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Erinnerung an die Opfer

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Söldner-Krieg: Russische Reporter in Zentralafrika ermordet

Merkwürdige "Selbstmorde", "Unfälle" und "Raubüberfälle": Der Kreml ist um Erklärungen nicht verlegen, wenn es darum geht, unliebsame Journalisten zu beseitigen. Jetzt wurden drei von ihnen in Zentralafrika ermordet. Von Christine Hamel.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Aleksander Rostorgujews Film „Tschistyj Tschetwerk“, „Sauberer Donnerstag“ setzt ein mitten im Krieg. Man hört eine Menge Gefechtslärm. Es ist eine ergreifende, künstlerisch anspruchsvoll erzählte Story vom Überleben im Krieg. Alexander Rostorgujews eigene Geschichte geht leider nicht so aus. Der mit vielen Preisen ausgezeichnete Dokumentarfilmer ist am Dienstag in der Zentralafrikanischen Republik zusammen mit dem Kriegsreporter Orhan Dschemal und dem Kameramann Kirill Radschenko ermordet worden.

"Wagner" für den Kreml

Die drei Journalisten haben an einer Geschichte gearbeitet, über die der Kreml lieber schweigt, wie Kirill Michailow von dem investigativen russischen Netzwerk „Conflict Intelligence Team“ sagt.

Sie wollten einen Dokumentarfilm über die Arbeit der sogenannten Privatarmee „Wagner“ in der Zentralafrikanischen Republik machen. „Wagner“ ist ein privates Söldnerunternehmen, das weltweit für die Durchsetzung von Kremlinteressen sorgt. Sie erledigen vor allem die Drecksarbeit. 2014 und 2015 waren sie in der Ukraine, wo sie die russischen Separatisten in Donezk und Luhansk unterstützt haben. In Syrien haben sie für Assad gearbeitet. „Wagner“ ist eigentlich eine Armee des Kreml, die absolut geheim gehalten wird. Wagner wird von Jewgenij Prigoshin finanziert, einem Oligarchen und Putinvertrauten. Prigoshin steht auf der Sanktionsliste des USA, weil ihm auch diese Petersburger Trollfabrik gehört, die bei den US-Präsidentschaftswahlen mitgemischt hat. - Kirill Michailow

"Zivile Instruktoren" in Zentralafrika?

Benannt ist die Söldnertruppe nach ihrem Chef Dmitrij Utkin, der als Oberstleutnant der Spezialkräfte des russischen Militärgeheimdienstes gedient hat. Utkins Kampfname ist Wagner. Die Journalisten, die im Auftrag eines Recherche-Netzwerks des in London lebenden Oligarchen und Kremlkritikers Michail Chodorkowskij unterwegs waren, sollten einem Skandal aufdecken: Am 22. März hatte das russische Außenministerium mitgeteilt, man habe „170 zivile Instruktoren“ in die Zentralafrikanische Republik geschickt, um die Armee in dem Bürgerkriegsland im Kampf gegen rivalisierende Milizen zu stärken.

Gefährlicher Seitenwechsel

Das investigative Netzwerk „Conflict Intelligence Team“ konnte aber nachweisen, dass auch Söldner von „Wagner“ unter den Instruktoren waren. Bei dem Versuch, diese Allianzen zu dokumentieren, wurden Alexander Rostorguew, Orhan Dschemal und Kirill Radschenko ermordet.

Die Journalisten waren die Lieblinge der russischen Opposition und der unabhängigen Presse. Orhan Dschamal war ein sehr bekannter Kriegsreporter, Alexander Rostorgujew war ein berühmter Dokumentarfilmer und auch Kirill Radschenko hat eine interessante Geschichte, denn er hatte zunächst für eine kremltreue Nachrichtenagentur gearbeitet. Aber dann wechselte er die Seite und filmte die Aktionen der Opposition, er war als Wahlbeobachter in Tschetschenien und hat für den Oppositionspolitiker und Antikorruptionskämpfer Aleksej Nawalnyj gearbeitet. - Kirill Michailow

"Vom Balkon gestürzt"

Natürlich kann es in einem bürgerkriegszerrütteten Land wie der Zentralafrikanischen Republik gut sein, dass Journalisten Opfer eines Raubüberfalls werden. Oder im Kugelhagel von Rebellen sterben. Interessanterweise fällt aber der Name „Wagner“ in den russischen Staatsmedien kein einziges Mal. Der mittlerweile im Washingtoner Exil lebende Oppositionspolitiker und Vizepräsident der demokratischen Plattform „Open Russia“ Vladimir Kara-Murza sieht zudem einen Zusammenhang mit dem mysteriösen Todesfall des 32-jährigen Journalisten Maxim Borodin.

Es ist nicht der erste Mal, dass Journalisten ums Leben kommen, wenn sie sich mit der Söldnertruppe „Wagner“ beschäftigen. Am 12. April dieses Jahres war Maxim Borodin unter sehr eigenartigen Umständen vom Balkon seiner Wohnung in Jekaterinenburg gestürzt. Er hatte als einer der ersten Journalisten über eine Beteiligung der Söldnertruppe „Wagner“ im Syrienkrieg berichtet. Es handelt sich hier um ein sehr sensibles Thema für die russische Regierung, denn nach der russischen Gesetzgebung ist es verboten, als Söldner zu arbeiten. -Vladimir Kara-Murza

"Selbstmord" oder "Unfall"?

Der Tod Maxim Borodins war in der russischen Öffentlichkeit als Selbstmord oder Unfall gehandelt worden. Nachträglich wirft nun der Mord an den drei Journalisten in der Zentralafrikanischen Republik ein anderes Licht auf diesen Fall. In den sozialen Netzwerken will keiner der kremlkritischen Journalisten so recht daran glauben, dass ihre Kollegen Opfer von Wegelagerern „irgendwo im afrikanischen Dschungel“ wurden, wie Pawel Kanygin von der Nowaja Gazeta schreibt.