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Das Thema Die Entstehung Buchenwalds

Stand: 20.01.2014 | Archiv

Pferdestallbaracken im Kleinen Lager nach ihrer Aufstellung. Links Block 60, rechts Block 55. Im Hintergrund die Wachtürme Nr. 16 und 17. | Bild: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald

In Thüringen, ihrem "Trutzgau", ist die NSDAP fest verwurzelt, schon 1930, also noch zu Zeiten der Weimarer Republik, ist sie an der Regierung beteiligt.

Fritz Sauckel und das erste KZ in Deutschland

1932 wird Gauleiter Fritz Sauckel (1894-1946), ein ehemaliger Seemann und Schlosser, Ministerpräsident und Innenminister. Noch im Februar 1933 errichtet Sauckel in Nohra auf einem ungenutzten Flugplatz ein KZ und lässt dort Kommunisten einsperren. Als das Lager einige Monate später aufgelöst wird, geht der Betrieb in Bad Sulza weiter. Hier dient ein ehemaliges Sanatorium als Unterkunft für Häftlinge, die in einem Steinbruch und beim Straßenbau gepeinigt werden.

Nach der Übernahme der KZ durch die SS bleibt Fritz Sauckel seinem Metier treu. Zwischen 1942 und 1945 organisiert er den Einsatz von über fünf Millionen Fremdarbeitern für die deutsche Wirtschaft, 1946 wird er in Nürnberg als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und gehängt.

Thüringen bekommt ein neues KZ: Buchenwald

In einer von der NS-Führung 1936 genehmigten Denkschrift regt KZ-Inspekteur Theodor Eicke an, nach dem Vorbild Dachaus fünf große Lager, über das Reich verteilt, zu betreiben. Eines davon soll in Thüringen entstehen und neben einheimischen Häftlingen auch Gefangene aus Sachsen, Hessen und Nordbayern aufnehmen. Ein KZ im Herzen Deutschlands hält Eicke aus "Gründen der Staatssicherheit" für unverzichtbar. Fritz Sauckel, inzwischen Reichsstatthalter in Thüringen, stimmt dem Vorhaben zu.

Der Bau auf dem Ettersberg bei Weimar

Als Standort für das neue Groß-KZ wird der Ettersberg, knapp acht Kilometer vor den Toren Weimars bestimmt. Wenngleich es in der einstigen Hochburg der deutschen Klassik hinter vorgehaltener Hand die Meinung gibt, ein KZ würde die Gegend, in der schon Goethe wandelte, verunzieren, regt sich kein Widerstand gegen das Lager - wohl aber gegen den Namen. "Konzentrationslager Ettersberg" erscheint selbst der NS-Kulturgemeinde, einer Gruppe brauner Intellektueller, vermessen, denn schließlich hat Goethe auf dem Ettersberg seine Gespräche mit Eckermann gehalten.

Gleisanschluss der Buchenwald-Bahn in den Gustloff-Werken II. Im Hintergrund arbeitende Häftlinge.

So beginnen die Arbeiten am KZ - es heißt auf Befehl Himmlers nun Buchenwald - am 15. Juli 1937. Häftlinge werden auf den Ettersberg gebracht, wo sie ihr eigenes Gefängnis, SS-Unterkünfte, Baracken, Straßen und Wachtürme bauen. Zunächst wird Buchenwald als Straflager genutzt, dann als Zwangsarbeitslager mit mehreren Außenstellen. Am Eingang ist die zynische Aufschrift "Jedem das Seine" zu lesen. In späteren Jahren verfügt das KZ auch über einen Krankenbau, ein Bordell, eine Kranken- und Siechenunterkunft (Kleines Lager), ein Krematorium und eine Genickschussanlage.

Das Lager in den ersten Jahren

Buchenwald ist zunächst für die Kapazität von 6.000 Häftlingen ausgelegt, doch schon im Sommer 1938 sind über 7.700 Gefangene untergebracht. Im Anschluss an die Reichspogromnacht 1938 werden vorübergehend tausende Juden in Buchenwald eingeliefert. Nach Kriegsbeginn bringt die SS auch Kriegsgefangene, Widerständler und Sippenhäftlinge aus den besetzten Ländern nach Buchenwald. Angehörige alliierter Kommandotrupps und enttarnte Geheimagenten werden ebenfalls nach Buchenwald gebracht. Die Zahl der Insassen bleibt in den ersten Kriegsjahren konstant bei etwa 10.000.

Buchenwald im totalen Krieg

Die Lage ändert sich zu Beginn des Jahres 1943. Nach der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad verkündet Propagandaminister Joseph Goebbels (1897-1945) am 18. Februar den totalen Krieg. Alle menschlichen, materiellen und psychologischen Ressourcen sollen für die Kriegführung gebündelt werden, zwischen Front und Heimat wird nicht mehr getrennt. Auch den KZ ist eine wichtige Rolle zugedacht: die umfassende Mobilisierung der Häftlinge für die Rüstungsindustrie. Binnen kurzer Zeit schwillt allein in Buchenwald die Häftlingszahl auf etwa 50.000 an, es herrscht Platzmangel.

Buchenwaldhäftlinge produzieren unter anderem Bauteile für die V2-Rakete und arbeiten für die Deutschen Ausrüstungswerke, ein SS-Unternehmen, das im Umfeld mehrerer KZ aktiv ist. Sie wirken an der Produktion von Junkers-Flugzeugen mit, räumen Trümmer in bombengeschädigten Städten und müssen Blindgänger entschärfen.

Deportation und Vernichtung der jüdischen Häftlinge

1942 ordnet Heinrich Himmler an, die Konzentrationslager im Reichsgebiet "judenfrei" zu machen. Die jüdischen Buchenwaldhäftlinge werden nach Auschwitz transportiert, für die meisten von ihnen bedeutet das den Tod. Nur wenige Juden, die für eine Gewehrfabrik tätig sind, dürfen im Lager bleiben.

Die Zeit der Evakuierungstransporte

Als sich die alliierten Truppen 1944/45 den Grenzen Deutschlands nähern, werden KZ-Häftlinge aus verschiedenen Lagern von SS-Wachmannschaften ins Landesinnere getrieben. So treffen die Russen, als sie im Januar 1945 Auschwitz erreichen, nur mehr Kranke und Schwache an. Etwa 60.000 Auschwitz-Häftlinge befinden sich auf dem Weg nach Westen. Die Überlebenden des Todesmarsches kommen zunächst in die Konzentrationslager Neuengamme, Ravensbrück, Sachsenhausen, Bergen-Belsen, Flossenbürg, Dachau, Mauthausen - und nach Buchenwald.

Für viele der halb verhungerten Häftlinge beginnt nun die grausamste Folter ihrer Haft, denn während das „Dritte Reich” zusammenbricht, forciert das NS-Regime die Todesmärsche innerhalb des verbleibenden Gebiets. Die Menschen müssen sich von Lager zu Lager schleppen. Dort werden sie kaum versorgt, die hygienischen Bedingungen sind katastrophal und die SS fährt unvermindert mit dem Morden fort. Im Zeitraum Januar bis April 1945 sterben allein in Buchenwald etwa 14.000 Menschen. Am 6. April sondert die Lagerführung noch 6.000 Juden aus, um sie aus dem Lager zu evakuieren - das heißt in den Tod zu treiben. Das Vorrücken der alliierten Truppen wird für die Häftlinge zum Wettlauf mit der Zeit, für viele kommt die Rettung zu spät. Noch Wochen nach der Befreiung sterben Menschen an den Folgen der KZ-Haft.


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