Bayern 2 - Zündfunk

Alben der Woche: März 2024 Diese Alben fanden wir im März besonders spannend

Funky Sounds und Afro-Beats auf „Where’s My Utopia?“ von Yard Act, Kim Gordon (Sonic Youth) mit ihrem neuen Solo-Album „The Collective“, Adrianne Lenker mit „Bright Future“, Tierra Whack mit einer transformativen Reise auf „World Wide Whack“ und Gänsehaut-Stimme Edna Million mit ihrem neuen Album "The Pool".

Von: Zündfunk

Stand: 02.04.2024

Yard Act  | Bild: Sam Hopkins

Yard Act – Where Is My Utopia

Mit ihrem Debütalbum „Overload“ haben Yard Act 2022 die Postpunk-Szene ordentlich aufgemischt. Es folgten, wie üblich, Konzerte, Festivals und noch mehr Konzerte. Unterwegs schrieben Yard Act schon Album Nummer 2 „Where’s My Utopia?“, u.a. mit dem Song „We Make Hits“ – laut Band eine Liebeserklärung an ihre kreativen Anfänge, an die Zeit, als Yard Act noch ein Duo waren und auf den Sofas von Freund*innen übernachten mussten. Das „We Make Hits“ nimmt man ihnen aber glatt ab. Maßgeblich beteiligt an der Entstehung dieser „Hits“ war diesmal Gorillaz-Produzent Remi Kabaka Jr.. Er kam nach Leeds und hat die Band mit neuen Inspirationen versorgt. Und war damit höchst erfolgreich.

Selten hab ich ein Album gehört und an soviel gleichzeitig gedacht. An Beck und die Unverfrorenheit der Beastie Boys. An The Streets plus Mike Skinners pointierte Alltagsbetrachtungen, ja sogar ein Mark E. Smith blitzt hier durch. Aber auch ein Damon Albarn und der Afrobeat eines Fela Kuti. Das Quartett aus Leeds hat sich offensichtlich die Perlen aus den letzten Pop-Jahrzehnten gepickt. Und dazu viel nachgedacht, nicht nur über die britische Gesellschaft, sondern diesmal auch über sich selbst, ihre Rolle im Musikbusiness, ihren „Dream Job“ und die Freiheit, die sie diesem verdanken („Blackpool Illuminations“).

Insgesamt klingt das Album so chaotisch, so lo-fi wie gut gelaunt und groovy. Eine catchy Achterbahnfahrt durch die Randbezirke des Postpunk. Einer meiner Favs in dieser Woche. Und, der Zündfunk proudly presents diesen Glücksfall von Band und seinen Spoken-Word Dance-Punk: am 17. April in der Münchner Muffathalle – Yard Act. (Angie Portmann)

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Yard Act - A Vineyard for the North (Live from Utopia) | Bild: YardActVEVO (via YouTube)

Yard Act - A Vineyard for the North (Live from Utopia)

Tourdaten:

Mi., 17. Apr. - München Muffathalle
Do., 18. Apr. - Berlin Festsaal Kreuzberg
Fr., 19. Apr. - Copenhagen, Dänemark Loppen
Sa., 20. Apr. - Johanneshov, Schweden Slaktkyrkan
Mi., 24. Apr. - Hamburg Uebel & Gefährlich
Do., 25. Apr. - Amsterdam, Niederlande Paradiso
Fr., 26. Apr. - Nijmegen, Niederlande Doornroosje
Sa., 27. Apr. - Köln Die Kantine Kulturbetrieb GmbH
So., 28. Apr. - Brussels, Belgien Botanique
Di., 25. Juni - Oslo, Norwegen Tøyen Park
Sa., 10. Aug. - Oslo, Norwegen Tøyen

Kim Gordon – The Collective

30 Jahre lang – von 1981 bis 2011 – bildete sie das rhythmische Rückgrat von Sonic Youth. Kim sang, ebenso wie ihr Ex-Mann, Thurston Moore. Nach Scheidung des Dream-Couples des US-Undergrounds und Auflösung der New Yorker Band, zog Kim in ihre alte Heimat Los Angeles. Mit ihrem ersten Solo-Album „No Home Record“ sprang sie 2019 sogar in die deutschen Charts. Sie schafft es, den Anti-Pop von Sonic Youth mit den Mitteln der Gegenwart ins Heute zu holen: durch eine kaputte Art von Trap, zu dem ihr Sprechgesang bzw. Nicht-Gesang passt. Produziert von Justin Raisen (Lil Yachty, Yves Tumor, John Cale). „Bye Bye“ ist eine Liste von Lied, in dem Kim aufzählt: „Kaufen Sie einen Koffer, eine Hose, Laptop … Wimpernzange, Vibrator, tschüss“. Vielleicht ihr Reiseset? Im Video ist ihre (und Thurstons) Tochter Coco Moore zu sehen.

