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Angela Merkel

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Neujahrsansprache der Kanzlerin: "Die Welt wartet nicht auf uns"

Angela Merkel hat Routine in Sachen Neujahrsansprachen – zum 13. Mal wird sie heute Abend zwischen Tagesschau und Silvesterparty in Millionen Haushalte flimmern. Doch zum ersten Mal spricht sie als Kanzlerin ohne richtige Regierung. Von Martin Mair

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Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der typische Kanzlerinnen-Blazer ist in diesem Jahr tiefrot mit schwarzen Ornamenten. Angela Merkel sitzt an ihrem Schreibtisch im Kanzleramt: links ein Blumenstrauß, rechts Deutschland- und Europa-Fahne. Im Rücken ein Fenster mit Blick auf den Reichstag. Die Kulisse ist vertraut, alles wirkt wie immer bei Neujahrsansprache Nummer 13. Doch zum ersten Mal spricht die Kanzlerin als geschäftsführende Amtsinhaberin, nach dem Aus der Jamaika-Verhandlungen steht sie ohne neue Regierung da.

Turbulente Zeiten

Deutschland in turbulenten Zeiten – diese Botschaft ist tief in den Redetext eingewebt. Politiker hätten aber den Auftrag, sich um "die Herausforderungen der Zukunft zu kümmern und dabei die Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger im Auge zu haben". Dem, so erklärt Merkel, fühle sie sich verpflichtet: "Auch und gerade bei der Arbeit daran, für Deutschland im neuen Jahr zügig eine stabile Regierung zu bilden."

Nur was "zügig" konkret bedeutet, sagt die Kanzlerin nicht. Vielmehr versucht sie in ihrer sechsminütigen Neujahrsansprache, ein diffuses Gefühl zu beschreiben, das ihr bei ihren Reisen durch die Republik begegnet. Das Gefühl eines Deutschlands, das gespalten ist: weltoffen und vielfältig, wirtschaftlich stark und erfolgreich auf der einen Seite. Auf der Anderen aber auch ein Land, in dem es Sorgen vor Veränderungen, Kriminalität und Zuwanderung gibt. "Beides sind Realitäten in unserem Land: der Erfolg und die Zuversicht, aber auch die Ängste und die Zweifel“, sagt Merkel.

Leitgedanke Soziale Marktwirtschaft

All das nennt die CDU-Chefin Ansporn. Ansporn für sich selbst weiterzumachen. "Die Welt wartet nicht auf uns", sagt sie. Und deshalb müssten jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, dass es Deutschland auch in 15 Jahren gut gehe. Als Leitgedanken nennt sie dabei die soziale Marktwirtschaft, für die "wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Zusammenhalt zwei Seiten einer Medaille sind, auch in der Zeit des digitalen Fortschritts." Und das könne ein Kompass für die Zukunft sein.

Dieses Bild bemüht Merkel regelmäßig. Sie untermalt es mit den immer gleichen Beispielen: sichere Jobs, Bildung aber auch Soziales. Familien etwa müssten im Mittelpunkt stehen, der Staat für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen sorgen. Vieles was Merkel sagt klingt nach Textbausteinen. Auch das, was sie über die Zukunft des Landes denkt: "Die Zukunft Deutschlands ist bei all dem untrennbar mit der Zukunft Europas verbunden. 27 Staaten in Europa müssen stärker denn je dazu bewogen werden, als eine Gemeinschaft zusammenzuhalten."

"Vielstimmiger Gesellschaft"

Nun wäre es zu viel verlangt von Merkel, in einer Neujahrsansprache konkrete Antworten zu geben. Mitreißend wird ihr Auftritt so allerdings nicht. Erst ganz zum Schluss sorgt die Kanzlerin doch für eine kleine Überraschung. Ausgerechnet sie, die so gerne klare Verhältnisse hat, sagt nämlich: "Das Ringen um richtige Antworten gehört zu einer lebendigen Demokratie. Wir sind - im besten Sinne - eine vielstimmige Gesellschaft."

Und die müsse sich stärker bewusst machen, was sie im Innersten zusammenhalte. Das Gemeinsame deutlicher in den Vordergrund stellen, Achtung vor dem anderen zu haben - das seien ihre Wünsche für 2018, sagt sie ganz zum Schluss.

Angela Merkel lächelt noch kurz in die Kamera - es wirkt mehr bemüht denn herzlich. Die 13. Neujahrsansprache in ihrer Karriere ist eben doch eine besondere für die Kanzlerin. Eine zum Abschluss eines turbulenten Jahres.