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Campus Reportage Zwischen Chemo und Klausuren - Studieren mit Krebs

Mitten im Studium die Diagnose Krebs zu erfahren, ist ein Schock. Doch die Chancen, die Erkrankung zu überleben sind besser als je zuvor. Aber nach dem Therapiemarathon weiter zu studieren, ist das zu schaffen?

Von: Monika Haas, Stefanie Grolig

Stand: 01.05.2021

Diagnose Krebs- ein Schock für Dimitri und Felix – zwei aktive Studenten, beide studieren im Bachelor. Dimitri Elektrotechnik an der Hochschule Bremen, Felix Pflege Dual  an der Katholischen Stiftungshochschule München, dann bekommen sie die Diagnose: Krebs. Ihre Hoffnung:  gesund werden, weiter studieren. Wie das nach der Therapie  gelingen kann?  Campus- Reportage begleitet sie bei ihrem Neustart im Sommersemester 2018.

"Ich hatte großes Glück, weil mich meine Kommilitonen toll unterstützt haben und auch die Hochschule offen war für meine Situation, mir da auch zu helfen."

Felix, Student Stiftungsfachhochschule München

"Mein Studium, mein Wunsch zu studieren hat mich immer motiviert durchzuhalten, gesund zu werden."

Dimitri, Student Hochschule Bremen

Krebs - eine unerwartete Diagnose

Krebs betrifft zwar vor allem ältere Menschen, doch  - Dimitri und Felix  gehören zu rund 15 000 jungen Erwachsenen, die in Deutschland jedes Jahr an Krebs erkranken. Besonders häufig leiden junge Patienten an Lymphdrüsenkrebs-Erkrankungen, Leukämien aber auch Brust- oder Hodenkrebs. Die größte Gefahr geht von einer zu späten Diagnosestellung aus, denn die Überlebensrate junger Erwachsener ist vergleichsweise hoch, rund 80% der Betroffenen überstehen ihre Erkrankung.

Diagnose Krebs - ein großer Schock, doch es gibt Hoffung

Die Diagnose, wirft sie in jedem Fall aus ihrem bisherigen Leben, und das in einem Alter, das geprägt ist vom Wunsch, sich selbständig die eigene Zukunft aufzubauen. Während ihre Kommilitonen ins Auslandssemester starten oder für Klausuren lernen, sind sie herausgerissen aus ihrem Studentenalltag – und müssen erstmal überleben.

Erste Schritte zurück ins eigene Leben

"Ich konnte auch während der ambulanten Chemo mit Mundschutz ab und zu mal an der Hochschule vorbeischauen, und war da einfach mehr als nur der Kranke."

Felix, Student Stiftungsfachhochschule München

Vollkommene Entwarnung gibt es für Betroffene leider nicht. Krebs ist eine chronische Erkrankung, die weiter überwacht werden muss. Außerdem haben Bestrahlungen, Chemo- und Antikörperbehandlung auch Nebenwirkungen, die Patienten noch nach dem Therapieende begleiten. Konzentrationsschwierigkeiten, Stress-Labilität oder depressive Phasen, die als Spätfolgen typisch sind. „Chemobrain“ nennen Experten z.B. die unmittelbaren Folgen für das Gehirn. Denn die Therapie greift nicht nur die Krebszellen, sondern alle Zellen im Körper an. Die Folgen: Körper und Seele leiden. Seine physische Schwäche belastet Dimitri am meisten. Felix kann nicht mehr im Schichtdienst als Pfleger arbeiten. Trotzdem: beide trainieren viel und konzentrieren sich jetzt wieder auf ihr Studium – und sie achten darauf, trotz Klausuren und Prüfungsstress ein ausgeglichenes, gesundes und bewusstes Leben zu führen.

"Ich hatte das Ziel gesund zu werden, jetzt bin ich gesund. Aber jetzt bin ich auch irgendwie in einer Art Findungsphase. Aber mein Studium, Elektrotechnik, will ich auf jeden Fall schaffen."

