Bayern 2 - Das Kalenderblatt


0

6. Oktober 1806 Ehe von Betsy Patterson und Jerome Bonaparte annulliert

Während seines Aufenthalts in den USA lernte Napoleons jüngster Bruder Jérôme Bonaparte die hübsche Betsy kennen und lieben. zwei Monate später läuteten die Hochzeitsglocken in der Kathedrale von Baltimore. Napoleon schäumte und wollte die junge Frau, die obendrein schwanger war, schnellst möglich loswerden. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 06.10.2023 | Archiv

06 Oktober

Freitag, 06. Oktober 2023

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Sie war nicht für Baltimore geschaffen, da war sich Betsy Patterson ganz sicher. Sie gehörte an einen glanzvollen Hof, in eine glitzernde Metropole. Aber wo gab es das in Amerika? Und sie war schon siebzehn! Wenn sie nicht in Baltimore versauern wollte, brauchte sie ein Wunder.

Des Kaisers fescher Bruder

Da tauchte dieser junge Franzose auf, ein Beau mit Goldlametta auf der Uniformbrust, und das Beste dabei: Jerome war der jüngste Bruder von Napoleon Bonaparte. An Weihnachten 1803 wurden sie getraut. Paris, ich komme!
Natürlich geschah, was jeder außer den Turteltauben erwartet hatte: Napoleon explodierte. Er war dabei, seine Geschwister in den europäischen Hochadel zu verheiraten. Eine amerikanische Kaufmannstochter war nicht im Plan, egal wie reich ihr Vater war.
Napoleon würde nachgeben, wenn er seine zauberhafte Schwägerin sähe, da waren sich Betsy und Jerome sicher. Erst recht, als er sich zum Kaiser von Frankreich machte. Prinzessin Betsy - konnte es noch besser kommen?
Als sie Lissabon erreichten, war Betsy im siebten Monat schwanger. Ein Bote von Napoleon erwartete sie, um Jerome zu seinem Bruder zu eskortieren. Betsy erfuhr, dass sie Frankreich nicht betreten dürfe.
Sie brachte ihren Sohn in London zur Welt und segelte dann zurück nach Baltimore. Inzwischen war die Sache zu einer internationalen diplomatischen Krise geworden. Der amerikanische Präsident sah sich genötigt, Napoleon zu versichern, dass ihn keine Schuld träfe, er könne einer Bürgerin seines Landes nicht das Heiraten verbieten, und der Papst nutzte die Gelegenheit, Napoleon eins auszuwischen, und verweigerte die verlangte Annullierung der Ehe.

Die Bonaparte von Baltimore

Ein willfähriger Kanonikus in Paris bescheinigte dann am 6. Oktober 1806, dass die Ehe ungültig sei. Jerome bekam eine deutsche Prinzessin und das neu erfundene Königreich Westfalen. Betsy sollte verschämt in der Versenkung verschwinden.
Davon war sie weit entfernt. Madame Bonaparte war der skandalumwitterte Star auf Bällen in Washington und New York und schockierte mit gewagten Pariser Abendkleidern. Auf ihrer Kutsche prangte das Bonaparte-Wappen, und das Gerücht ging um, Napoleon wolle die USA erobern und Betsys Sohn zum Kaiser von Amerika machen. Alarmierte Politiker wollten sie als Agentin des Monarchismus deportieren.
Und dann war es Napoleon, der in der Versenkung verschwand, und Betsy machte einen Siegeszug durch Europa. Sie glänzte in Paris, London, Florenz und Rom, von Herzögen umschwärmt und mit Fürstinnen plaudernd. Das war das Leben, fand sie, für das die Natur sie bestimmt hatte.
Aber die Welt veränderte sich, Paris war nicht mehr ihr Paris. Nach zwanzig Jahren ging sie nach Baltimore zurück und blieb da für den Rest ihres Lebens. Noch in Frankreichs Zweitem Kaiserreich versuchte sie hartnäckig, ihrem Sohn einen Platz in der Thronfolge zu sichern. Ansonsten war sie damit beschäftigt, aus ein paar geerbten Immobilien ein Millionenvermögen zu machen. Sie wurde vierundneunzig Jahre alt. "Früher hatte ich alles außer Geld, jetzt habe ich nichts als Geld", sagte sie am Ende.


0