Eine Gruppe junger Menschen mit Urkunden.
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Die glücklichen GewinnerInnen der 10. Regionalrunde von 'Sag’s Multi!'.

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Österreich: "Sag's Multi" - Bühne frei für Mehrsprachigkeit

"Mehrsprachigkeit ist etwas Positives" – diese Botschaft will der Redewettbewerb "Sag's Multi" in Österreich verbreiten. Schüler treten zweisprachig mit selbst verfassten Reden an. Dieses Jahr ist das Finale zum ersten Mal digital.

Mehrsprachigkeit zu fördern und sie als Gewinn aufzuzeigen, die Leistungen und das Können von Jugendlichen, insbesondere aus zugewanderten Familien sichtbar zu machen – das sind die großen Ziele des Redewettbewerbs "Sag‘s Multi!". Dieser mehrsprachige Wettbewerb, der vom Verein "Wirtschaft für Integration" und dem Institut "EDUCULT – Denken und Handeln in Kultur und Bildung" organisiert wird, findet 2020 bereits zum 11. Mal in Österreich statt.

Es handelt sich dabei um eine ganz besondere Veranstaltung, welche nach Angaben des Vereins im deutschsprachigen Raum einzigartig ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – Schülerinnen und Schüler ab der 7. Schulstufe, also ab einem Alter von etwa 12 Jahren – treten mit zweisprachigen, selbst verfassten Reden zu einem festgelegten Thema an. Eine Vorgabe dabei ist, dass sie in ihrer Rede zwischen Deutsch und einer weiteren Sprache wechseln. Diese weitere Sprache kann entweder die Muttersprache (wenn diese nicht Deutsch ist) oder eine Fremdsprache sein. Dieses Jahr sind über 50 Sprachen vertreten und insgesamt waren an die 600 SchülerInnen aus allen neun österreichischen Bundesländern nominiert.

Finale zum ersten Mal digital

Drei Runden gilt es vor einer fachkundigen Jury zu meistern – die Vorrunde, die Regionalrunde und das Finale. In diesem Jahr hat die Corona-Krise leider auch Einfluss auf "Sag´s Multi!": Das Finale wird zum ersten Mal digital stattfinden, ohne Publikum. Außerdem kann es aufgrund der momentanen Lage leider keine große Preisverleihung im Wiener Rathaus geben. Die Veranstalter arbeiten daran einen anderen Weg für die Abschlussveranstaltung zu finden.

Zwei starke Mädchen, zwei emotionale Geschichten

Bei der letzten Regionalrunde welche noch vor Publikum in der Neuen Mittelschule Pazmanitengasse in Wien, Anfang März 2020, stattfinden konnte, war das ARD-Studio Wien vor Ort und beeindruckt von den souveränen, emotional teilweise sehr bewegenden Reden über oft bedrückende Themen wie Mobbing, Flucht und Krankheit.

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Die Schülerin Raghad Alhenesh betont in ihrer Rede: ‚Meine Geschichte ist einzigartig, aber meine Botschaft ist für alle.‘

"Sprache bedeutet ankommen"

Wir lernten die 14-jährige Schülerin Raghad Alhenesh kennen. Sie war mit ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflüchtet und hat es in vier Jahren geschafft, einwandfrei Deutsch zu lernen. In ihrer emotionalen Rede erzählt sie von ihren ersten, schwierigen Tagen an der neuen Schule in einem fremden Land, als sie noch kein Wort Deutsch konnte. "Sprache bedeutet ankommen", sagt die Schülerin in ihrer Rede, in der sie abwechselnd Deutsch und Arabisch spricht. Sie möchte Mut machen und zeigen, dass Integration möglich ist, und ein gutes Vorbild dafür sein. Das ist sie als Finalistin von "Sag’s Multi!" auf jeden Fall.

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Die emotionale Rede der 12-jährigen Martina Filipovic auf BKS (Bosnisch) und Deutsch, bei der es um Mobbing geht, beeindruckt das Publikum.

Auch die 12-jährige Martina Filipovic ist eine der 134 FinalistInnen. Sie qualifiziert sich mit einer bewegenden Rede über ihre eigenen Erfahrungen mit Mobbing in der Schule für das digitale Finale. Gekonnt wechselt sie in ihrer Rede von ihrer Muttersprache BKS (Bosnisch) ins Deutsche und wieder zurück. Im Interview erzählt sie uns, dass sie sehr nervös war, bevor sie auf die Bühne ging. Aber der Wille, ihre Geschichte zu erzählen und somit anderen Mut zu machen, war stärker als ihre Nervosität.

