Franken - Kultur


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Bis zum Dritten Reich Zwischen Aufstiegen und Abstürzen

Der Grundstein für Selb als die Porzellanstadt schlechthin wurde durch Lorenz Hutschenreuther gelegt. In der Folge sorgte von allem eine bessere Verkehrsanbindung für den Boom der Porzellanindustrie in Oberfranken.

Stand: 29.04.2010 | Archiv

In der Porzellan-Manufaktur Heinrich in Selb | Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F006620-0025 / CC-BY-SA

Die Roh- und Brennstoffversorgung sowie der Warentransport  wurden durch den Bau der Eisenbahnlinie zwischen Hof und Asch erheblich erleichtert. Die Züge hielten auch am Bahnhof Selb-Plößberg. 1865 nahm die Bahnlinie ihren Betrieb auf. Nun wollten auch andere vom Standort Selb profitieren. 1866 baute Jacob Zeidler seine Porzellanfabrik. 1879 begründete der Porzellanmaler Philipp Rosenthal die gleichnamige Firma, die es später zu Weltruhm brachte. Zuvor hatte Rosenthal sein Porzellan von Lorenz Hutschenreuther und von Jacob Zeidler gekauft, dann wollte er selbst in die Produktion einsteigen. Ihm gleich taten es  Christoph Krautheim und Franz Heinrich, während sich andere in der Umgebung von Selb ansiedelten.

Dominierende Porzellanregion in Europa

Altes Brennhaus mit Rundofen

Anfang des 20. Jahrhunderts wandelten etliche Unternehmen ihre Familienbetriebe in Aktiengesellschaften um. Das sorgte für einen Geldsegen, der in die Modernisierung der Produktionsanlagen investiert wurde. Dazu kamen noch große, zusammenhängende Flächen, weiterhin niedrige Löhne und die günstige Lage für die Beschaffung von Rohstoffen. Dies alles zusammengenommen vergrößerte den Vorsprung zu anderen Porzellanregionen in Europa. Der Aufstieg zur dominierenden Porzellanregion in Europa war nicht mehr aufzuhalten.

Zulieferer siedeln sich an

Als der Begriff "Global Player" noch nicht einmal erfunden war: in Selb war er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schon Realität: Die Porzellanindustrie exportierte nach Nord- und Südamerika sowie nach Süd-, Ost- und Nordeuropa. Um die Absätze zu sichern, spezialisierten sich die Betriebe auf bestimmte Zielgruppen. Das setzte sich auch im 20. Jahrhundert so fort. Die Städte der einst ländlichen Region wuchsen und wuchsen. Selb hatte 1855 gerade einmal 3.500 Einwohner. 1939 waren es 13.000. Auch Zulieferer siedelten sich an oder Unternehmen, die speziell für die Porzellanindustrie Maschinen herstellten.

Die Lage wird dramatisch

Gießkarussel

Der erste Weltkrieg geht auch an der Porzellanindustrie nicht spurlos vorbei. Zuerst stockte der Export, 1917 bricht auch der inländische Markt zusammen. Die 1920er Jahre bringen noch einmal eine Blütezeit. Fast über Nacht kam dann 1926 ein gewaltiger Einbruch: Nach einer ununterbrochenen Aufwärtsentwicklung hatten die Menschen in der Inflationszeit ihr Heil in Sachwerten gesucht. Nun konnte ein großer Teil der Produktion nicht mehr auf dem Markt untergebracht werden. Betriebsschließungen oder zumindest Betriebsstilllegungen und Zusammenschlüsse waren die Folge. Durch die Weltwirtschaftskrise wurde die Lage noch dramatischer.

Noch nie dagewesener Boom

Anfang der 1930er Jahre entschlossen sich einige Selber Männer zu einer Verzweiflungstat: Sie zogen mit einer auf Rädern gelagerten, 14 Zentner schweren und über vier Meter hohen Kaffeekanne quer durch Deutschland. Die Riesenkanne trug die Aufschrift: "Kauft Porzellan". Doch erst am Ende des Jahrzehnts kam die Porzellanindustrie wieder auf die Beine. Dann kam der Zweite Weltkrieg, von dem zumindest die Gebäude der Porzellanfabriken verschont blieben. In Europa lagen nicht nur die Wohnungen in Schutt und Asche. Der Porzellanbedarf war immens. Nach der Währungsreform 1948 standen die Menschen in langen Schlangen vor den Geschäften. Die Porzellanindustrie erlebte einen noch nie dagewesenen Boom.


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