Gezerre um Glyphosat

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Kampf um Glyphosat: EU könnte heute entscheiden

Ein Berufungs- und Vermittlungsausschuss in Brüssel soll heute über die weitere Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat entscheiden - es könnte die letzte Runde im Poker der EU-Länder sein. Von Ingrid Wolf

Die Zeit drängt. Die aktuelle Zulassung für Glyphosat läuft Mitte Dezember aus. Bisher wurde keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen die Vorschläge der EU-Kommission gefunden. Sollten sich die 28 EU-Staaten nicht einigen, könnte die Kommission alleine entscheiden. Bisher hat sie dies allerdings vehement abgelehnt. Sie will sich den "schwarzen Peter" einer verlängerten Zulassung nicht zuschieben lassen.

Damit eine Entscheidung zustandekommt, braucht es eine sogenannte qualifizierte Mehrheit von 55 Prozent der Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Bei der jüngsten Abstimmung am 9. November stimmten 14 Länder für den Vorschlag der Kommission, das Mittel für weitere fünf Jahre zuzulassen. Neun Staaten stimmten dagegen, fünf - unter ihnen auch Deutschland - enthielten sich. Im Lager der Gegner gibt es Länder wie Frankreich und Italien, die auf einen baldigen Glyphosat-Ausstieg drängen. Staaten wie Großbritannien oder Ungarn dagegen war die angebotene Verlängerung der Zulassung um fünf Jahre zu kurz. 

Ist Glyphosat schädlich oder nicht?

Seit fast zwei Jahren ringt Europa um eine Verlängerung der Zulassung für Glyphosat. Weil die Wissenschaft sich nicht einigen kann, ob das Mittel nun schädlich ist oder nicht, befürworten einige Länder ein Verbot von Glyphosat - aus vorbeugendem Gesundheitsschutz für die europäische Bevölkerung.

Andere Länder wiederum stützen sich auf Gutachten, die Glyphosat weitgehende Unbedenklichkeit bescheinigen. Sie fordern deshalb eine Verlängerung der Zulassung im Interesse ihrer konventionell wirtschaftenden Landwirte. Für sie ist Glyphosat ein wichtiger Wirkstoff, um schnell, effektiv und kostengünstig Unkraut zu bekämpfen.

Landwirtschafts- und Umweltministerium uneins

Außerdem geht es um viel Geld für die Agrarindustrie. Glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel gehören zu den weltweit am häufigsten verwendeten Präparaten. Pro Jahr liegt der Umsatz alleine in Europa bei etwa einer Milliarde Euro. Zudem ist Glyphosat ein wesentlicher Baustein für den Gentechnikanbau in Übersee.

Deutschland hat sich bisher bei allen Abstimmungen enthalten, weil sich die amtierende Bundesregierung nicht einig ist. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU will eine Verlängerung der Zulassung, Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD ist dagegen. Bei den bisherigen Abstimmungen hätte aber auch ein klares Votum von deutscher Seite allein nicht gereicht, um eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen.

Streit mit hohem Symbolwert

In Europa ist aus der Debatte um Glyphosat inzwischen ein Streit mit hohem Symbolwert geworden. Befürworter sehen in dem Pflanzenschutzmittel einen unverzichtbaren Baustein moderner Landwirtschaft. Für viele Gegner steht Glyphosat stellvertretend für eine Landwirtschaft, die der Artenvielfalt, dem Trinkwasser und den Böden schadet. Ein Verbot von Glyphosat wäre für sie ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer grundsätzlichen Umorientierung in der Landwirtschaft.