"Elan vital" hieß eine seiner berühmten Münchner Ausstellungen, mit der nach seiner Restaurierung das Haus der Kunst 1994 wiedereröffnet wurde. Dieser Elan zeichnete Christoph Vitali, Sohn eines Bildhauers und einer Lehrerin, aus. Ausstellungen einzurichten sei "die schönste Aufgabe" überhaupt, sagte der gebürtige Schweizer Vitali: "Enthusiastisch kann man sich immer wieder neuen Themen hingeben wie einer Frau: aber nicht einer, sondern man kann polygam sein." Christoph Vitali war ein Impresario, der sich von seinen Leidenschaften leiten ließ. Der Jurist leitete zunächst als erster Direktor ab 1985 die Kunsthalle Schirn in Frankfurt und wechselte dann 1994 nach München ans Haus der Kunst. Die Süddeutsche Zeitung nannte ihn einmal den "Maestro aller Kunstmanager".
München, das waren die besten Jahre
Im Interview mit dem BR sagte er 2010: "Ich glaube, es ist die innige Vereinigung mit einem Künstler, das Erleben und das Nachvollziehen dessen, was er getan hat. Das kann ein Alter sein, das kann ein Moderner sein, völlig egal. Ich habe in beiden Häusern – sowohl in der Schirn als auch im Haus der Kunst in München – beides getan: aktuelle Kunst, Moderne, klassische Moderne, aber auch alte Kunst. München, das waren die besten Jahre. Ich war zehn Jahre in München, eine relativ lange Zeit. Und München war damals so ein bisschen wie ausgetrocknet, es gab noch keine Pinakothek der Moderne. Man hat auf uns richtiggehend gewartet. Ich habe damals im Haus der Kunst gewohnt, in der früheren Hauswart-Wohnung. Ich fand das schön. In der Umbauzeit, bevor wir eröffnet haben, konnte ich nachts hochgehen, konnte mir viel überlegen, wenn ich nicht schlafen konnte, das war wunderbar." Christoph Vitali, damals also "Nachts im Museum" unterwegs auf seine Art. Der Zürcher konzipierte Blockbuster-Ausstellungen, die Hunderttausende Besucher anzogen. Zu Publikumsmagneten entwickelten sich etwa die Kandinsky-Retrospektive in der Frankfurter Schirn, zu der 1989 fast 200.000 Besucher strömten, und seine Francis-Bacon-Schau im Münchner Haus der Kunst 1996.
Die Kunst muss sich Zeit nehmen
Er hatte keine Scheu davor, Kunst als Event zu inszenieren. Nach seiner Münchner Zeit war er Direktor der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel, 2008 übernahm er für kurze Zeit die Leitung der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle. Bei alldem war stets seine Liebe zur klassischen Moderne sehr ausgeprägt, zu Künstlern wie Paul Klee und Wassily Kandinsky etwa. Der zeitgenössischen Kunst bot Christoph Vitali vergleichsweise wenig Platz im Museum, was er aber nur als konsequent empfand: "Ich habe das Zeitgenössische relativ bald nicht mehr ganz so intensiv gepflegt, weil ich einfach der Meinung bin, dass es einfach eine Weile dauert, bis die Kunst museumsreif ist. Der jüngste Künstler, mit dem ich mich intensiv beschäftigt habe, war Neo Rauch, damals war er 40, 42 Jahre alt, mittlerweile ist er ein weltberühmter Mann. Aber sonst bin ich der Meinung, dass sich die Kunst eine Weile Zeit nehmen muss, bis sie ins Museum gelangt."
Der Museumsdirektor und Ausstellungsmacher Christoph Vitali ist, wie jetzt erst bekannt wurde, bereits am 18. Dezember im Alter von 79 Jahren gestorben.
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