Eine ältere Frau zählt Geld. (Symbolbild)
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#Faktenfuchs: Geflüchtete Ukrainer bekommen keine deutsche Rente

Seit Anfang Juni bekommen ukrainische Geflüchtete in Deutschland Sozialleistungen. Besonders zu angeblichen Rentenzahlungen verbreiten sich Gerüchte, die Neid schüren sollen. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Dieser Text erschien erstmals am 10.06.2022 und bildet den Recherchestand zu diesem Zeitpunkt ab.

Wer aus der Ukraine geflüchtet ist, kann seit Anfang Juni in Deutschland Hartz-IV bzw. Grundsicherung im Alter beantragen.

In den sozialen Netzwerken sorgt das für Neid und Diskussionen. Manche User fürchteten, Ukrainerinnen und Ukrainer würden dadurch finanzielle Vorteile bekommen, die deutschen Arbeitnehmern vorenthalten wären. Der #Faktenfuchs checkt zwei der Behauptungen, die sich dazu verbreitet haben.

Behauptung 1: Ukrainer könnten in Deutschland schon ab 57 bzw. 60 Jahren in Rente gehen

Unter anderem über Whatsapp verbreitet sich eine Nachricht mit der Überschrift: "Ab Juni zahlt Deutschland die Rente ab 57 für Ukrainer". Screenshots davon haben dem #Faktenfuchs mehrere Nutzer geschickt.

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Diese Whatsapp-Nachricht verbreitet sich aktuell.

In der Nachricht wird eine Antwort des MDR auf eine Nutzerfrage bei Facebook zitiert, demzufolge der ukrainische Geflüchtete ab dem 1. Juni 2022 Sozialleistungen - "also auch die Rente" - beantragen dürfte. Der Verfasser der Whatsapp-Nachricht kommentiert das folgendermaßen: "Für Deutsche wird inzwischen sogar die Rente mit 70 gefordert. Das ist gelebte soziale Gerechtigkeit."

Der MDR korrigierte den eigenen Post kurz darauf: Dass auch Rentenleistungen gezahlt würden, sei falsch.

Dennoch äußern sich User auf YouTube und in anderen sozialen Netzwerken, die sich benachteiligt fühlen: "Die Ukrainer gehen mit 60 in Rente und kriegen das hier ausgezahlt, während wir in Deutschland mit 67 wahrscheinlich nicht in Rente gehen dürfen."

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Behauptungen auf Twitter

Korrekt ist: Sozialleistungen ja, Rentenzahlungen nein

Es handelt sich bei der Äußerung des Users um eine falsche Information. Geflüchtete aus der Ukraine können zwar seit dem 01. Juni Sozialleistungen bekommen. Einen Anspruch auf Rente haben sie aber nicht.

Die in der Nachricht zitierte MDR-Antwort gab es zwar tatsächlich, doch die Info darin stimmte nicht. Der MDR-Redaktion sei in der Beantwortung ein Fehler unterlaufen, teilt ein Sprecher des MDR auf #Faktenfuchs-Anfrage mit. Dieser sei am selben Tag "vielfach richtiggestellt" worden.

Auch die Deutsche Rentenversicherung äußerte sich in einer Pressemitteilung dazu: "Beim Bezug einer deutschen Rente gilt für Ausländer dasselbe Eintrittsalter wie für deutsche Staatsbürger." Für Menschen aus der Ukraine sei der Zugang zum deutschen Rentensystem jedoch erschwert - für sie gelte eine allgemeine Wartezeit von fünf Jahren. Erst, wenn sie fünf Jahre Beiträge gezahlt hätten, könnten sie auch die Rente beziehen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) schreibt dem #Faktenfuchs auf Anfrage, aus der Ukraine "finde kein Rentenexport nach Deutschland statt". Das bedeutet, ukrainische Rentenansprüche könnten in Deutschland grundsätzlich nicht realisiert werden. Ein 2018 zwischen Deutschland und der Ukraine geschlossenes Sozialversicherungsabkommen, das auch einen gegenseitigen Rentenexport umfasse, sei von ukrainischer Seite nicht ratifiziert worden, so das BMAS.

Das Gerücht, geflüchtete Ukrainer bekämen ihre Rente in Deutschland zehn Jahre früher ausgezahlt als Deutsche, kam aber nicht erst mit dem Post des MDR auf, sondern kursiert bereits seit mindestens April, wie ein Faktencheck von Correctiv zeigt. Die Antwort des MDR hat dieses Gerücht dann weiter befeuert.

Zwischenfazit: Die Behauptung, Ukrainer könnten in Deutschland zehn Jahre früher Rente beziehen als diejenigen, die in die deutsche Rentenkasse einzahlen, ist falsch. Laut der Deutschen Rentenversicherung müssen Ukrainer mindestens fünf Jahre in die Rentenkasse einzahlen, bevor sie Anspruch auf Rente in Deutschland haben.

