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Rassismus Überwachung

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Wie Rassismus in Fankurven wirklich bekämpft werden kann

Wie Rassismus in Fankurven wirklich bekämpft werden kann

Kevin Prince Boateng musste sich im Stadion schon oft rassistische Parolen anhören. Jetzt fordert er den Videobeweis gegen Rassisten. Das klingt zwar logisch, kann das Problem aber nicht lösen. Dafür braucht es einen anderen Weg. Von Kevin Ebert

Es ist die 26. Minute im Spiel AC Mailand gegen irgendeinen Viertligisten. Ein Freundschaftsspiel im Januar 2013 in Italien, eigentlich nicht der Rede wert, doch nach dieser 26. Minute wird man sich in ganz Europa darüber unterhalten. Kevin Prince Boateng verlässt den Rasen. Nicht wegen einer roten Karte. Boateng geht freiwillig – wutentbrannt, aber fest entschlossen. Wenn er am Ball war, wurden Affenrufe imitiert. Boateng bricht ab. Er beendet damit das Spiel, denn seine Mannschaft, der glorreiche AC Mailand, folgt ihm in die Kabine. Später wird von großem Beifall für Boatengs Spielabbruch zu lesen sein. Zurecht. Aber für Boateng selbst war diese 26. Minute wahrscheinlich ein Tiefpunkt in seiner sicherlich nicht immer einfachen Laufbahn.

Das Thema scheint ihn nach wie vor zu beschäftigen. Kein Wunder, denn sein Spielabbruch hat lediglich gezeigt, wie schlimm sich Rassismus im Stadion mittlerweile äußern kann. Das Problem an sich existiert weiterhin, nicht nur in Italien, auch in deutschen Stadien. Boateng, der inzwischen bei Erstligist Eintracht Frankfurt kickt, prescht nun nach vorne - und fordert einen Videobeweis gegen rassistische Schreier.

Boatengs Forderung ist wichtig, aber fragwürdig

Seine Forderung ist schon alleine deshalb wichtig, weil sie dem Rassismusproblem Aufmerksamkeit schenkt. Nicht nur DFB, DFL und Fangruppierungen haben die Pflicht, sich damit auseinanderzusetzen. Auch die Spieler müssen dagegen laut werden. Nicht nur Betroffene und nicht immer nur Kevin Prince Boateng.

Der Inhalt von Boatengs Forderung ist trotzdem fragwürdig. In den meisten deutschen Fankurven gibt es natürlich schon eine High-Quality-Videoüberwachung. Wird man dabei gefilmt, wie man beispielsweise einen Hitler-Gruß während der deutschen Nationalhymne macht, muss man mit den Konsequenzen leben. Auch Stadionverbot ist möglich. Um Rassismus aber flächendeckend und hartnäckig per Videoüberwachung zu verfolgen, bräuchten Stadien nicht nur Bewegtbild, sondern auch Audioaufnahmen – beispielsweise um das Imitieren von Affenlauten nachzuweisen.

Ein Ausbau der Überwachungspraktiken in Fußballstadien ist erfahrungsgemäß aber kein Thema, das Fangruppen und Ultras einfach so akzeptieren. Überwachung mag in einigen Fällen zwar für Aufklärung und Abschreckung sorgen – sie nimmt den Fans aber auch ein Stückchen Freiheit. Das dürfte für aktive Fanszenen, die viel Wert auf Selbstbestimmung legen, ein Problem sein. Für die Vereine und den DFB ist es ein schmaler Grat: Prävention gegen Repression. Es gilt genau abzuwägen, wann, wo und vor allem wie viel Überwachung im Block eigentlich sinnvoll ist.

Man muss auf jeden Fall differenzieren

Denn in Fankurven stehen natürlich nicht nur Rassisten. Dort sind vor allem stinknormale Fans und solche, die sich aktiv gegen Rassismus engagieren. Wenn neben der Video- jetzt auch noch gezielte, großangelegte Audioüberwachung im Stadion dazukäme, könnte das dazu führen, dass sich Fans vom eigenen Verein bekämpft fühlen und die Überwachung als Bremse für ihr soziales Engagement empfinden. Genau das würde letztendlich dem Kampf gegen Rassismus schaden. Gemeinsam mit dem DFB haben verschiedene Fangruppierungen die Situation in deutschen Stadien über Jahrzehnte nämlich deutlich verbessert, erzählt Rechtsextremismusexperte Robert Claus im Interview:

"Vor 30 Jahren waren rassistische Äußerungen und beispielsweise Reichskriegsflaggen in deutschen Stadien noch viel etablierter als heute. Das liegt zum einen daran, dass der Deutsche Fußballbund das Thema Rassismus seit mehreren Jahren intensiv bearbeitet, vor allem aber, dass sich viele Fangruppen und Ultras deutlich gegen Rassismus engagiert haben." Robert Claus, Fanforscher und Rechtsextremismusexperte.

Die Fankurve - ein Spiegel der Gesellschaft

Dass sich die Situation in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat, schafft das Rassismusproblem aber noch lange nicht aus dem Stadion. Das zeigt zum Beispiel das "Juden"-Banner, das Cottbuser Fans im Spiel gegen die von ihnen verhassten Dresdner hochgehalten haben. Und auch der Aufmarsch rechtsradikaler Fans beim Länderspiel Deutschland gegen Tschechien verdeutlicht, dass Rassisten Nationalspiele immer noch als Bühne nutzen. Die Ursachen für Bananenwürfe, fremdenfeindliche Spruchbänder und Hitlergrüße liegen aber außerhalb der Stadien.  

"Es ist in der Kurve genau wie in der gesamten Gesellschaft: Debatten um Kulturen, Asyl, Flucht und Migration spielen gerade eine große Rolle. Das sind tendenziell spaltende Themen. Und das wird sich auch im Fußball wieder zeigen." Fanforscher Robert Claus

In gewisser Weise sind Fankurven ein Spiegel der Gesellschaft. Dort befinden sich eben auch Rassisten. Die Mehrheit der aktiven Fans stellt sich aber klar gegen Rassismus. Wenn diese Fans ihre Liebe zum Sport und zur Vielfalt weiterhin so frei wie möglich ausleben können, dann müssen wir uns keine Sorgen machen, dass die Rassisten die Überhand gewinnen.

Was bedeutet das jetzt? Wichtig ist, dass Fans auch im Stadion ihre Freiräume bekommen und die Überwachung im Block auf das Nötigste beschränkt wird. Eine echte Lösung könnte sein, dass antirassistische Fangruppierungen und deren Aufklärungsarbeit noch stärker gefördert werden - auch finanziell. Denn wenn es um Rassismus geht, das zeigt die Erfahrung, sind Prävention und Aufklärung letztendlich wirkungsvoller als Kameras. Und dann muss auch Kevin Prince Boateng hoffentlich nie wieder den Ball aufs Stadiondach dreschen und in der 26. Minute den Platz verlassen.