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25 Jahre quer Vom "Fremdkörper im BR-Programm" zum Erfolgsformat

Was am 28. Februar 1998 über die erste quer-Ausgabe in der SZ zu lesen war, klang wenig euphorisch: "eher peinlich als komisch", "weder zwingend noch überzeugend", "nicht mehr als Klamauk". "Ein Fremdkörper im BR-Programm" – so das düstere Resümee der Fernsehkritikerin. Was sich der damalige Redaktionsleiter Wolfgang Mezger, Moderator Christoph Süß und die quer-Leute der ersten Stunde ausgedacht haben, hat sich zur BR-Premiummarke entwickelt. Über den Weg dorthin hat sich Peter Maier mit quer-Chef Christoph Thees unterhalten.

Von: Peter Maier, Unternehmenskommunikation

Stand: 24.02.2023 | Archiv

Moderator Christoph Süß, Oktober 2021. | Bild: BR/Markus Konvalin/Montage: BR

Peter Maier: 25 Jahre erfolgreicher Wandel auf dem schmalen Grat zwischen Journalismus und Kabarett. Haben sich die inhaltlichen Schwerpunkte verändert?

Christoph Thees: Manche Themen der ersten Jahre würden es heute bestimmt nicht mehr in die Sendung schaffen. Früher gab es auch gern mal Abseitiges, Randständiges, Skurriles bei quer.

Heute fragen wir uns eher: Welche Relevanz hat das jeweilige Thema für unser lineares Massenpublikum? Wie gut passt es ins "Wochengefühl"!? Steht es für eine Entwicklung oder einen Konflikt, der über das einzelne Beispiel hinausweist? Mit diesem Fokus sind wir natürlich recht nah an Formaten der Aktualität.

quer mit dem "Krawall-Auerhahn"

Um uns da zu unterscheiden, müssen wir deshalb umso mehr bei Dramaturgie und Inhalt für Unverwechselbarkeit sorgen. Im besten Fall sagen die Leute dann: Dieses Thema gibt es so erzählt nur bei quer. Das ist unser Anspruch an jedem Donnerstag. Und an jedem Freitag stellen wir in der Redaktionskonferenz fest, dass das ein ziemlich hoher Anspruch ist, dem wir uns in unterschiedlichem Maß lediglich angenähert haben.

Angeblich ist niemand unverzichtbar. Aber quer ohne Christoph Süß? Das Format ist doch für ihn und auch von ihm maßgeblich entwickelt?

Wo quer draufsteht, ist schon jetzt nicht ausschließlich Christoph Süß drin. Auf Instagram, wo wir den reichweitenstärksten BR-Kanal betreiben, arbeitet ein ambitioniertes Team erfolgreich unter anderem mit Videos von Stephi Probst, die als quer-Host inzwischen zum Gesicht der Marke auf Social Media geworden ist.

Christoph Süß befragt zwei Charity-Ladies

Aber klar: Die Fernsehsendung wird entscheidend von Christoph geprägt. Das Publikum mag ihn und ist mit ihm 25 Jahre gereift. Und wir als Redaktion profitieren von seiner inhaltlichen Kreativität, seiner Schauspielkunst und dramaturgischen Erfahrung und von seiner Fähigkeit, beim 45-Minuten-Galopp zwischen Journalismus und Satire nicht aus dem Sattel zu fliegen. Insofern: quer ohne Christoph Süß wäre zumindest ein sehr anderes quer. Und wenn es nach mir geht, brauchen wir darüber noch viele Jahre nicht nachdenken.

quer im linearen Programm ist nach wie vor ein Quotenbringer. Und doch beschreitet auch diese Sendung den Weg ins Digitale ...

... wobei wir davon profitieren, dass wir früh angefangen haben. Wir haben auf Facebook, Instagram und Twitter Reichweite aufgebaut, als dort großes Wachstum möglich war. Mit Inhalten der Fernsehsendung, aber auch mit eigenen Formaten fürs Netz. Inzwischen erreichen wir auf diesem Weg sehr viele Menschen jenseits des Fernsehpublikums.

