Der Prinz (Pavel Trávnícek) passt Aschenbrödel (Libuse Safránková) den verlorenen Schuh an - eine Szene aus «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» (undatiert).
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Weihnachtsfilm "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel"

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Hype auf TikTok: Warum "Aschenbrödel" modern bleibt

"Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" von 1973 ist seit Jahrzehnten ein TV-Klassiker der Adventszeit. Das hat nicht nur mit Nostalgie zu tun: Die darin enthaltenen Rollenbilder sind nämlich alles andere als altbacken.

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Sie filmen ihre Adventskalender, die Winterlandschaft beim Ausritt in den Schnee oder einfach nur sich selbst daheim beim Tanzen. Gern zusätzlich mit dem Spruch: "Wer ist noch mal Maria Carey? SO klingt Weihnachten in Deutschland."

Auf TikTok trendet gerade: das Aschenbrödel. Genauer gesagt, Václav Vorlíčeks Film "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ von 1973. Seitdem ist er ein sogenannter Kultfilm und offenbar generationenübergreifende Kindheitserinnerung. Der Hashtag #dreinüssefüraschenbrödel hat auf TikTok knapp sechs Millionen Aufrufe. Ein Wildwuchs an kreativen Videos. Fast alle sind sie inspiriert von der Aschenbrödel-Filmmusik des tschechischen Komponisten Karel Svoboda, der auch der Biene Maja und Nils Holgerson in den 70er-Jahren ihre legendären Soundtracks schenkte. Viral ging zum Beispiel eine sehr moderne Version des "Königlichen Balls I" des Produzenten Jaques Raupé zusammen mit dem Dj und Produzenten Felix Harrer.

Slawische Adaption mit entscheidenden Unterschieden

Ein Film, viele Emotionen: Jahreszeitliche Befindlichkeiten können auf TikTok hohe Reichweiten erzielen. Und für viele ist Weihnachten untrennbar verknüpft mit dem Film "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". So geht es auch Zuzana Jürgens, Bohemistin und Geschäftsführerin des Adalbert Stifter Vereins: "Der Film war in meiner Kindheit ein Weihnachtsfilm. Wir waren in einer Hütte, damals lag im Winter noch Schnee. Mein Bruder und ich saßen vor dem Fernseher, meine Eltern waren mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt, wir hatten Ferien und durften schon tagsüber Märchen gucken. Und dann lief Aschenbrödel."

Dass der Erfolg bis heute anhält, hängt für Zuzana Jürgens auch damit zusammen, dass der Film sich nicht einfach an der Vorlage der Gebrüder Grimm bedient, sondern an einer slawischen Adaption der tschechischen Schriftstellerin Božena Němcová. Das Drehbuch für den Film stammt von František Pavlíček, ein Journalist und Autor, dessen Bücher in der Tschechoslowakei wegen seines politischen Engagements für die Reformbewegung im Prager Frühling verboten waren. Das Drehbuch zu "Aschenbrödel" schrieb er unter Pseudonym.

Stolzes Aschenbrödel statt schüchterner Disney-Prinzessin

Jürgens erklärt die Unterschiede: "In dem slowakischen Märchen lädt der Prinz nicht in ein Schloss, die Begegnungen zwischen Aschenbrödel und ihm finden bei Kirchgängen statt. Und obwohl der Vater von Aschenbrödel - anders als in der Märchenvorlage - nicht mehr lebt, ist er dennoch präsent. Er hat ihr viel beigebracht, etwa Reiten und Schießen. Aschenbrödel tritt der bösen Stiefmutter sehr unerschrocken entgegen. Das ist im Märchen-Original nicht so und auch in anderen Bearbeitungen nicht, etwa in Disneys 'Cinderella', das komplett märchenhaft ist und einer 'klassischen' Rollenverteilung folgt."

Dass der Film bis heute ein Erfolg ist, hängt auch damit zusammen, dass es im Unterschied zu vielen anderen Märchenverfilmungen auch der kritischen Bewertung durch den Zeitgeist standhält. Die Schauspielerin Libuše Šafránková verkörpert ein stolzes Aschenbrödel, das, als männlicher Jäger verkleidet, den Prinzen beim Schießen ausbotet und das nicht passiv darauf wartet, endlich von ihm geheiratet zu werden. Aschenbrödel testet erst, ob dieser Prinz ihrer würdig ist.

Einverständliche Beziehung

Diese Szene kann auch als frühes Beispiel von Konsensualität gelesen werden. Es ist nicht der Prinz, der sich seine Gemahlin sucht, sondern hier herrscht gegenseitiges Einverständnis, eine Liebesbeziehung einzugehen. Für die 70er-Jahre sehr fortschrittlich, sagt Zuzana Jürgens: "Die Schlussszene ist auch nicht unwichtig: Zum einen reiten beide auf ihren Pferden. Es ist nicht der Prinz, der das Aschenbrödel mitnimmt. Und dann überholt das Aschenbrödel den Prinzen noch, bevor beide in den Horiont reiten."

Auf TikTok steht fest: Weihnachten wird Aschenbrödel geguckt. Und zwar mit Mama und Papa – denn in den Clips, in denen zur Aschenbrödel-Filmmusik getanzt wird, zeigen sich viele zusammen mit ihren Eltern. Der Film Aschenbrödel beweist damit auch: Wenn man mal alle Kulturkampfdebatten beiseitelässt, gibt es Werke, die es schaffen, mit feministischen Ideen, feministischen Bildern, Generationen zu vereinen. Zumindest vor dem Fernseher.

Dieser Artikel ist erstmals am 10. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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