Einer Patientin wird in einer Arztpraxis Blut abgenommen
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Blutabnahme in einer Arztpraxis

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Medizinische Versorgungszentren weisen Kritik aus Bayern zurück

Medizinische Versorgungszentren, die Investoren gehören, sind nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns schlecht für Patienten. Auch Gesundheitsminister Holetschek sieht solche MVZ skeptisch. Die wehren sich nun gegen die Vorwürfe.

Werden Patienten in Medizinischen Versorgungszentren, die Investoren gehören, vor allem als Umsatzbringer gesehen? Im Streit über diese Frage geht der Dachverband der Großpraxen jetzt in die Gegenoffensive. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hatte vorletzte Woche erneut davor gewarnt, dass bei MVZ, die nicht von Ärzten, sondern von Kapitalgesellschaften betrieben werden, Rendite oft wichtiger sei als die Gesundheit der Patienten. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat sich den Warnungen der KVB immer wieder angeschlossen.

Die KVB sieht sich durch ein Anfang des Monats veröffentlichtes Gutachten des Berliner IGES-Forschungsinstituts in ihrer Einschätzung bestätigt. Das private Forschungsinstitut kommt unter anderem zu dem Ergebnis: "Auffällig ist das höhere Honorarvolumen, welches MVZ abrechnen." Der Bundesverband Medizinische Versorgungszentren (BMVZ) weist die Kritik allerdings zurück. Eine genauere Betrachtung des 341 Seiten starken IGES-Gutachtens ergebe, dass die Schlüsse der KVB "mindestens irreführend“ seien, erklärt der Verband.

Warnung vor MVZ-Regulierung

Die Studienautoren des IGES-Instituts stellen fest, dass MVZ insgesamt um 5,7 Prozent mehr Honorar je Fall abrechnen als es traditionelle Praxen tun. Bei MVZ, die Finanzinvestoren gehören, beträgt der Abstand laut der Studie 10,4 Prozent. Der Bundesverband Medizinische Versorgungszentren kann diese Berechnungen nicht nachvollziehen. Unter anderem sei gar nicht klar, wie von Finanzinvestoren getragene MVZ von anderen MVZ genau abgrenzt werden, argumentiert der BMVZ. Das IGES-Institut habe im Auftrag der bayerischen KV eine "verengte Sichtweise“ eingenommen. Es würden "Fakten und Ansätze ausgeblendet, die nicht zur gewünschten Aussage passen“, kritisiert der MVZ-Verband.

Die Verbands-Geschäftsführerin Susanne Müller befürchtet, dass der politische Druck erhöht werden soll, um zumindest das Wachstum von MVZ zu bremsen oder sie zurückzudrängen. Das würde allerdings ihrer Ansicht nach eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens behindern. Bayern ist mit zuletzt 536 MVZ das Bundesland mit den meisten Einrichtungen dieser Art. Nach Zählung des IGES-Instituts waren 41 davon Ende 2019 Finanzinvestoren zuzurechnen.

Hinweise auf Umsatz-Optimierung

Bei Recherchen von NDR und BR hatten einzelne Zahnärzte und Ärzte, die in investorengetragenen MVZ beschäftigt sind, davon berichtet, dass sie von den Eigentümern der Großpraxen immer wieder angehalten würden, auf möglichst hohe Umsätze zu achten. Der MVZ-Verband bestreitet allerdings, dass solche Stimmen ein Beleg für "systematische Unterschiede“ zwischen MVZ und traditionellen Praxen seien. Ein Beweis dafür sei auch in der umfangreichen IGES-Studie im Auftrag der KVB "nicht gelungen“.

Nicht geplante Entwicklung

Die Frage, ob MVZ stärker reguliert werden sollten, sorgt schon seit etlichen Jahren auf verschiedenen politischen Ebenen für Debatten. Die SPD-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte die Gründung von MVZ im Jahr 2004 ermöglicht. Das Ziel: Ärzte sollten mehr wirtschaftlichen Spielraum für eine Zusammenarbeit haben als in traditionellen Gemeinschaftspraxen. Auch die Möglichkeiten, als Angestellte zu arbeiten, sollten einfacher werden. Allerdings haben vor allem in den vergangenen fünf Jahren auch Investorengruppen, die nicht aus dem Medizinbereich kommen, immer stärker die Chance genutzt, Geld in MVZ fließen zu lassen.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hatte deshalb im Oktober des vergangenen Jahres vor dem Risiko gewarnt, dass "renditeorientierte Investoren Einfluss auf die Gesundheitsversorgung nehmen“. Die Bundesregierung müsse "rasch handeln“, forderte der CSU-Politiker. Die Veröffentlichung der IGES-Studie Anfang des Monats hat Holetschek in seiner Einschätzung bestärkt. Der Bund sei jetzt am Zug. "Es darf keine Zeit mehr verschwendet werden“, sagte er.

Landespolitik unter Lobby-Einfluss?

Nach Einschätzung des MVZ-Verbandes gibt es aber beträchtliche Unterschiede in den Perspektiven von Landespolitikern wie Holetschek und anderen politischen Ebenen. Die BMVZ-Geschäftsführerin Müller ist der Ansicht, viele Kommunalpolitiker seien „sehr offen“ für Medizinische Versorgungszentren, egal in welcher Trägerschaft. Denn für die Kommunalpolitik zähle die Versorgung vor Ort.

Landespolitiker hätten hingegen "zu wenig Nähe zu den praktischen Problemen“ in der Gesundheitsversorgung, glaubt die BMVZ-Geschäftsführerin. Gleichzeitig fehle in der Landespolitik der "Überblick über das große Ganze“. Deswegen setzten die Kassenärztlichen Vereinigungen mit ihrer "Interessenpolitik“ bewusst auf dieser Ebene an.

In der Bundespolitik habe man gleichzeitig erkannt, dass MVZ "ein unverzichtbarer Bestandteil der Versorgungslandschaft“ seien. Außerdem sei Gesundheitspolitikerinnen und –politikern in Berlin bewusst, dass es rechtlich "kaum umsetzbar“ sei, Spezialvorschriften für investorengetragene MVZ zu erlassen, die für andere MVZ, die etwa im Besitz von Ärzten sind, nicht gelten.

Forderung nach Arbeitsgruppe bisher folgenlos

Die Gesundheitsministerkonferenz der Bundesländer hat Anfang April erneut gefordert, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzusetzen, die neue Regeln für MVZs erarbeiten soll. Entsprechende Beschlüsse hatte die Länder-Gesundheitsministerkonferenz auch 2021 und 2020 schon getroffen. Das Bundesgesundheitsministerium sieht bislang aber keine Notwendigkeit, eine solche Arbeitsgruppe einzusetzen.

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