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Daniel Cohn-Bendit

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Daniel Cohn-Bendit: Die Welt hat sich weiter gedreht

Als Charles de Gaulle und Konrad Adenauer ihn am 22. Januar 1963 unterzeichneten, leitete der Elysée-Vertrag die Ära der deutsch-französischen Freundschaft ein. Jetzt soll er neu aufgelegt werden. Daniel Cohn-Bendit hält das für sinnvoll.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Emmanuel Macron und Angela Merkel würdigten den Elysée-Vertrag als Meilenstein in der Geschichte der deutsch-französischen Freundschaft. Zur weiteren Vertiefung soll noch in diesem Jahr ein neuer Elysée-Vertrag geschlossen werden. Daniel Cohn-Bendit steht als politischer Grenzgänger wie kaum ein zweiter für die deutsch-französische Verständigung. 20 Jahre lang saß er abwechselnd für die französischen und deutschen Grünen im Europa-Parlament.

Bayern 2-radioWelt: Braucht es tatsächlich einen neuen Elysée-Vertrag? Ist der alte Vertrag nicht mehr tragfähig genug?

Daniel Cohn-Bendit: Der Elysée-Vertrag war Ergebnis der Politik von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle. Beide sind nicht mehr auf dieser Welt. Damals ging es um die Situation, wie man sie damals gesehen hat. Heute haben wir eine globalisierte Welt, die anders aussieht als damals. Wenn man Deutschland und Frankreich als Motor versteht für eine Erneuerung, für eine Vertiefung Europas, dann muss im Elysée-Vertrag etwas Neues formuliert werden. Deswegen ist der Vorschlag von Emmanuel Macron, der von der Bundeskanzlerin aufgenommen wurde, richtig.

radioWelt: Was ist denn das Neue, was da formuliert werden muss?

Daniel Cohn-Bendit: Es muss gesagt werden, wie Deutschland und Frankreich sich perspektivisch in Europa verhalten werden. Wenn wir sagen, wir brauchen eine neue Sicherheitspolitik, perspektivisch eine neue Armee, dann muss klargemacht werden, wie Deutschland und Frankreich sich im Kern sicherheitspolitisch verzahnen wollen. Wenn wir eine Angleichung der Unternehmenssteuer brauchen. Im Elysée-Vertrag soll im Kern formuliert werden, wie sich diese beiden Länder jetzt verhalten werden gegenüber den Herausforderungen einer globalisierten, sehr komplexen Welt.

radioWelt: Aber müsste das nicht auf europäischer Ebene geschehen, statt bilateral?

Daniel Cohn-Bendit: Ich glaube, es muss klar werden in Europa, welche gemeinsame Position Deutschland und Frankreich formulieren. Europäische Verhandlungen sind umso schwieriger, wenn man die Ausgangssituation nicht verbessert. Eine deutsch-französische Position, eine Stärkung der deutsch-französischen Vorstellung, ist die Voraussetzung, damit das auch in Europa verhandelt werden kann. Wenn wir das nicht zwischen Deutschland und Frankreich schaffen, dann werden wir das in dem zersplitterten Europa von heute noch weniger schaffen.

radioWelt: Ist das jetzt ein Plädoyer für ein Kern-Europa?

Daniel Cohn-Bendit: Das ist de facto so. Wir haben einen Kern Europa zwischen dem Europa des Euro und dem Europa, das den Euro nicht. Und wenn sie eine gemeinsame Währung haben, dann müssen Sie eine gemeinsame Steuer-Konvergenz anstreben. Sie müssen eine gemeinsame Fiskalpolitik und Sozialpolitik ansteuern. Das alles muss im Elysée-Vertrag angedacht werden.

radioWelt: Ist das deutsch-französische Verhältnis denn wirklich so ungetrübt?

Daniel Cohn-Bendit: Ich bitte Sie! Ich bin 1945 geboren. Stellen Sie sich mal vor, ich hätte meinen Eltern bei meiner Geburt erzählt, in 50, 60 Jahren wird es keine Grenze mehr zwischen Deutschland und Frankreich geben, dann wird der Rhein ein gemeinsamer Fluss sein. Es wird angedacht, eine gemeinsame Polizei zu haben. Meine Eltern hätten gesagt: Wir haben ein Problem, er redet zu früh und sagt Quatsch. Sie können doch nicht ernsthaft fragen: Ist das deutsch-französische Verhältnis stabil? Gucken Sie sich die Geschichte an. Alle 30 Jahre haben diese beiden Länder Krieg geführt. Heute ist Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausgeschlossen. Das ist eine zivilisatorische Leistung! Natürlich gibt es kleine Probleme, aber grundsätzlich ist das deutsch-französische Verhältnis ein solcher Quantensprung in der europäischen Geschichte, dass man diese Frage wirklich nur rhetorisch stellen kann.