BR Fernsehen - Gesundheit!


8

Female Athlete Triad und RED-S Gendermedizin im Sport - Warum "zyklusorientiertes Training" Frauen stärker macht

Das Krankheitsbild Female Athlete Triad betrifft vor allem weibliche Sportlerinnen deren spezielle weibliche Physis. Zyklusunregelmäßigkeiten oder das komplette Ausbleiben der Menstruation sind Warnsignale dafür. Ob Sportwelt oder Medizin, beide orientieren sich bisher weitgehend am Maßstab des männlichen Körpers. Doch das soll sich durch eine personalisierte Medizin, die beiden Geschlechtern gerecht wird, ändern.

Von: Isabel Hertweck-Stücken

Stand: 13.02.2023

Patientinnen und Sportlerinnen geben sich nicht länger damit zufrieden, bei Behandlung oder Training nur die zweite Geige zu spielen. Da auch Männer von der neuen, geschlechts-sensiblen Behandlung profitieren könnten, ist die Gendermedizin längst raus aus der feministischen Ecke und auf dem Weg in die personalisierte Medizin, von der alle Individuen, männlich, weiblich und divers, profitieren werden. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. | Bild: BR/Bilderfest GmbH/David da Cruz

Risiko RED-S: Warum Sportlerinnen auf ihren Zyklus achten sollten

Läuferin Steffi Platt bei Dreharbeiten in ihrer Berliner Wohnung.

Steffi Platt ist leidenschaftliche Läuferin - als Jugendliche gewann sie auf der Mittelstrecke Meisterschaften, später entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Langstrecke, von Crossläufen über Marathons bis hin zu Ultramarathonläufen überall auf der Welt.

2019 dann der Karriere-Knick: Bei einem Trainingslauf erleidet Steffi Platt einen sogenannten Ermüdungsbruch im Kreuzbein - ohne Sturz oder Verletzung bildet sich ein Riss in dem Knochen, der die Wirbelsäule mit dem Becken verbindet. Lauf-Training ist monatelang nicht möglich, jeder Schritt wird zur Qual.

Erschreckend häufig: RED-S bei Sportlerinnen

Für Ärztin Claudia Römer von der Sportmedizin der Charité in Berlin ist Steffis Fall nicht ungewöhnlich. Erschreckend häufig sieht sie vor allem bei Sportlerinnen ein Krankheitsbild, das als "female athlete triad" oder "RED-S - Relatives Energiedefizit Syndrom" bezeichnet wird. Es ist gekennzeichnet von exzessivem Training in Kombination mit zu wenig Energiezufuhr, Osteoporose, d.h. Knochenmasseverlust, und von Störungen des weiblichen Zyklus.

"Bei Leistungssportlerinnen ist sogar die Prävalenz teilweise über 60 Prozent von RED-S, und auch bei ambitionierten Hobbysportlern sehen wir letztendlich auch sehr hohe Prozentzahlen von über 40 bis 50 Prozent."

- Dr. Claudia Römer, Abteilung Sportmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Das Ausbleiben der Regelblutung oder Zyklusveränderungen sind bei Frauen ein wichtiges Indiz oder Warnsignal für das RED-S: Der Körperfettanteil spielt dabei eine wesentliche Rolle.

"Frauen brauchen für die Reproduktion auch einen gewissen Körperfett-Anteil. Und da sollte man auf keinen Fall bei Frauen unter 15 Prozent sein. 15-17 Prozent ist eigentlich schon wesentlich."

- Dr. Claudia Römer, Abteilung Sportmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Wenn die weiblichen Fettdepots an Hüfte, Beinen und Bauch zu stark reduziert werden, wird die Produktion der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron vermindert, oder ganz eingestellt. Das kann gesundheitliche Folgen haben.

"Man riskiert letztendlich durch das Ausbleiben eines Zyklus, dass das Östrogenlevel zu gering ist, und da Östrogen auch ein sehr wesentlicher Teil des Knochenstoffwechsels ist, riskiert man eine zu geringe Knochendichte."

- Dr. Claudia Römer, Abteilung Sportmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Dadurch kann es im Extremfall irgendwann zu Brüchen kommen- wie bei Steffi Platt. Aber auch andere, weniger spezifische Symptome können auf ein RED-S hinweisen.

"Das wären letztendlich unspezifische Symptome, beispielsweise dass der Sportler, die Sportlerin sich schneller ermüdet fühlt, längere Regenerationsphasen braucht, auch trotz gesteigerter Trainingsintensität das Leistungslevel nicht mehr wirklich verbessert."

- Dr. Claudia Römer, Abteilung Sportmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Gynäkologisch erinnern manche Symptome der betroffenen Sportlerinnen an solche, über die manche Frauen nach der Menopause klagen: darunter auch vaginale Atrophien und Störungen der sexuellen Appetenz.

Steffi Platt hat sich seit ihrer Verletzung umfassend über das Thema "Frau und Sport" informiert, und sich mit vielen Expertinnen aus Sportmedizin, Gynäkologie und Physiotherapie vernetzt. Diese Informationen will sie jetzt anderen Sportlerinnen zugänglich machen, denn der Ermüdungsbruch, das ist ihr heute klar, hatte ein Vorgeschichte.

