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Sam Moore zum 75. Geburtstag Sam & Dave

Von: Klaus Walter

Stand: 15.10.2010 | Archiv

Sam & Dave | Bild: Atlantic Records

Sam Moore wurde am 12. Oktober 75 Jahre alt, nur drei Tage nach dem plötzlichen Tod von Solomon Burke, ein weiterer Anwärter auf den Titel "The Greatest Living Soul Singer”. Doch wie bei vielen Soul-Sängern seiner Generation beschränkt sich die absolute künstlerische Blüte des Sam Moore auf einen Zeitraum von wenigen Jahren. Und wie bei vielen Soul-Sängern seiner Generation handelt es sich um die zweite Hälfte der Sechziger Jahre.

Von 1965 an hat Sam Moore mit seinem Partner eine Serie von Hits, viele davon laufen bis heute in den Classic Soul- und Oldie-Stationen dieser Erde. Gemeinsam sind Sam & Dave das explosivste Duo der Soulmusik der Sechziger Jahre. Beide kommen aus dem Süden der USA, beide kommen vom Gospel und beide wenden sich bald den irdischen Genüssen zu. Sie singen nicht mehr vom Lieben Gott, sie singen lieber über ihr Baby. Und über den Soul. Soul, das heißt ja zunächst mal nicht mehr und nicht weniger als Seele.

Mitte der Sechziger Jahre wird Soul zum Inbegriff einer neuen Musik des schwarzen Amerika, die geprägt ist von der Aufbruchsstimmung der Bürgerrechtsbewegung. Plötzlich taucht das Wort Soul immer häufiger auf, Soul wird zum Synonym einer neuen, selbstbewussten Identität. Hey, ich bin ein Soul Mann! Wenn es denn so etwas gibt wie einen Signatursong, dann ist "Soul Man" der Signatursong von Sam & Dave, und bis heute der Signatursong von Sam Moore. Den kann er aus der Tasche ziehen, wenn er nach seinem Ausweis gefragt wird. Ich bin ein Soul Man, verkündet er zusammen mit seinem Partner Dave Prater 1967 und spätestens da weiß auch das weiße Europa, was es mit dieser neuen Musik auf sich hat: Spätestens mit "Soul Man" ist der Soul auf der Landkarte der populären Musik angekommen. Aber, und da kommt eine gewisse Tragik ins Spiel: der Signatursong wird auch zum Schicksalssong für Sam & Dave, vor allem für Sam Moore. Der leidet bis heute unter dem Fluch des großen Erfolges von 1967. Denn aus dem Erfolg seines "Soul Man" sollte 13 Jahre später ein noch größerer Erfolg werden.

Schwarzer Soul von weißen Komikern?

1980 geht der Soul Man noch einmal um die Welt. Zwei weiße amerikanische Komiker - John Belushi und Dan Aykroyd, sie nennen sich The Blues Brothers - nehmen den Song neu auf. Er wird zum Hit ihres Kinofilms, auch der heißt: "Blues Brothers". Der Film lebt von seiner Musik und die besteht zum größten Teil aus originalgetreuen Nachbildungen von schwarzen Soulhits aus den Sechzigern. Aber, wir schreiben das Jahr 1980 und die meisten Fans der Blues Brothers sind zu jung, um sich an die schwarzen Originale erinnern zu können. Fortan gehört der "Soul Man" nicht mehr Sam & Dave, er gehört zwei weißen Komikern, die sich Blues Brothers nennen.

Diese Geschichte verfolgt Sam Moore vermutlich bis ans Ende aller Tage. Jedenfalls erzählt er sie in einem Interview aus dem Jahre 2006, auf die Frage, womit der damals 70-Jährige denn heute sein Geld verdient:

"Nun ich muss ja meine Familie ernähren und Steuern zahlen. Also habe ich viele Oldie-Shows gemacht, so genannte Rock'n'roll Shows, dabei können die Rocker Soul-Leute gar nicht leiden. Ich habe auch viele Shows mit Dan Aykroyd von den Blues Brothers gemacht. Und wenn man dann so eine Show spielt, dann kommen die Leute und sagen: Hey, toll, du spielst 'Soul Man' von den Blues Brothers! Was willst du da machen, du hältst einfach deinen Mund und denkst du okay, was soll’s? Es ist frustrierend, es tut weh, aber was willst du machen. Manchmal sagt man den Leuten, dass der Song von Sam & Dave stammt, aber das hilft auch nicht viel. Das ist verletzend."

