Bildrechte: Schaulager Basel

SWITZERLAND BRUCE NAUMANN

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Der Markt ist ihm egal: Bruce Nauman in Basel

Seine Kunst ist nicht zu fassen: Der in New Mexico lebende US-Künstler Bruce Nauman hat kein "Markenzeichen", er arbeitet vielfältig und irritierend wechselhaft. Im Schaulager in Basel ist ihm eine große Retrospektive gewidmet. Von Christian Gampert.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Fast jeder Gegenwartskünstler hat sein "Branding" – er versucht, als eingeführte Marke im Betrieb zu bestehen. Er macht nur das eine: Gipsabgüsse von Gebäuden, theatralische Videos, minimalistische Skulpturen, abstrakte Bilder. Manche malten auch nur in Blau. Wenn man über die Bedeutung von Bruce Nauman auch nur das mindeste sagen möchte, dann dies: ihm ist der Markt völlig egal. Er macht, was er will, er setzt immer neu an, nutzt immer neue Materialien und Medien – er ist der vielseitigste lebende Künstler. Die große Retrospektive im Basler Schaulager, die erste seit 24 Jahren, steht also vor einem nicht geringen Problem: wie soll man, trotz riesenhafter Ausstellungsfläche, das alles zeigen?

Knie in Wachs gedrückt

Es gibt zwei völlig unterschiedliche Stockwerke: oben das Frühwerk mit sehr vielen Zeichnungen und Vorarbeiten, an denen deutlich wird, dass Bruce Nauman fast alles aus der Erkundung seines eigenen Körpers entwickelt. Sogar manche Leuchtröhren-Installationen bestehen da aus abstrakten Segmenten einer Wirbelsäule, Knie werden in Wachs gedrückt, in Schwarzweiß-Videos verkeilt sich der asketische Künstler zwischen Wand und Boden.

Tierkörper herum geschleift

Im unteren Stock dann große, raumgreifende Installationen, die zwar manchmal bedeutungsschwanger den Kitsch streifen (etwa eine seltsame Springbrunnen-Installation mit hohlen Gesichtsmasken), meist aber durch ihre pure, überwältigende Präsenz beeindrucken – großartig immer noch die lakonischen, karussellartigen Apparate, mit denen nachgebildete Tierkörper herumgeschleift werden. Nauman thematisiert die geschundene Kreatur – und die Leere der Existenz. Die vom New Yorker „Museum of Modern Art“ kommende Kuratorin Kathy Halbreich sagt, es gehe bei Nauman immer um das Verschwinden, das Sich –Auflösen von Objekten, vielleicht sogar des Menschen.

Nahe Verwandte des Verschwindens sind bei Nauman das Abwesende, die Leere, das Gefühl der Deprivation, die in vielen Varianten vorkommen. Zum Beispiel erscheinen Körperteile als Hohlformen, es gibt ein Selbst, das sich schon verabschiedet, und da sind die nächtlichen Vorgänge in einem fast leeren Atelier. Es gibt auch diese mentalen Blockierungen, das Ende kreativer Möglichkeiten, besonders nach Retrospektiven wie diesen. - Kathy Halbreich

Traurige Clowns auf dem Klo

Nauman setzt sich dieser Leere und Einfallslosigkeit aus, aber gerade dadurch entstehen natürlich neue Ideen. Die Zeichnung ist seine Denkform: viele Arbeiten gerade der Frühphase geben Zeugnis davon. Was daraus dann entsteht, ist ungewiss – ein Video, ein Leucht- oder Soundskulptur, eine abstrakte Riesenplastik oder eine Installation. Nauman nutzt alle Medien – manchmal sitzen in seinen Videos traurige Clowns auf dem Klo und anderswo, manchmal lässt er Schauspieler existentialistische Banalitäten durchdeklinieren.

Stand- und Spielbein

Samuel Beckett und Ludwig Wittgenstein sind wichtiger für Nauman als jeder Gegenwartskünstler, obgleich er sich durchaus auf Kunstgeschichte bezieht. Seine neueste, 2017 entstandene Arbeit zitiert noch einmal den schon seit den Griechen, spätestens aber seit Michelangelos „David“ ikonischen Kontrapost, also die Stellung mit Stand- und Spielbein bei seitlich herausgedrücktem Becken. Nur, dass in dieser Video-Installation ein Split-Screen verwendet wird und Naumans Ober- und Unterkörper auf zwei verschiedenen Bildhälften vor- und zurücklaufen, als hätten sie nichts miteinander zu tun.

Hand mit fünf Daumen

Der von der Moderne gebeutelte Mensch taucht bei Nauman auch in der Skulptur auf – wo Albrecht Dürer die betenden Hände seiner Mutter malte, zeigt uns Nauman eine kalkweiße, missgebildete Hand mit fünf Daumen. Das irritiert ebenso wie die engen Korridore und Käfige - und die mit Infrarotkamera aufgenommenen Langzeit-Videos, mit denen Nauman nächtelang die scheinbare Ereignislosigkeit in seinem leeren Atelier dokumentiert.

Der Körper als Zeichen

Ja, der Mensch hat keine gute Prognose bei Bruce Nauman. Seine bunten Leuchtreklamen, in der stilisierte Figuren einander begatten und umbringen, ist jedenfalls ein ironisches, aber auch deprimierendes Logo der Gegenwart. Bruce Nauman lebt zurückgezogen in der Wüste von New Mexico und züchtet Pferde, auf den Kopf gestellte Videos zeigen ihn als reitenden Cowboy – oder ist er der apokalytische Reiter? Nein, eher ein Strukturanalytiker der menschlichen Existenz. Der Körper ist für ihn ein Zeichen – aber auch eine Möglichkeit.

Bis 26. August 2018 im Schaulager Basel