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Kim Gordon - "BYE BYE" (Official Music Video) | Bild: Kim Gordon (via YouTube)

Kim Gordon - "BYE BYE" (Official Music Video)

Eine weitere Single ist „I'm A Man“, ein wütend intoniertes Lied über männliche Ausreden mit den Textzeilen: „Es ist nicht meine Schuld. Ich bin als Mann geboren worden. Und wenn mir der große Truck gefällt. Nenn' mich nicht 'toxisch'. Weil ich ein Mann bin.“ Das Album erscheint zur richtigen Zeit: am Weltfrauentag. (Ralf Summer)

Tourdaten:

1. Juli 2024 - Muffathalle, München (einziges Deutschland-Konzert!)
Der Zündfunk präsentiert's.

Tierra Whack – World Wide Whack

Tierra Whack veröffentlicht mit ihrem mit Spannung erwarteten Debütalbum „WORLD WIDE WHACK“, den Nachfolger der von Kritikern hochgelobten Visual EP „Whack World“. Die Rapperin, Musikerin und visuelle Künstlerin, ist dank Kollaborationen mit Beyoncé, Alicia Keys und Lil Yachty und vielen mehr zu einer festen Größe der Popkultur geworden.  Die Visuals, das Artwork und die kreativen Elemente des Albums sind in der Zusammenarbeit mit dem aus Philadelphia stammenden Konzeptkünstler Alex Da Corte entstanden.

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Tierra Whack - TWO NIGHT (Official Music Video) | Bild: TierraWhackVEVO (via YouTube)

Tierra Whack - TWO NIGHT (Official Music Video)

Die beiden Fokustracks zeigen, wie viel musikalische Vielfalt in den insgesamt 15 Tracks steckt. So demonstriert Tierra ihre Rap-Skills auf ‚SNAKE EYES‘ über einer eingängigen Trap-Produktion, während ‚MS BEHAVE‘ mit seinen afrikanischen Talking-Drums eine sehr experimentelle Richtung einschlägt. (15.03, keine Bewertung möglich, PT: Universal)

Adrianne Lenker – Bright Future

Adrianne Lenker ist Sängerin der gefeierten US-Folk-Rockband Big Thief und begnadete Songwriterin, die darin mittlerweile sogar Workshops gibt. Ihr neues Solo-Album heißt „Bright Future“. Aufgenommen hat sie es in einem analogen Studio, irgendwo in einem Wald im Nordosten der USA. Das kennt man von ihr, sie mag’s abgeschieden. Und sie mag’s, dass man den Raum und den Ort hört und spürt. Also Knarzen, Quietschen, Atmen. Was uns ganz nah ran bringt an die Aufnahmen und daran, wie sie ihr Innerstes für uns öffnet, siehe der tolle Song „Free Treasure“. Adrianne Lenker beschreibt hier Szenen und Gefühle, die sich mit den Melodien zusammen einbrennen: Der schöne Fleck unten am Fluss, wo die wilden Himbeeren blühen und man auf den Felsen rumklettern kann. Das Abendessen, das so gut riecht, zubereitet von der Person, die einem Liebe schenkt ohne Ende, „love without measure“. An anderer Stelle („Real House“) sind es Kindheitserinnerungen: wie der Familienhund eingeschläfert wird und sie ihre Mutter zum ersten Mal weinen sieht.

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adrianne lenker - no machine (official lyric video) | Bild: Adrianne Lenker (via YouTube)

adrianne lenker - no machine (official lyric video)

Begleitet nur von ein paar Klaviertupfen wie von weit weg, gespielt von Neo-Soul-Musiker Nick Hakim. Einer ihrer Lieblingsmenschen, sagt Adrianne Lenker, genau wie Gitarrist Mat Davidson alias Twain. Die schwedische Violinistin Josefin Runsteen komplettiert die Band. Adrianne Lenker nimmt Alben gerne „versehentlich“ auf, hat sie dem Musikexpress erzählt. So wie diesmal auch: die Songs einfach mal spielen, ohne den Druck, dass am Ende ein Album rauskommen muss. Ist es jetzt aber. Und noch dazu mal wieder ein ziemlich fantastisches, zwischen filigranem Singer/Songwriter-Sound und rohem Scheunen-Folk. (Ann-Kathrin Mittelstraß)

Tourdaten:

06.05.2024 - BERLIN, Admiralspalast - Theater
07.05.2024 - HAMBURG, Kampnagel – K6

EDNA MILLION – The Pool

Diese Stimme! Dieses Timbre!! Dieser Ausdruck!!! Die Wienerin war zum Studium nach Berlin gezogen. Dort nahm sie als Edna Million ihre erste EP auf. „The Panther Walks In Circles“, zusammen mit „Rattling Coins“, ist auf dem Debüt zu hören. Es ist äußerst sparsam instrumentiert, meist nur mit Akustik-Gitarre, so bleibt genug Raum für den brüchig-spröden Gesang. Gänsehaut! Edna ist inzwischen weitergezogen in das Land, in dem ihre Großmutter ein Hotel betrieb – „She Uses To Run A Hotel“ heißt der Song dazu. Sie wohnt inzwischen in Göteborg.

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She Used to Run a Hotel | Bild: Edna Million - Topic (via YouTube)

She Used to Run a Hotel

Der Name „Edna“ ist keine Anspielung an Schweden, er stammt aus einem Tom Waits-Lied. von seinem berühmten „Rain Dogs“ Album: „Jockey Full Of Bourbon“ („Edna Million in a drop-dead suit“/„Edna Million einem todschicken Anzug“). Wie sagt es FM4-Kollege Robert Rotifer so passend: „Das androgyne Timbre ihrer dunklen Stimme bricht radikal mit Gender-Erwartungen, ohne dabei je die Ruhe zu verlieren.“ Produziert wurde die Platte von Klangkünstler Kalle Laar, der zwischen München und Wien pendelt. Er hatte zuvor schon Ernst Molden produziert, der hier beim Titelsong zweite Gitarre spielt. Er arbeitet das heraus, was sie hat und ist: the voice of wonder, the wonder of voice! (Ralf Summer)