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Buchcover "Havana. Short Shadows" von Eva-Maria Fahrner-Tutsek

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"Havana - Short Shadows": Fotobuch zeigt Menschen in Kuba

Es gibt viele Bilder von Havana - und viele Kuba-Klischees zwischen Musikparadies, Karibik-Sehnsucht und politischer Romantik. Die Fotografin Eva-Maria Fahrner-Tutsek zeigt Havanas Alltag und porträtiert es als Stadt der Wartenden. Von Julie Metzdorf

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Havana: farbenprächtige Hausfassaden, auf Hochglanz polierte amerikanische Straßenkreuzer, Menschen ohne Hast und Eile: Ein tropisches Paradies mit legendärer Vergangenheit. Das ist das Bild, das westliche Fotografen und Filmemacher von der Stadt in der Regel vermitteln, der Test ist einfach. Doch man kann die Geschichte auch anders erzählen: Außerhalb der für die Touristen renovierten Altstadt stürzt beinahe täglich ein Haus ein. Die schönen bunten Straßenkreuzer haben selten Benzin. Und die Menschen sitzen nur deshalb stressfrei auf der Straße herum, weil sie arbeitslos sind und es auch sonst wenig Möglichkeiten gibt irgendetwas zu machen.

"Wenn Sie in der Karibik herumfahren, in der Dominikanischen Republik – da ist sonntags Tanz auf dem Platz, so etwas finden sie nicht in Havana, nicht mehr. Natürlich können sie sicher auch fröhlich sein, aber es ist im Moment eine depressive, resignative Stimmung. Wenn ich morgens meine Wasserflasche vergessen hatte, dann war's das. Der Zahnarzt hat um 10 Uhr morgens kein Betäubungsmittel mehr. Fleisch gibt es drei große Brocken die da liegen am Morgen, Sie müssen Ihre eigene Plastiktüte mitbringen, Verpackungsmaterial gibt es nicht." Eva-Maria Fahrner-Tutsek

Fotografin und Kunstmäzenin

Eva-Maria Fahrner-Tutsek war im vergangenen Jahr in Havanna. Eigentlich ist die 1952 in Hamburg geborene Kunstmäzenin promovierte Psychologin, doch seit ihrer Kindheit fotografiert sie auch, die Kamera hat sie ein Leben lang begleitet. Die Alexander-Tutsek Stiftung, der sie vorsteht, sammelt neben zeitgenössischer Glaskunst vor allem Fotos, auch das Engagement der Stiftung für das Münchner Haus der Kunst zielt unter anderem auf die Förderung von Fotografie. Nun hat Eva-Maria Fahrner-Tutsek ihr zweites eigenes Fotobuch vorgelegt und zwar mit Bildern einer Stadt, über die sie im Vorwort selbst schreibt, Zugang und Empfang seien distanziert gewesen.

"Wenn man nach Havana kommt: Es ist verhalten, distanziert, vorsichtig, der Umgang miteinander, deshalb war es nicht so das leichte Reinkommen, Und häufig ist es so, dass man, wenn etwas schwierig ist, auch besser arbeitet. Ich musste ich mich mehr bemühen - und dann liegt es einem auch mehr am Herzen." Eva-Maria Fahrner-Tutsek

Keine imperialistische Trophäenfotografie

Havana ist ein Traumziel für Hobbyfotografen, aber ein heißes Pflaster für alle, die es ernst meinen. Man läuft schnell Gefahr, Kitsch zu produzieren bzw. vorgefertigte Bilder im Kopf zu reproduzieren. Geschichte und politische Sonderwege haben die Stadt zur Projektionsfläche westlicher Fantasien werden lassen, zu einem tropischen Musikparadies oder zu einer lebendigen Ruine des Kalten Krieges. Aus all dem resultiert ein fotografischer Blick, der nur sieht, was er sehen will, der verfallenen Treppenhäusern "maroden Charme" abgewinnt und die Stadt als kapitalismusfreien Sehnsuchtsort wahrnimmt.

Solcherart imperialistische Trophäenfotografie setzt Eva-Maria Fahrner-Tutsek mit "Short Shadows" ganz bewusst etwas entgegen. Architektur wird bei ihr zur Nebensache, stattdessen legt sie den Fokus auf die Menschen und zeigt: eine Stadt der Wartenden. Die Menschen wirken still, nachdenklich, enttäuscht. Eine Seitenstraße, in der Kinder Fußball spielen – Autos fahren hier sowieso nicht. Nahaufnahmen vom Supermarktregal: Fünf verschiedene Sorten Zucker, doch ein kleines Schild verrät, dass er nur gegen Lebensmittelmarken ausgegeben wird. Der Eingang einer Bar mit dem großen Schild "No hay Ron – Es gibt keinen Rum" . Bilder, die unsere Vorstellungen von Kuba untergraben.

"Ich musste mich auch zusammenreißen, die Motive springen eine ja an, die Häuser, die wild zusammengewurschtelten Stromkabel, die Straßenkreuzer, aber mir war eben wichtig, diese schwere Zeit zu dokumentieren, die durch Mangel gekennzeichnet ist." Eva-Maria Fahrner-Tutsek 

Ein Heimatgefühl und die Stadt als Themenpark

Umrahmt werden die 60 Fotografien von zwei Texten: einem literarischen Essay des Schriftstellers Leonardo Padura über das Leben in Havanna, über ein Heimatgefühl, in dem der Schmerz immer mitschwingt, und einem klugen Aufsatz des britischen Fotografen und Journalisten Michael Freeman über Dokumentarfotografie. Er berichtet von den Problemen, die die Demokratisierung der Fotografie und der weltweit rege Tourismus mit sich gebracht haben. Die Altstadt von Havanna etwa verkommt laut Padura gerade zu einem Themenpark, die Häuser leuchten in Farben, die es dort früher nicht gegeben hat.

"Havana - Short Shadows" von Eva-Maria Fahrner-Tutsek ist bei Hirmer erschienen.