Behauptung 2: Ukrainer bekämen dieselbe Rente wie jemand, der 45 Jahre gearbeitet habe

Es wird nicht nur darüber spekuliert, wann Geflüchtete aus der Ukraine Rente bekommen, sondern auch darüber, wie viel Rente sie bekommen.

Eine Internetseite, die laut dem Bewertungsinstitut NewsGuard "häufig falsche Behauptungen veröffentlicht", verbreitet am 3. Juni die Schlagzeile: "Deutsche Realität: Wer 45 Jahre für 24.000 Euro brutto im Jahr gearbeitet hat, bekommt dieselbe Rente wie Zuwanderer aus der Ukraine". Dieser Text wird in den sozialen Netzwerken mehrfach geteilt.

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Diese Schlagzeile verbreitete sich unter anderem auf Twitter.

Im Artikel zitiert der Autor eine Rede der AfD-Bundestagsabgeordneten Alice Weidel, die im Parlament vorrechnete, wie viel Geld jemandem mit 24.000 Euro Bruttojahreseinkommen im Rentenalter vermeintlich zur Verfügung stehe. In ihrer Rede sagte sie: "Wer (...) 45 Jahre bei einem Durchschnittsbruttolohn von 24.000 Euro im Jahr gearbeitet hat, landet gerade mal auf Hartz-IV-Niveau."

Ohne jemals in die Sozialsysteme eingezahlt zu haben - so der Vorwurf im Artikel - könnten Ukrainer also die gleiche Rente beziehen wie jemand, der 45 Jahre eingezahlt habe. Doch die Rechnung stimmt nicht.

Im Artikel wird von der "Rente für Zuwanderer aus der Ukraine" gesprochen. Wie oben dargelegt, haben geflüchtete Ukrainer keinen sofortigen Anspruch auf Rente in Deutschland.

Bei Eintritt des Rentenalters oder bei voller Erwerbsminderung können ukrainische Geflüchtete seit Anfang Juni jedoch die sogenannte Grundsicherung im Alter beantragen, wie Deutsche übrigens auch. (Über die Grundsicherung im Alter informiert die Bundesregierung hier.) Die liegt laut der Deutschen Rentenversicherung seit dem 1. Januar 2022 monatlich bei 449 Euro für Erwachsene, die nicht mit einem Partner zusammenleben. Das entspricht der Höhe des monatlichen Hartz-IV-Satzes für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person. Zusätzliche Voraussetzung ist laut BMAS unter anderem, dass die Personen hilfebedürftig sind.

Höhe der Grundsicherung im Alter kann variieren

Die genaue Höhe der Grundsicherung im Alter kann jedoch laut BMAS auch variieren, da sie vom Bedarf der Person abhängig ist. Hinzu kommen demnach Heizung und Unterkunft, deren Höhe bei ukrainischen Geflüchteten auch davon abhängt, ob ein Ehepartner mit nach Deutschland gekommen ist.

Wie viel Rente bekommt aber jemand, der 45 Jahre lang in die deutsche Rentenkasse eingezahlt hat? Zur Erinnerung: Im konkreten Beispiel von Weidel ging es um eine Person mit durchschnittlich 24.000 Euro brutto im Jahr. Auf Anfrage des #Faktenfuchs schreibt ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung: "Bei einem jährlichen Bruttoverdienst von 24.000 Euro erwerben Versicherte nach einem Jahr Beitragszahlung derzeit einen Rentenanspruch von 21,10 Euro/Monat (ab 01.07.2022 von 22,22 Euro)."

Nach 45 Jahre Beitragszahlung ergebe das nach heutigen Werten eine monatliche Rente von rund 949 Euro, ab dem 01.07.2022 wären es rund 1.000 Euro.

Zwischenfazit: Alleinstehende ukrainische Rentner bekommen einen Regelsatz von 449 Euro. Das ist deutlich weniger als die Rente einer Person, die 45 Jahre lang durchschnittlich 24.000 Euro verdient hat. Deren Rente liegt nach heutigen Werten bei rund 1000 Euro. Allerdings kann die Höhe der Grundsicherung im Alter je nach Bedarf variieren.

Fazit

Zu den Sozialleistungen, die Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine seit dem 1. Juni beantragen können, kursieren verschiedene Behauptungen.

Korrekt ist: Nach Deutschland geflüchtete Ukrainer müssen erst fünf Jahre in die Rentenversicherung einzahlen, bevor sie Anspruch auf Rente haben. Dann gilt für sie dasselbe Renteneintrittsalter wie für Deutsche.

Seit Anfang Juni haben sie die Möglichkeit, die sogenannte Grundsicherung im Alter zu beantragen. Die steht auch Deutschen offen und liegt aktuell bei 449 Euro im Monat, kann aber je nach Bedarf variieren. Einer Person, die 45 Jahre lang 24.000 Euro brutto im Jahr verdient hat, steht etwa das Doppelte zu.

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