Julia Waldherr (rechts) musste den gemeinsamen Sohn Malte adoptieren.
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Julia Waldherr (rechts) musste den gemeinsamen Sohn Malte adoptieren.

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Neues Familienrecht: Gleichstellung für Regenbogenfamilien?

Eltern werden ist für queere Paare noch immer mit hohen Hürden verbunden. So muss bei zwei verheirateten Frauen die nicht-leibliche Mutter das Kind adoptieren. Das Bundesjustizministerium will das ändern. Wie die Pläne aussehen und was strittig ist.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Zielsicher platziert Malte die Teile seines Steckpuzzles in die richtigen Ausschnitte, während seine Mutter Julia ihn mit Bananen füttert. Malte ist eineinhalb Jahre alt, hat blonde Haare und wächst in einem Mehrfamilienhaus im Münchner Speckgürtel auf. Er ist der ganze Stolz seiner Eltern – Mami Julia und Mama Laura. Nach mehreren Versuchen, mit einer Samenspende schwanger zu werden, sind sie jetzt "Familie Waldherr". Doch damit beide Frauen auch rechtlich Maltes Eltern sein können, musste Julia ihn adoptieren.

"Natürlich habe ich mich diskriminiert gefühlt. Weil es einfach keine Gleichberechtigung ist", sagt Julia Waldherr. Sie meint damit eine Gleichberechtigung gegenüber heterosexuellen Paaren, die ein Kind bekommen: "Malte ist unser Kind, er ist in diese Ehe geboren, und wir haben einfach nicht verstanden, warum ich jetzt extra nochmal irgendwohin musste, um zu bestätigen, dass da eine Bindung vorhanden ist." Für den Adoptionsprozess musste sie außerdem nachweisen, dass sie gesund ist, und auch Besuche vom Jugendamt über sich erdulden lassen.

Familienrecht soll zeitgemäßer werden

Dass Familien wie die Waldherrs – sogenannte Regenbogenfamilien – in Zukunft gleichgestellt werden sollten, hatte die Ampelkoalition bereits bei Regierungsantritt in Aussicht gestellt. Aber erst jetzt ist auch ein erster konkreter Schritt in diese Richtung passiert: Vergangene Woche hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ein Eckpunktepapier vorgestellt, wie das Familienrecht zukünftig reformiert werden könnte. Das Stichwort, das er dabei nannte, war "zeitgemäß": Es brauche zeitgemäße Antworten auf die verschiedenen familienrechtlichen Situationen in Deutschland.

Derzeit gilt nämlich noch folgendes: Ein Kind kann zwei Eltern haben; der erste Elternteil ist immer die Frau, die das Kind geboren hat – in Maltes Fall ist das Laura. Der zweite wird – nach derzeitigem Wortlaut im Abstammungsrecht – an einen "Mann" als "Vater" vergeben. Ob dieser auch der leibliche Vater ist, ist unerheblich. Eine Frau oder eine Person, die ihr Geschlecht nicht oder als divers definiert, ist derzeit nicht als zweiter Elternteil möglich. Damit das Kind rechtlich trotzdem einen zweiten Elternteil haben kann, bleibt ihnen nur die Adoption.

Eckpunktepapier stellt lesbische Mütter rechtlich gleich

Der Plan von Justizminister Buschmann könnte für mehr Gleichstellung sorgen – zumindest bei lesbischen Müttern. Demzufolge soll in einer lesbischen Ehe die Partnerin der Frau, die ein Kind geboren hat, automatisch als zweiter Elternteil gelten – ebenso wie dies derzeit schon bei heterosexuellen Ehepaaren der Fall ist. Aber auch bei unverheirateten lesbischen Paaren soll die Partnerin die Mutterschaft anerkennen können.

Was allerdings bleibt: Die Frau, die das Kind zur Welt bringt, ist stets die Mutter. Auch deshalb wird es für schwule Paare eine entsprechende Regelung nicht geben, da in einer schwulen Partnerschaft kein Kind hineingeboren werden kann.