"Ich habe keine Ahnung gehabt, was da schon vor meinem Ermüdungsbruch in meinem Körper los war. Klar ist, ich hab viel Stress, ich hab ein großes Pensum. Was es aber für meinen weiblichen Körper, meine weibliche Physiologie bedeutet, das war mir nicht bewusst."

- Steffi Platt

Schneller und stärker: wie zyklus-orientiertes Training Frauen nach vorn bringt

Die Bedeutung der weiblichen Geschlechtshormone wurde in der Sportmedizin lange Zeit unterschätzt. Denn die meisten wissenschaftlichen Studien bezogen sich auf den männlichen Körper. Nimmt man stattdessen den weiblichen Körper in den Fokus, ergeben sich manchmal ganz neue Perspektiven.

Petra Platen ist Professorin für Sportmedizin und Sporternährung an der Ruhr-Universität Bochum, und forscht seit langem zum Einfluss weiblicher Hormone auf die sportliche Leistung - und wie sich das im Verlauf des Monatszyklus verändert.

"Es gibt weltweit nur sehr wenige Studien, die die Trainierbarkeit in Abhängigkeit von der Zyklusphase untersuchen, das liegt daran, dass die Unterschiede von Frau zu Frau sehr groß sind, und dass man daher eine sehr große Variabilität in den Ergebnissen findet."

- Prof. Dr. Petra Platen, Sportmedizin und Sporternährung, Ruhr-Universität Bochum

Um verwertbare Ergebnisse zu bekommen, untersuchte Platen also den Einfluss der Zyklusphasen in der gleichen Probandin: indem das rechte und das linke Bein nach unterschiedlichen Trainingsplänen trainiert wurde.

Petra Platen (mitte), Sportmedizinerin von der Ruhr-Universität Bochum leitet eine Studie zu zyklus-orientierter Kraft-Trainierbarkeit an.

"Das Ergebnis war tatsächlich, dass wir eine etwas höhere Kraft-Trainierbarkeit gefunden haben, wenn die Trainingsreize schwerpunktmäßig in der ersten Zyklushälfte und um den Eisprung herum gesetzt werden, im Vergleich zu den Trainingsreizen in der zweiten Zyklushälfte. Das liegt daran, dass wir in dieser Zyklushälfte, zum Eisprung hin, sehr hohe Östrogenkonzentrationen haben."

- Prof. Dr. Petra Platen, Sportmedizin und Sporternährung, Ruhr-Universität Bochum

Im Gegensatz zur Kraft-Trainierbarkeit hat der Zyklus nach Platens Forschungen auf die Ausdauer-Trainierbarkeit keinen Einfluss.

Platens Trainingstipp für Frauen:

Sportmedizinerin Petra Platen: Veraltete Geschlechtsstereotypen gehören in die Zeit des Schwarz-Weiß-Fernsehens.

"In der Konsequenz heißt das, wenn ich Krafttraining durchführe, sollte ich es zyklusphasenbasiert aufbauen, und periodisieren. Beim Ausdauertraining kann ich eigentlich das übliche Schema machen, dass ich regelmäßig, alle paar Tage, meine Ausdauertrainingsreize setze, und dann das über 4 Wochen beliebig verteile."

- Prof. Dr. Petra Platen, Sportmedizin und Sporternährung, Ruhr-Universität Bochum

5-10 Prozent Leistungssteigerung könnte durch ein zyklus-orientiertes Training erreicht werden, schätzt Platen, die aktuell eine große Studie mit dem deutschen Leichtathletik-Verband durchführt. Auch die Profi-Fußballmannschaft des TSG Hoffenheim interessiert sich bereits für ein Forschungs-Projekt zum zyklusphasen-basierten Training.

Frauen-Laufverein: Training nur für Frauen

Auch Steffi Platt will solche Konzepte praktisch umsetzen, und anderen Läuferinnen weitergeben, was sie aus eigener Erfahrung gelernt hat. Darum hat sie in Berlin den ersten Lauf-Verein für zyklus-orientiertes Training gegründet. Dass Themen wie Menstruation nicht mehr tabuisiert werden - stärkt auch das sportliche Selbstbewusstein.

"Erst seit die Frauen bei mir in der Gruppe sind, sagen sie für sich: ich bin ein Läuferin. Davor sind sie schon jahrelang gelaufen, aber sie haben sich nie als Läuferin gefühlt, weil sie sich immer mit dem Stereotyp Mann verglichen haben, der da vorne davonrennt."

- Steffi Platt, Läuferin, Gründerin von Fierce Run Force e.V.

Frauen sind nicht einfach nur kleinere leichtere Männer - das ist eine Erkenntnis, die sich gerade nicht nur im Sport, sondern auch in der Medizin durchsetzt.

Weiterführende Links:

  • Triathletin Laura Phillips über ihre Erfahrungen mit zyklus-basiertem Training: zu den Videos auf Youtube

8