Mehrsprachigkeit ist etwas Positives

Dieser Wettbewerb lebt, neben den mutigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, auch von vielen engagierten Lehrerinnen und Lehrern, die ihre Schülerinnen und Schüler ermutigen, daran teilzunehmen und sie mit nicht unerheblichem Aufwand auf ihrem Weg zu einer erfolgreichen Rede begleiten.

Edina Tokic, die Deutschlehrerin von Martina Filipovic, zählt zu diesen LehrerInnen. Sie hat die 12-Jährige bei ihrer Teilnahme an "Sag´s Multi!" unterstützt. Ihr Engagement für diesen Wettbewerb kommt auch aus ihrer eigenen Geschichte. Vor fast 30 Jahren kam sie ohne ein Wort Deutsch zu können nach Österreich. Heute ist sie Deutschlehrerin an einer NMS (Neuen Mittelschule) und versucht, ihre SchülerInnen für "Sag´s Multi!" zu begeistern. Ihr Wunsch: Alle Muttersprachen sollen als Bereicherung angesehen werden.

Gründer will Mehrsprachigkeit besser fördern

Peter Wesely, der Gründer von „Sag’s Multi!“ und Geschäftsführer des Vereins „Wirtschaft für Integration“, ist ebenfalls der Meinung, dass Mehrsprachigkeit etwas Positives ist, und besser gefördert werden soll:

"Ich glaube, dass wir in Österreich, aber auch in anderen Ländern, Mehrsprachigkeit, Internationalität oft auch als Defizit erleben. […] Wir sehen es als etwas Positives. Wir glauben, dass die Tatsache, dass SchülerInnen aus der Zuwanderungsgeschichte ihrer Familie, eine andere Familiensprache, Erstsprache noch mitbringen, etwas Positives ist, das weitergefördert werden soll." Peter Wesely, Gründer von „Sag’s Multi!“
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Peter Wesely ist der Gründer von ‚Sag´s Multi!‘. Er möchte mit diesem Wettbewerb junge Menschen in ihrer Mehrsprachigkeit ermutigen und fördern.

Wettbewerb ist ein Zeichen für Toleranz

Gerade in der heutigen Zeit, in der es immer wieder hitzige Diskussionen über die Themen Flucht, Migration und Integration gibt, setzt „Sag’s Multi!“ ein Zeichen für Toleranz. Der Wettbewerb zeigt jungen Menschen, dass Mehrsprachigkeit etwas Positives ist, etwas worauf sie stolz sein können. Darüber hinaus können sie die Themen die sie bewegen einem größeren Publikum mitteilen. Jeder, TeilnehmerInnen und ZuschauerInnen, kann hier etwas mitnehmen: Begeisterung, Staunen, Anerkennung, Mut, Betroffenheit und Inspiration.

Anmerkung der Autorin

Ich habe in meiner Schulzeit selbst an „Sag´s Multi!“ teilgenommen. Deshalb war es eine ganz besondere Freude für mich, über diesen einzigartigen Wettbewerb berichten zu dürfen.

Von Beginn an fand ich die Idee dieser Veranstaltung großartig. Viele meiner damaligen MitschülerInnen konnten sich unter Bulgarisch nicht viel vorstellen, daher war ich froh, ihnen durch diesen Wettbewerb zumindest die Melodie meiner Muttersprache näher bringen zu können. Außerdem gefiel bzw. gefällt mir an „Sag´s Multi!“, dass jungen Menschen eine Bühne zur Verfügung gestellt wird, auf welcher sie ihre Gedanken vor Publikum frei äußern können.

Das Konzept hat mich so begeistert, dass ich zwei Mal an diesem Wettbewerb teilgenommen habe. Beide Male schaffte ich es ins Finale. Die Preisverleihung im Festsaal des Wiener Rathauses war für mich das i-Tüpfelchen. Ich konnte vieles mitnehmen, vor allem aber zeigte mir „Sag‘ Multi!“, dass ich stolz auf meine Mehrsprachigkeit sein kann und keinen Grund habe diese zu verstecken.

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