Krankenwagen in einer seitlichen Nahaufnahme mit Fahrerkabine

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Wenn Rettungskräfte vor verschlossener Schranke stehen

Eine Frau ertrinkt fast im Waldschwaigsee, weil Rettungsfahrzeuge vor einer versperrten Schranke stehen. Couragierte Badegäste haben die Frau reanimiert. Wie konnte das passieren? Von David Friedmann

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Sonntag vor einer Woche – Sanitäter vom Roten Kreuz werden an den Waldschwaigsee im Landkreis Dachau gerufen. Eine Frau sei am Ertrinken. Als die Helfer mit ihrem Rettungsfahrzeug an den See wollen, stehen sie vor einer versperrten Schranke. Kostbare Minuten vergehen und es ist nur couragierten Badegästen zu verdanken, dass die Frau reanimiert werden konnte und noch lebt. Denn die Helfer hatten vergeblich nach dem Schrankenschlüssel gefahndet.

Tatsächlich handelte es sich um eine absolute Ausnahmesituation, versichert Paul Polyfka, der Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes in Dachau. Dass die Rettungskräfte an einem versperrten Zufahrtsweg scheitern, "das kommt ganz, ganz selten vor."               

Rettungskräfte vor verschlossener Schranke

Im speziellen Fall am Waldschwaigsee bei Karlsfeld im Landkreis Dachau sei vor langer Zeit ein Hängeschloss angebracht und der Schüssel an unbekannter Stelle deponiert worden. Da habe nicht einmal der Bolzenschneider was geholfen, den Rettungsteams standardmäßig an Bord mitführen:

"So, wie’s mir die Kollegen berichtet haben, war das Schloss an der Schranke beim Waldschwaigsee einfach zu mächtig, zu dick. Das haben wir mit dem Bolzenschneider nicht aufbekommen." Paul Polyfka, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes in Dachau.

Normalerweise, so Polyfka, wären derartige Schranken eigentlich mit einem Dreikantschlüssel zu öffnen gewesen. Am Waldschwaigsee aber habe die Gemeinde Karlsfeld, als Grundbesitzerin, zusätzlich ein Vorhängeschloss angebracht. Das sollte Autofahrer daran hindern, direkt ans Seeufer zu fahren. Dabei habe man wahrscheinlich vergessen, Bescheid zu geben:

"Wir selber besitzen keine Schlüssel auf den Rettungswegen, allein aus dem Grund, weil wir ja nie wissen welcher Rettungswagen zum Unfallort gerufen wird. Es kommt nicht selten vor, insbesondere im Gebiet vom Waldschwaigsee, dass Rettungswagen aus anderen Landkreisen angefordert werden. Das heißt wir müssten dann auch Münchner, Brucker Rettungswagen mit Schlüsseln ausstatten und das macht keinen Sinn." Paul Polyfka, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes in Dachau.

Abhilfe schaffen standardisierte Schlüssel oder Bolzenschneider

Vor dem gleichen Problem stehen auch Rettungskräfte in München. Hin und wieder stehen auch sie vor gesperrten Schranken und Pollern, wissen sich dann aber meist zu helfen.

"Also im Einsatzgebiet in München kommt das eher selten vor. Viele neuralgische Punkte, wo Poller gesetzt sind oder Schranken, sind mit einer sogenannten ‚Feuerwehrschließung‘ zu schließen. Das sind spezielle Schlüssel, die alle Rettungswagen am Schlüsselbund haben, mit denen sie solche Schranken und Poller öffnen können." Sönke Lase, Leiter des BRK-Rettungsdienstes in München

Wer genau hinschaut, sieht an den versperrten Schranken und Pollern kleine Kästchen. Sogenannte "Feuerwehrschließungen". Jeder Feuerwehr-Einsatzleiter hat einen standardisierten Schlüssel, mit dem er oder sie die Schranke öffnen oder die Poller versenken kann. Wo das nicht möglich ist, weil ein Hausmeister nachträglich ein Vorhängeschloss angebracht hat, kommen Bolzenschneider und Stemmeisen zum Einsatz. Auch wenn damit Eigentum, in dem Fall ein Schloss, demoliert wird:

"Es ist natürlich eine Güter-, eine Interessensabwägung. Wir sind dort in der Regel durch Paragraph 34 des Strafgesetzbuches geschützt, weil wir uns bei lebensrettenden Maßnahmen den Zugang verschaffen müssen." Sönke Lase, Leiter des BRK-Rettungsdienstes in München

Wer nach Paragraph 34 StGB "eine Tat begeht (…), um die Gefahr von sich und einem andere abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen (…) das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt." Sprich, das Leben eines Menschen überwiegt die Existenz eines Vorhängeschlosses und erlaubt dessen Zerstörung mittels eines Bolzenschneiders. Das Gleiche gilt übrigens auch für Autos, die wiederrechtlich vor Pollern geparkt sind:

"Das ist natürlich ein Ärgernis im Einsatz." Sönke Lase, Leiter des BRK-Rettungsdienstes in München

Schranke am Waldschwaigsee wird abgebaut

Am Waldschwaigsee bei Karlsfeld demontieren die Bauhofmitarbeiter nun die Schranke und ersetzen sie durch drei oder vier Poller, die mit einem speziellen Dreikantschlüssel überwunden werden können.