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CSD-Wagen von Microsoft

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Warum große Firmen die Regenbogenflagge hissen

Der Christopher Street Day - heute in Berlin - hat sich seit seinen Ursprüngen vor 40 Jahren gewandelt. Vor allem die wirtschaftliche Bedeutung ist gewachsen. Inzwischen nutzen große Firmen den CSD als Werbebühne. Von Hanna Heim

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Ganz vorne fahren die lesbischen Motorradfahrerinnen, die Trans-Gruppe der Grünen kommt im Elektro-LKW, und die lesbischen Mütter sind in diesem Jahr mit einer Bimmelbahn unterwegs. All das ist die Politparade des CSD. Aber eben auch: Ein bunt gestreifter BMW, die wummernden Bässe riesiger LKW, aufwendig mit den Logos von Rewe, Google oder Amazon verziert.

Der CSD als Werbemarkt

Was machen die denn beim CSD? Seit wann interessieren sich Autobauer, IT-Konzerne oder Versicherungsmakler für die freie Liebe? Es regt sich der Verdacht, dass das nicht mehr Aktivismus, sondern schon Werbung ist. Werbung für ein neues Image? Um neue Fachkräfte?

"Sicher, auch", sagt Thomas Niederbühl, Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe und seit mehr als zwanzig Jahren für die Rosa Liste im Münchner Stadtrat.

"Also das Hauptinteresse einer Firma ist natürlich, ein gutes Geschäft zu machen. Ich würde das aber trotzdem nicht so negativ sehen. Weil ich es erstmal gut finde, wenn eine Geschäftsführung sensibilisiert ist, überhaupt da etwas tut und das auch immer mehr befördert wird - dann ist das schon ganz gut." Münchner Stadtrat Thomas Niederbühl

Regeln für die Teilnahme am CSD

Was Niederbühl da beschreibt, ist der Kompromiss, den die CSD-Organisatoren in den Nuller-Jahren geschlossen haben. Damals wollten immer mehr Unternehmen zur Parade kommen, um ihre neuesten Produkte unter die Leute zu bringen. Weil den politischen Akteuren das nicht passte, haben die Organisatoren Regeln aufgestellt.

"Wir wollten, dass die Balance zwischen Politik und Party gut stimmt und wir nicht als Zielgruppe missbraucht werden. Man muss irgendeinen Bezug zur LGBT-Community haben, man darf sich natürlich sponsern lassen, aber das muss untergeordnet sein. Und das war eigentlich eine ganz gute Strategie." Thomas Niederbühl

Dass immer mehr große Unternehmen die Regenbogenflagge hissen, ist eine relativ neue Entwicklung. Denn noch immer geht einer Studie zufolge jeder dritte Homosexuelle an seinem Arbeitsplatz nicht offen damit um. Jeder Zweite fühlt sich diskriminiert. CSD-Aktivist Niederbühl hat die Erfahrung gemacht: Erfolgreich funktioniert das meistens dann, wenn so eine Diversity-Gruppe erst von den Mitarbeitern ausgeht und dann von der Chefetage genehmigt wird.

Wie sich Schwule und Lesben im Betrieb organisieren

Genau so ist Franz Vojik vorgegangen. Der Informatiker hat 2012 die Allianz-Pride-Initiative mitgegründet und ist heute deren Vorsitzender. In diesem Jahr konnte Vojik seinen Arbeitgeber das erste Mal mit einem Wagen beim CSD vertreten. Auch hier: Riesen-LKW und wummernde Bässe. Ziemlich ungewöhnlich für ein Versicherungsunternehmen. Dabei hätte Vojik am liebsten schon vor fünf Jahren mitgemacht. Da wurde die Initiative aber ziemlich grob ausgebremst:

"Damals war es wirklich noch die Befürchtung: Was passiert, wenn der Name Allianz mit den schrillen Figuren gezeigt und fotografiert wird. Es war schon so, dass wir ein bisschen irritiert waren von den ganzen Bedenken." Franz Vojik, Allianz-Pride-Initiative

Inzwischen hat sich aber die Marketing-Abteilung der CSD-Frage angenommen und den Wagen ermöglicht. Vojik glaubt, dass sein Arbeitgeber mehrere Gründe hat, die interne Pride-Bewegung zu unterstützen:

Außen- und Innenwirkung angestrebt

"Das Eine ist dann für die Mitarbeiter selbst. Sie müssen diese gesellschaftliche Entwicklung bei den Mitarbeitern repräsentieren. Dann aber auch bei den Kunden. Allianz Deutschland hat - glaube ich - vor zwei Jahren Werbung mit Steffi Jones gemacht, mit dieser lesbischen Fußballspielerin. Andere Unternehmen sind da vielleicht ein bisschen früher dran." Franz Vojik

Dass sein Einsatz für den CSD auch eine Werbefläche für seinen Arbeitgeber ist, das ist Vojik egal.