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Bedrohlich? Flüchtlinge und Sprache

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"Wasser ist unkontrollierbar": Wie Worte Angst schüren

"Wasser ist unkontrollierbar": Wie Worte Angst schüren

Von "Flüchtlingsströmen" ist die Rede, sogar von einem "Tsunami": Politiker wählen starke Worte und prägen damit das Denken, ein Beispiel für "Framing". Höchste Zeit für eine "faire Sprache", meint die Expertin Elisabeth Wehling. Von Eva Lell

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

CSU Landesgruppenchef Alexander Dobrindt spricht von einer Anti-Abschiebeindustrie und meint damit, dass Asylbewerber mit Hilfe von Anwälten rechtsstaatliche Mittel nutzen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nennt den Asyltourismus, und erweckt damit den Eindruck, Menschen auf der Flucht würden ihr Zielland als Urlaubsort verstehen und frei auswählen. Vom Begriff „Flüchtlingstsunami“ wird später noch die Rede sein. Metaphern in der Sprache haben die Funktion, Dinge deutlicher greifbarer machen. Sie können aber auch verzerren. Der für seine Wortwahl in den vergangenen Tagen viel kritisierte bayerische Ministerpräsident lehnt eine Debatte über Sprache ab:

Ich finde schon, dass es ein zulässiger Begriff ist, und finde es umgekehrt etwas merkwürdig, dass wir uns in Deutschland uns über solche Themen unterhalten anstatt beispielsweise über Tatsachen, dass wir in Deutschland nicht in der Lage sind, Menschen, die kein Bleiberecht haben, zurückzuführen. - Markus Söder

Das Gehirn arbeitet mit "Frames"

Sprache ist ein wichtiges Mittel in der Politik. Sie ist das Instrument, mit der sie die Bürger, die Wähler erreichen. Wie tief die Sprache im Gehirn wirkt, das untersucht die Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling. Das Gehirn arbeitet in so genannten „Frames“, zu Deutsch „Rahmen“. In diesen Frames sind Erfahrungen, Bilder, Eindrücke, Gefühle, in unserem Gehirn abgespeichert. Das bedeutet:

Wenn wir bestimmte Begriffe in einer politischen Debatte nutzen, dass diese Begriffe den einen oder anderen Frame nutzen und damit einen selektiven Charakter haben. - Elisabeth Wehling

Wasser "entmenschlicht" Themen

In der Migrationsdebatte ist oft von „Flüchtlingswelle“ und „Flüchtlingsstrom“ die Rede, eine Wassermetapher, die übrigens auch die Grünen im Landtagswahlkampf für das Thema Flächenverbrauch nutzen: „Betonflut stoppen“ heißt ihr Schlagwort. Die Assoziation mit Wasser löst einiges aus. Es entmenschlicht und: Wasser ist unkontrollierbar.

Gerade in den heutigen Zeiten, wo wir öfter mal mit Überflutungen und solchen Dingen zu tun haben, ist da viel Bildmaterial abgespeichert aus anderen Kontexten. Genau dieses Bildmaterial, genau diese Welterfahrung, die wir abspeichern, aus denen sich Frames speisen, wird mit aktiviert. - Elisabeth Wehling

Und dabei, so die Kognitionsforscherin Wehling, braucht es keinen Superlativ der Panikmache wie „Flüchtlingstsunami“:

Alleine schon ein Verb wie „strömen“ aktiviert einen Frame von Wasser. Das heißt, wenn wir sagen „Die Flüchtlinge strömen über die Grenzen“ ist damit immer schon ein Framing geschehen. Und das ist eine Sache, die hat mit grellen Schlagwörtern nichts zu tun, sondern mit ganz kleinen linguistischen Momenten.- Elisabeth Wehling

Linke hat "unheimliche Bringschuld"

Je öfter wir ein Thema hören, umso mehr Aufmerksamkeit widmet unser Gehirn diesem Thema. Die CSU argumentiert, die greife Ängste und Sorgen aus der Bevölkerung auf. Und die Opposition in Bayern? Sie dringt mit ihren Themen Wohnungsbau, Flächenverbrauch und Kinderbetreuung kaum durch. 

Wo sind die provokanter Schlagwörter der linkspolitischen Kräfte in diesem Land. Das ist eine Frage, die mir bisher niemand hat beantworten können. Oder anders gesagt, da ist eine unheimliche Bringschuld.- Elisabeth Wehling

Es werden "Scheinprobleme" produziert

Von Sprach- und Gedankenlosigkeit der linken Parteien spricht Wehling: Eine Partei, die nicht genau weiß, was sie will, kann auch keine starke Sprache finden, um ihre Inhalte zu transportieren. Ein Beispiel ist der Klimawandel, eine große Bedrohung. Den Parteien gelingt es aber nicht, diese Bedrohung so plastisch darzustellen, dass die Bedeutung des Themas klar wird. Müssten andere Parteien also auch mehr Emotionen ansprechen, bessere Schlagwörter verwenden? Ist das einzige Mittel gegen Populismus der Populismus? Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider widerspricht:

Angst machen wäre der völlig falsche Weg. Es geht darum, dass man Lösungen findet für reale Probleme. Was wir im Augenblick beobachten können ist, dass Scheinprobleme produziert werden, deren Lösungen sich dann bestimmte Parteien annehmen. Politik muss nicht populistischer werden, sondern klarer werden. Sie muss besser erklären, wie Sachverhalte beschaffen sind und dabei muss sie auch mit Beispielen arbeiten. - Frank Brettschneider

Schlichtes Denken, einfache Lösungen

„Man muss einfach reden und kompliziert denken, nicht umgekehrt“, das ist eines von vielen Zitaten, die von Franz-Josef Strauß überliefert sind, dem Meister des „CSU-Klartexts“. Problematisch, so entsteht derzeit manchmal der Eindruck, wird es dann, wenn Politiker einfach reden und dahinter eher schlichtes Denken mit scheinbar einfachen Lösungen steckt.

Elisabeth Wehling: "Politisches Framing - wie sich eine Nation ihr Denken einredet und daraus Politik macht." Edition Medienpraxis 2016.