Sam Moore

Der Soul Man ist sein Schicksal

Der Soul Man ist sein Schicksal, und mit den Blues Brothers hört die Tragikomödie ja nicht auf. 1986 kommt irgendjemand in Hollywood auf die Idee, den Soul Man zu verfilmen, vermutlich hat er die Dollars vor Augen, die mit den Blues Brothers verdient wurden. Sam Moore erinnert sich:

"Ich habe ein paar Filme gemacht, irgendwann haben sie mich angerufen, weil sie 'Soul Man' verfilmen wollten Sie wollten noch einen großen Star engagieren, aber sie haben erst mal keinen gefunden. Tom Jones ist in Ferien, Rod Stewart auf Tour, also kamen sie auf Lou Reed, stell dir das vor! Ich meine, Lou Reed ist doch kein Sänger, er ist ein Poet. Aber sie haben keinen anderen gefunden, also habe ich gesagt okay, schafft ihn her."

Sam Moore

Was Sam Moore nicht gesagt hat - aber gedacht: Die Plattenfirma und die Filmproduzenten wollten eben nicht nur "noch einen großen Star engagieren" - sie wollten einen weißen Star: Tom Jones und Rod Stewart sind unabkömmlich, also nehmen sie Lou Reed. Von dessen Sangeskunst Sam Moore nicht vollends überzeugt ist. Dennoch erreicht das ungleiche Pärchen Sam & Lou 1986 tatsächlich einen 30.Platz in den englischen Charts. Offenbar braucht es auch in den mittleren Achtzigern noch einen weißen Vorsänger, um einen schwarzen Hit auf dem weißen Markt zu platzieren. Davon profitieren auch ZZ Top. Die texanische Boogieband mit dem Alleinstellungsmerkmal Rauschebart hat 1980 einen Hit mit "I thank you". Zwölf Jahre nach dem Original von Sam & Dave.

Es stellt sich immer wieder dieselbe Frage mit diesen weißen Coverversionen von schwarzen Songs: Beuten die weißen Musiker die schwarzen aus und schöpfen Ruhm und Geld und Ehre aus anderer Leute Arbeit? Oder tragen die Weißen dazu bei, die Kunst der Schwarzen bekannt zu machen. Im Zweifelsfall gilt beides, im Falle von ZZ Top und Sam & Dave gab es ein Happy End. 2006 nimmt Sam Moore das Album "Overnight Sensation" auf. Dazu lädt er sich viele berühmte Menschen ein, die meisten übrigens mit weißer Haut. Und bis dahin nicht unbedingt als Soulmänner aufgefallen, Leute vie Jon Bon Jovi, Sting oder auch der italienische Schlagersänger Zucchero. Ebenfalls auf der Gästeliste ist ein gewisser Billy F.Gibbons, der Gitarrist von ZZ Top. Das Album klingt denn auch genauso kalkuliert wie sein Masterplan vom Reißbrett. Der gut gemeinte Versuch, dem gealterten Sam Moore noch ein paar Dollars in die Kasse zu spülen. Aber gut gemeint ist ja oft genug da Gegenteil von gut...

An die große Zeit der Sechziger kann Sam Moore nicht mehr anknüpfen. Dabei war es doch so einfach damals: Sam & Dave geben ihre Stimmen, Isaac Hayes schreibt die Songs und spielt Klavier, den Rest erledigen Booker T. & The MG's und die Memphis Horns. Mit dieser Aufstellung werden Sam & Dave zum erfolgreichsten Duo der Soulgeschichte. Aber: diese Geschichte dauert genau genommen nur fünf Jahre. 1970 trennt sich das Duo zum ersten Mal, später gibt es diverse Wiedervereinigungen, aber wie das mit Wiedervereinigungen eben manchmal so ist, der alte Schwung ist hin. 1981 ist endgültig Schluss, 1988 kommt Dave Prater bei einem Autounfall zu Tode.

Oldie-Shows und Gastauftritte

Sam Moore hangelt sich durch, er wird in die Rock & Roll Hall Of Fame aufgenommen, er kassiert Grammys, aber die Hits bleiben aus. Stattdessen wird er zum Boss vorgeladen. 1992 beschließt Bruce Springsteen, dass er seinen breitbeinigen Rock ein bisschen beseelen könnte. Dafür lädt er sich diesen Typen ein, von dem der Kritiker Dave Marsh behauptet, er sei "The Greatest Living Soul Singer”. Sam Moore ist nicht mehr jung und vielleicht braucht er auch das Geld. Also leiht er dem Boss seine Stimme und kassiert ein paar Dollars dafür. Mit Gastauftritten dieser Art hält sich Sam Moore bis heute über Wasser, dazu ein paar Oldie-Shows. Dieses Schicksal teilt Sam Moore mit vielen Kollegen aus der goldenen Ära des Soul.


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