Eine Schiedsrichterkabine im Bayerischen Wald.
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Eine Schiedsrichterkabine im Bayerischen Wald.

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Fußball-Schiedsrichter: "Warum soll ich mir das noch antun?"

Die Situation im deutschen Amateurfußball ist angespannt. Jahr für Jahr geht die Zahl der Schiedsrichter zurück. Denn Beleidigungen gehören zu dem Job heute dazu. Vielen Vereinen scheint nicht bewusst zu sein, was damit auf sie zukommen könnte.

Roland Schrank hat in den vergangenen zehn Jahren immer wieder versucht, ein und dasselbe Problem zu lösen: Schiedsrichter für Fußballspiele zu finden. Er war Einteiler für die Schiedsrichter-Gruppe Bayerwald. "Es war Woche für Woche eine große Herausforderung, Schiedsrichter für jedes Amateurspiel zu finden. Teilweise musste ich ehemalige Schiedsrichter reaktivieren, um jedes Spiel besetzen zu können", erinnert er sich. Erst vor wenigen Monaten hörte er mit dem Job auf.

DFB: 45 Prozent weniger Schiedsrichter in Bayern

Der "Lagebericht Amateurfußball" bestätigt das Problem. Während 2010 noch 16.150 Schiedsrichter in bayerischen Amateurligen aktiv waren, griffen in der Saison 2019/20 nur noch rund 8.900 zur Pfeife. Während bundesweit im vergangenen Jahr 2.000 neue Schiedsrichter dazu kamen, hörten zeitgleich 7.500 Unparteiische auf.

Online-Lehrgänge werden kaum angenommen

Die Corona-Pandemie verschärft die Situation weiter. Durch die Einstellung des Spielbetriebes hörten zum einen viele ältere Schiedsrichter früher auf. Zum anderen fanden Lehrgänge ausschließlich digital statt. Für den Schiedsrichterlehrgang von Roland Schrank hat sich im vergangen Jahr nur eine Person angemeldet. Vor Corona waren es immer mindestens zehn Leute.

Besonders ländlicher Raum betroffen

Den Abwärtstrend gibt es bundesweit, allerdings ist nicht jede Region gleichermaßen stark betroffen. Besonders die Einteiler im ländlichen Raum wie etwa in der Region Bayerwald haben Schwierigkeiten, Schiedsrichteranwärter zu finden. In Ballungszentren wie München gibt es hingegen keine Nachwuchssorgen.

Josef Sigl, ehemaliger Stellvertreter von Roland Schrank, sieht einen Grund darin, dass sich die Interessen der jungen Leute verändert haben. "Fußballer, die ihre aktive Karriere beenden mussten, sind dem Sport früher treu geblieben, indem sie Schiedsrichter geworden sind. Heute wenden sie sich eher anderen Dingen zu."

Forschung zu Gewalt an Schiedsrichtern

Dr. Thaya Vester, Kriminologin von der Uni Tübingen, forscht seit Jahren zum Thema "Gewalt gegen Schiedsrichter". Für sie liegen die Gründe in der wachsenden Respektlosigkeit, in Gewalterfahrungen und mangelnder Solidarität gegenüber Schiedsrichtern. Daraus ergibt sich laut Sigl und Vester die Frage: "Warum soll ich mir das noch antun?"

Vereine in die Pflicht nehmen

Vester ist der Meinung, es müssten mehr Frauen für das Ehrenamt angeworben werden, da sie massiv unterrepräsentiert sind. "Hier ist viel Potenzial verschenkt worden", findet die Kriminologin.

Um die Situation der Schiedsrichter zu verbessern, sehen sowohl Schrank, Sigl als auch Vester die Vereine in der Pflicht. Aktuell ist es so, dass Vereine eine Geldstrafe zahlen müssen, wenn sie keinen Schiedsrichter stellen können. "Das ist zu unwirksam. Die Vereine nehmen diese Sanktion billigend in Kauf", sagt Roland Schrank. Er schlägt vor, die Vereine stattdessen mit Punktabzügen zu bestrafen.

Dieser Beitrag entstand in der Lehrredaktion Audio/Video des Studiengangs Journalismus und Kommunikation an der Universität Passau in Zusammenarbeit mit Journalistinnen und Journalisten aus dem BR-Studio Niederbayern/Oberpfalz. Weitere Geschichten über Menschen und Organisationen auf der Suche nach Nachfolgern, finden Sie unter www.br24.de/niederbayern.

Schild "Wer den Schiedsrichter beschimpft oder beleidigt, muss mit Verweisung vom Sportgelände rechnen"
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Schild "Wer den Schiedsrichter beschimpft oder beleidigt, muss mit Verweisung vom Sportgelände rechnen"

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