"Schritt in die richtige Richtung"

"Von den Grundzügen her ist das ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Christina Klitzsch-Eulenburg. Sie ist Juristin, setzt sich mit ihrer Initiative "nodoption" für die Gleichstellung von Regenbogenfamilien ein und zieht selbst mit ihrer Frau zwei gemeinsame Kinder groß. Adoptieren wollte sie diese aber nicht. Stattdessen wehren sie und weitere Familien sich juristisch.

Das Argument: Die derzeitige Gesetzeslage verletze gleich mehrere Grundrechte der betroffenen Kinder und Familien. Gleich mehrere Gerichte seien zu demselben Ergebnis gekommen wie sie: Mit dem derzeit geltenden Abstammungsrecht werden Grundrechte gebrochen, etwa beim Gleichheitsgrundsatz. Jetzt liegen sechs Verfahren beim Bundesverfassungsgericht.

Nachbesserungen seien dennoch notwendig, sagt eine Juristin

Bei dem vorgestellten Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts gebe es gleich mehrere kritische Punkte. Um die Kinder aus queeren Familien vollständig abzusichern, müsse klar sein, dass die zweite Elternstelle immer besetzt werden könne. "Deshalb dürfen hier – wie im derzeitigen Entwurf – nicht nur Frauen und Männer aufgeführt sein, sondern einfach Personen, also unabhängig von ihrem Geschlechtseintrag", erklärt Christina Klitzsch Eulenburg.

Sie denke dabei an Personen ohne Geschlechtseintrag oder an diejenigen, die sich als "divers" sehen. Dies solle ihrer Meinung nach auch für die erste Elternstelle gelten, so ihre Überzeugung. "Das ist wesentlich. Aber möglicherweise wird die Formulierung im nächsten Entwurf nachgebessert", sagt die Juristin.

Ein "absolutes No-go" sieht sie allerdings in einem anderen Punkt aus dem Eckpunktepapier zur Reform des Familienrechts: "Die Interessen des leiblichen Vaters sollen eine größere Rolle spielen – und das Kindeswohl nicht mehr als alleiniger Faktor zählen", moniert Klitzsch-Eulenburg. Dadurch bliebe – trotz der Verbesserungen – eventuell ein Einfallstor für leibliche Väter, ihr Recht auf die zweite Elternstelle einzuklagen, auch entgegen dem Kindeswohl. Das würde Spielräume für eine mögliche strukturelle Benachteiligung von Regenbogenfamilien schaffen, die schließlich einen Samenspender brauchen.

"Wenn so ein Fall vor einem Familiengericht landet, dann ist unsere Erfahrung, dass gerade queere Eltern immer wieder diskriminiert werden." Auch die Rückwirkungsregelung müsse weiter gefasst werden, so Christina Klitzsch-Eulenburg: "Um die langjährigen Grundrechtsverletzungen möglichst umfassend rückwirkend zu beseitigen." Dadurch würden queere Familien im Nachgang ganz ohne eigenes Zutun umfassend abgesichert.

Gesetzgebungsverfahren wohl erst 2025 abgeschlossen

Familie Waldherr aus Oberbayern sieht die Pläne erstmal positiv: Es sei gut, dass die Gesetze verändert werden sollen: "Weil dann die Co-Mutter einfach auch die Mutter ist. Und, weil man die Zeit nach der Geburt dann besser genießen kann und nicht noch die Adoption im Hinterkopf hat", sagt Laura Waldherr. Als nächste muss das Eckpunktepapier nun in einen Referentenentwurf gegossen werden. Dabei kann es auch noch Änderungen geben, etwa bei den Kritikpunkten, die Juristin Christine Klitzsch-Eulenburg nennt.

Das Bundesjustizministerium teilt mit, dass die Entwürfe noch im ersten Halbjahr dieses Jahres fertiggestellt werden sollten. Doch bis das Gesetzgebungsverfahren durch ist, wird es nach dessen Einschätzung voraussichtlich noch bis 2025 dauern.

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