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"Ypern nach der ersten Bombardierung" von Christopher Richard Wynne Nevinson

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"Aftermath" in London: Wie der Erste Weltkrieg die Kunst prägte

"Aftermath" in London: Wie der Erste Weltkrieg die Kunst prägte

Das Ende des Ersten Weltkriegs jährt sich im November zum 100. Mal. Die Londoner Tate Britain zeigt Kunst, die damals entstanden ist - voller Zerstörungen und Gewalt. Fast alle Künstler der 1920er-Jahre waren Soldaten gewesen. Von Stephanie Pieper

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Das Ende des Ersten Weltkrieges jährt sich in diesem Jahr zum 100. Mal. Seine Schrecken – das Sterben der Soldaten in den Schützengräben, die Bombardierung aus der Luft, das Leiden der Zivilbevölkerung – haben damals Millionen Menschen in Europa traumatisiert. Und sie haben eine Generation von Künstlern geprägt. Wie haben sie in ihren Werken auf diese schlimmen Erlebnisse, auf die Zerstörung geantwortet? Die Tate Britain widmet diesem Thema ein Jahrhundert nach Kriegsende nun eine Ausstellung – und fokussiert sich dabei auf Künstler aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Häuser-Gerippe in Ypern

Der Stahlhelm, der einsam auf dem Schlachtfeld liegt, wird zum Sinnbild für den gewaltsamen Tod von Soldaten im Ersten Weltkrieg – ganz gleich, welcher Nationalität sie sind. Als Symbol malt ihn etwa Christopher Richard Wynne Nevinson 1917 neben den Leichen zweier Soldaten, deren Gesichter im Schlamm begraben sind – ein Gemälde, das die Militärzensoren während des Krieges verbannen. Ein Jahr zuvor bereits zeigt der Brite auf der Leinwand in düsteren Farben, welche Häuser-Gerippe die Bombardierung von Ypern in Belgien hinterlassen hat:

Die Mehrheit der Künstler, die in den 1920er Jahren gearbeitet haben, waren Ex-Soldaten – nicht alle, aber die meisten in dieser Schau haben die Front auf die eine oder andere Weise erlebt. Selbst wenn es in ihren Werken, in ihrem Motiv nicht offensichtlich ist – stellt man doch in der Herangehensweise fest, dass diese Erfahrung des Krieges da ist. - Emma Chambers, Kuratorin.

"Grauer Tag" von George Grosz

Die Armeen mobilisieren geschätzt 70 Millionen Menschen, zehn Millionen von ihnen kehren nicht lebend zurück, doppelt so viele werden verwundet. Frauen werden zu Witwen, Kinder zu Waisen, Mütter verlieren ihre Söhne – so wie Käthe Kollwitz, deren Studie für die Skulptur eines trauernden Elternpaares hier ausgestellt ist. Ebenso wie „Grauer Tag“ von George Grosz von 1921 – auch eine Kritik des Mitglieds der Kommunistischen Partei am Kapitalismus:

Dieses Bild verdeutlicht die Spaltung und die Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft unmittelbar nach dem Krieg: Bestimmte Geschäftsleute haben von dem Grauen profitiert, während andere – vor allem die entstellten und verwundeten Veteranen – zurückgelassen werden. - Emma Chambers

Bauhaus und Dada

Ohne das Grauen des Ersten Weltkrieges, sagt Chambers, hätte es die bis heute einflussreichen Kunstströmungen der 1920er Jahre wohl nicht gegeben: das Bauhaus und den Dadaismus, die Neue Sachlichkeit und den Surrealismus – verkörpert etwa von Otto Dix und Oskar Schlemmer, John Heartfield und Hannah Höch. Gerade in Frankreich, wo die Natur auf den Schlachtfeldern zerstört ist, besinnen sich Künstler unterdessen nostalgisch auf die Landschaftsmalerei zurück – aber auch in Großbritannien, etwa Paul Nash. Es ist der Versuch, das Chaos zu kontrollieren, die Unordnung der Welt nach diesem Ersten Weltkrieg mit Hilfe der Kunst wieder in Ordnung zu bringen:

Es gibt die Entschlossenheit, etwas Positives beizutragen zum Wiederaufbau einer gerechteren Gesellschaft nach dem Krieg – das ist ein zentrales Thema. Viele Künstler denken etwa über die Gleichberechtigung von Arbeitern nach, aber auch von Frauen, die erstmals wählen dürfen. In diesem Sinne werden die Künstler politisiert, werden sich ihrer Rolle in der Gesellschaft stärker bewusst und des Beitrags, den sie leisten können. - Emma Chambers

1933 wirft seinen Schatten voraus

Einige Maler skizzieren die moderne Stadt, setzen dabei trotz des Massensterbens während des Krieges neue Hoffnung in Maschinen und Technologie – wie der Franzose Fernand Léger in „Les disques dans la ville“, inspiriert von amerikanischen Fabriken und Wolkenkratzern. Die Ausstellung thematisiert aber auch, wie Künstler Denkmäler gestaltet haben – etwa den Zenotaph, das abstrakte, schlichte Ehrenmal im Londoner Regierungsviertel. Während Großbritannien und Frankreich früh damit beginnen, der getöteten Soldaten zu gedenken – tut sich das besiegte Deutschland als Kriegsverursacher und -verlierer schwerer mit der Erinnerung. Das Jahr 1933 wirft seine Schatten auch in dieser Schau voraus.

Bis 23. September 2018 in der Londoner Tate Britain