat oder eine Community von Menschen, die sich immer wieder sehen, und dann irgendwann entscheiden, DAO-Technologie für sich zu nutzen."

Investoren-Tricks für alle?

Die DAO Friends with Benefits funktioniert wie ein exklusiver Club, für dessen Zugang man eine Club-eigene Kryptowährung ausgeben muss. Wird der Club beliebter, steigt auch der Wert der Mitgliedschaft. Das klingt, als würde es vor allem den Finanzsektor interessieren — aber Friends with Benefits setzt sich hauptsächlich aus Kulturschaffenden und Künstlern zusammen.

"Für mich bedeuten das Web3 und DAOs vor allem eines", sagt Kaitlyn Davies. "Die Möglichkeit, geschaffenen Wert an alle Mitglieder zu verteilen." Anders als bei herkömmlichen sozialen Netzwerken, in denen lediglich der Betreiber der Plattform etwas an den Usern verdient, sollen in DAOs alle Mitglieder selbst von dem profitieren können, was sie aufbauen. "Früher konnten nur reiche Investoren so etwas machen", sagt Kaitlyn Davies. "Ich finde es cool, darüber nachzudenken, dass Künstlerinnen und Partyveranstalter jetzt auch die Möglichkeit dazu haben."

Sorgen um die Stabilität

Doch bei der re:publica wird auch auf die Bremse getreten. Zahlreiche Hacker-Angriffe auf Web3-Projekte und Kurseinbrüche von Kryptowährungen haben gezeigt, dass die Blockchain im Moment noch nicht den sichersten Boden für technologische Innovationen darstellt. "Ich sehe manchmal Leute, die glauben, die Blockchain würde alle Probleme lösen. Und so ist es nicht, wir sind immer noch Menschen", räumt DAO-Organisatorin Kaitlyn Davies ein.

Die Digitalstrategin Ela Kagel glaubt, auch dezentrale Organisationen auf Blockchain-Basis könnten in Zukunft gezwungen sein, auf herkömmliche Strukturen zurückzugreifen: "Weil es uns allen nicht unbedingt in die Wiege gelegt wurde, gemeinsam finanzielle Entscheidungen zu treffen und so völlig ohne Eigeninteressen zu agieren."

Wie gehen wir in die Zukunft?

Was die Frage aufwirft: Wozu braucht es überhaupt die Blockchain, wenn so viel auch ohne sie funktionieren kann? "Die Blockchain ist sehr hilfreich", meint Kaitlyn Davies. "Aber nicht unbedingt immer notwendig. Wenn du keine gute Idee oder Community hast, dann wird dein Projekt wahrscheinlich nichts werden, egal ob du eine Blockchain nutzt oder nicht. Aber wenn du eine gute Idee hast und daran interessiert bist, diese Idee zu streuen und zu dezentralisieren, dann können Blockchains dabei eine große Hilfe sein."

Sie hofft, dass die Technologie in Zukunft zugänglicher wird und noch mehr damit ausprobiert werden kann. Auch Ela Kagel meint: "Das, was wir in den Schulen und an den Universitäten lernen, ist in manchen Teilen eine sehr unzureichende Vorbereitung auf diese Welt, die gerade auch in der Entstehung ist und die wir morgen gestalten müssen. Und je mehr es von diesen Experimentierräumen gibt, desto besser, weil man da die Möglichkeit hat, früh mit einzusteigen, mitzugestalten, zu lernen und möglicherweise auch wirklich Alternativen zu bauen."

Wohin sollten wir noch schauen?

Zu klaren Zukunftsprognosen möchte sich zumindest auf der re:publica niemand hinreißen lassen — das bleibt eher der Marketing-Branche und Mark Zuckerberg überlassen. Doch die Digitalkünstlerin Alice Yuan Zhang fragt sich: Warum muss das Neue denn das Alte denn immer gleich ablösen?

"Wir haben diesen Instinkt von linearer Abfolge bei technologischer Innovation", sagt sie. "Beim Web gibt es sogar einen Zähler: Eins, zwei, drei. Aber es lohnt sich, nicht nur nach vorne zu schauen. Wir können uns zum Beispiel Nachbarschaftsnetzwerke und Hilfsnetzwerke ansehen und was wir von diesen lernen können. Allein die letzten zwei Jahre der Pandemie haben das gezeigt — auf wen haben wir uns da wirklich verlassen? Und in all dem liegen so viele Ideen, wie ein gutes Internet aussehen könnte."

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!