Szene aus "Stillhang" bei den Tiroler Festspielen Erl (Frau in weißem Nachthemd tanzt mit Soldaten)
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Szene aus "Stillhang" bei den Tiroler Festspielen Erl

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Oper "Stillhang" in Erl: Liesl Karlstadt unter Soldaten

Das ist kein schlechter Opernstoff: In den 1940er-Jahren zog sich Liesl Karlstadt, kongeniale Partnerin Karl Valentins, in die Tiroler Berge zurück. Auch dort war Krieg, doch die Komödiantin probte anarchischen Frieden - mit einer Gebirgsjägertruppe.

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Es ist die mit Abstand rätselhafteste Episode im Leben von Liesl Karlstadt: In einer Lebenskrise ging sie ins Gebirge, um wieder zu sich zu finden. Der Schauplatz: Eine abgelegene Diensthütte in Tirol. Die Akteure: Eine außer Kontrolle geratene Truppe von Gebirgsjägern - und eben Liesl Karlstadt, allein unter Männern und Mulis. Letztere erwiesen sich als noch wichtiger für ihre Genesung. Aus dieser bizarren Aussteigergeschichte, die sich zwischen 1941 und 1943 zugetragen hat, entstand nun eine Oper, die im Festspielort Erl uraufgeführt wird. Regisseur ist Klaus Ortner, Joana Ortmann hat mir ihm über den Stoff und das Stück gesprochen.

Joana Ortmann: Was hat Sie an dieser Episode besonders interessiert?

Klaus Ortner: Eben diese Zwischenwelt zwischen Himmel und Erde und Krieg und Frieden. Das war ja mitten im Krieg, und dort oben auf der Alm war der totale Friede. Ich habe mich noch mit einem Zeitzeugen unterhalten, der mir erzählt hat, was die da oben den ganzen Tag gemacht haben: Die haben wirklich Frieden gespielt, während über ihnen den ganzen Tag die Bomber Richtung München geflogen sind. Und sie saß da oben mit diesen jungen Burschen, die zu einer Gebirgsjäger-Einheit gehörten und später in massivste Kriegsverbrechen verwickelt waren, die aber zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, was ihnen bevorstand.

Wie ist Liesl Karlstadt als Frau denn in diese Welt reingeraten?

Man muss sich vorstellen: Parallel dazu ist im Murnauer Tagblatt ein Artikel erschienen, in dem vor "jüdischen Hosen-Weibern" gewarnt wurde. Und sie kam da hoch, eigentlich wegen der Mulis, und die haben gesagt: Bleib doch hier! Und sie haben ihr Teile von ihren Uniformen gegeben, was natürlich auch für die Soldaten nicht ungefährlich war. Die wären eigentlich ein Fall fürs Kriegsgericht gewesen. Aber die hatten dort oben eine unglaubliche Gaudi, haben sich gut verstanden, haben Vater Mutter Kind gespielt – wobei Liesl Karlstadt den Vater gegeben hat. Da gibt’s das berühmte Bild aus ihrem privaten Fotoalbum, auf dem sie am Steilhang steht, ein Soldat saugt an ihrer Brust und von oben schaut ein anderer amüsiert zu. Und drunter steht: "Am Stillhang mit meinen beiden Söhnen." Das ist so ein bezeichnendes Foto, dass wir das als Titel für die Oper genommen haben – "Stillhang".

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Tod und Spiele: "Stillhang" in Erl

Warum haben Sie gedacht, das könnte eine gute Oper werden?

Zum einen wegen der Sprache von Liesl Karstadt. Diese holzschnittartige Sprache aus den Sketchen mit Karl Valentin wurde ja mit den Jahren auch ein Teil ihrer selbst und ihres eigenen Humors. Sie war eine begnadete Komikerin, ein Beruf, der in dieser Zeit vor allem Männern vorbehalten war. Das ist schon mal eine Ausnahmesituation. Dann war sie da oben als Soldatin! Dazu diese reduzierte Sprache der Sketche. Das alles kann man doch eigentlich nur mit Musik und Gesang erzählen. Wir haben noch einen zusätzlichen Kniff verwandt, indem wir berühmte Sketche von Karl Valentin als Grundlage genommen und darauf diese Dramaturgie in 21 Bildern aufgebaut haben.

Die Episode endet 1943 auf dem Höhepunkt des Krieges …

Am Schluss der Oper werden die Soldaten in den Krieg geschickt. Es war ja tatsächlich so, dass sich unten im Dorf herumgesprochen hat, dass da oben eine Frau ist. Und dann wurde der Kommandant raufgeschickt, von ihr um den Finger gewickelt, und zwar so sehr, dass er sie zum Obergefreiten beförderte. Es gab sogar noch eine weitere Anzeige, die er ebenfalls unter den Tisch hat fallen lassen. Das wäre fast ins Auge gegangen, aber 1943 kehrte sie ohnehin aus Angst um ihre Schwester, die ihr Lebensmensch war, nach München zurück.

Also eigentlich eine aus damaliger politischer Sicht völlig unmögliche Situation. Wie haben Sie das musikalisch umgesetzt?

Es kommen nur elf Instrumente zum Einsatz, unter anderem Schlagwerk und Ziehharmonika. Der Komponist Christian Spitzenstaetter hat versucht, nur Instrumente zu nehmen, die auch auf einer Alm gespielt werden könnten. Die Musik ist vielleicht nichts für die Donaueschinger Musiktage, wenn ich das mal so sagen darf, aber sie ist, finde ich, eine sehr geeignete Musik, um diese Geschichte zu erzählen.

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