Dimitri, Student Hochschule Bremen

Felix und Dimitri können dank ihrer Eltern, Familie und Freunde und mithilfe ihrer Hochschulen weiter studieren. Auch wenn sie bis zum Abschluss ein paar Semester länger brauchen als Gesunde.

"Jetzt lebe ich bewusster, achte mehr auf mich, ich möchte  nach dem Bachelor jetzt noch den Master Projektmanagement machen damit habe ich auch eine neue Perspektive."

Felix, Student Stiftungsfachhochschule München

Studieren trotz Krebserkrankung – wo gibt es Unterstützung?

Wer an Krebs erkrankt, sollte, so wie Dimitri und Felix  möglichst bald nach der Diagnose  die Hochschule über die Krankschreibung informieren.

Direkte Ansprechpartner können Studiengangkoordinatoren, Dozenten oder Professoren sein, viele Hochschulen, Universitäten und die Studentenwerke haben aber auch eigene Beratungsstellen für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen.

Studieren mit Krebs

Anträge sofort stellen

Junge Krebspatienten bringen Diagnose und Therapie auch in finanzielle Schwierigkeiten: schnell hat man Berge an Rechnungen zu bezahlen.

  • Einmalige Soforthilfe bietet der Härtefonds der Deutschen Krebshilfe
  • Zuzahlungsbefreiung bei der Krankenkasse
  • Vergünstigungen durch den Schwerbehindertenausweis
  • Erwerbsminderungsrente beantragen

Immatrikuliert bleiben

Erstmal   ein Kranken- oder Urlaubssemester beantragen - so riskiert ihr  nicht, euren Studien- oder Wohnheimplatz oder die Familienversicherung über die Eltern zu verlieren. Rückmeldung nicht vergessen!

Wann exmatrikulieren?

Erst nach der Exmatrikulation zahlt der Staat Bedürftigen eine Hilfe zur Lebensgrundsicherung, also Hartz4. Manche Hochschulen bieten an, den Studienplatz  „ruhen zu lassen“ - so könnt ihr den Semesterbeitrag sparen und später direkt ins nächste Semester starten.

Beratungsstellen an den Universitäten

Egal, ob es konkret um mehr  Zeit beim Bearbeiten von Prüfungen oder bei der Abgabe von Hausarbeiten geht – ein Nachteilsausgleich steht Studierenden mit schweren und chronischen Erkrankungen zu.  Das Inklusionsteam der LMU Universität fördert den Ausbau von Ruheräumen. In diesen Rückzugsorten können sich beeinträchtigte Studierende  auf Prüfungen vorbereiten oder auch nach einer anstrengenden Vorlesung einfach ausruhen.

Wartezimmer oder Ruheräume

Die Betreuung an der LMU umfasst weiterhin Hilfen bei der Bücherausleihe oder beim Scannen von Studienunterlagen, falls sich  Einschränkungen  beim Sehen, Hören, Sprechen oder auch bei der Beweglichkeit und Belastbarkeit bemerkbar werden.  Die einzelnen Fakultäten der Universität setzen seit kurzem  eigene Inklusionstutoren ein. Diese können konkrete Fragen zur eigenen Fakultät beantworten und den Weg weisen, wie  Betroffene mit Dozenten und Prüfungsamt in Kontakt kommen.

"Vielen Studenten und Studentinnen fällt es erst mal sehr schwer, auf uns zuzukommen. Wenn sie sich aber dazu überwunden haben, können wir als Universität ihnen auch mehr entgegenkommen."

Verena Weltz-Huber, Inklusionsteam LMU München

Wenn Betroffene oder Freunde und Familie eines/r Erkrankten Fragen zu sozialen und rechtlichen Aspekten der Krebserkrankung haben, helfen die Studentenwerke weiter. Die Einrichtungen  kümmern sich um Themen wie Wohnen und soziale Absicherung und beraten betroffene Studierende zu Hilfsangeboten bei einer chronischer Erkrankung wie Krebs.


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