Christoph Süß bei einer Aufzeichnung von quer

Das sind übrigens ziemlich diskussionsfreudige Leute, weswegen unsere Community Manager nach einem Post nicht selten mehrere tausend Kommentare im Blick haben müssen. Wie in der Fernsehsendung arbeiten wir auch im Netz mit journalistischen und satirischen Einordnungen – das lädt eben auch zur Debatte ein.

Gerade erst haben wir das Social-Team vergrößert, um noch mehr quer-Präsenz im Digitalen möglich zu machen. Dabei spielt dann auch die Mediathek eine entscheidende Rolle. Wir arbeiten gerade daran, dort möglichst gut vertreten zu sein, nicht nur mit den Inhalten der Fernsehsendung, sondern auch mit Web-Only-Inhalt.

Wenn Sie zurückdenken: Was waren die entscheidenden Weichenstellungen in der quer-Geschichte?

Die erste Weichenstellung war eigentlich das Format selbst: Satire und journalistische Berichterstattung in ein und derselben Sendung, also Ironie und Ernst, geht das überhaupt? Der damalige Fernsehdirektor hat zur ersten Ideenskizze handschriftlich ein simples "das findet nicht statt" notiert. Ein Pilot fand aber doch statt, ziemlich klandestin, aber im Ergebnis überzeugend genug, um weiterzumachen. Und dann gab es weitere Weichenstellungen.

Aus meiner Sicht die nächste: Uns in der Redaktion klar zu werden, was eigentlich quer-Themen und quer-Stärken sind. Auf Relevanz zu setzen statt auf Skurrilität. Die nächste große Veränderung war das, was wir in der Redaktion "querfälltein" nennen – Christoph Süß als satirisch-kabarettistischer Anchorman in einer unterhaltenden Einordnung des Wochengeschehens.

quer-Chef Christoph Thees

Unsere redaktionelle Arbeit hat sich dann nochmal stark verändert und erweitert durch unsere Social-Präsenz. Und weitere Weichenstellungen werden kommen, denn jetzt geht es darum, den Kern der quer-Marke, das hintergründige, im besten Fall unterhaltend reflektierende Reden über Relevantes für ziemlich anspruchsvolle Nutzer in neue zusätzliche Formate zu gießen. Darum kümmern wir uns nach dem Jubiläum, das wir am 23. Mai mit einer großen Bühnenshow im Lustspielhaus begehen, die am 25. Mai ausgestrahlt wird.

quer scheut bekanntlich nicht den Konflikt. Was hat Ihnen den größten Ärger bereitet?

Da kann ich beim besten Willen nicht den einen Anlass nennen. Insgesamt hatten wir ohnehin ziemlich wenig Ärger. Entweder sind wir gar nicht so querulatorisch, dass wir dauernd anecken würden, oder die Mächtigen und Großkopferten haben Wichtigeres zu tun, als gegen quer zu Felde zu ziehen.

Gegenwind ist bei uns eher ein ständiges Grundrauschen, im Netz wie auch bei der Fernsehsendung. Wer sich aus dem Fenster lehnt wie wir, sollte damit zurechtkommen. Viele Zuschauer und Nutzer zu haben, das heißt eben auch: Da "versendet" sich nichts.

quer und die Politprominenz

Deshalb müssen wir unseren Vorteil als Wochenmagazin nutzen: Wir haben mehr Zeit als Redaktionen täglicher Formate, über unsere Inhalte nachzudenken, akribisch zu arbeiten, Einordnungen zu hinterfragen. Das tun Satiriker übrigens nicht von Haus aus, die meinen gern schnell was und galoppieren dann los. In diesem Spannungsfeld die richtige Dosierung zu finden, ist ein gutes Rezept gegen Ärger – zumindest gegen die Sorte von berechtigtem Ärger, der entsteht, wenn wir Fehler machen.

Andererseits: Wenn wir anecken, weil wir unserem Motto "Sehen, was quer läuft" Ehre machen, dann nehmen wir den Ärger derer, über die wir kritisch berichtet haben, gern in Kauf. Hätten wir gar keinen Ärger, dann liefe bei uns was quer.


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