Bayern 2 - Das Kalenderblatt


0

24. April 1982 Nicole gewinnt Eurovision Song Contest

Gesangliche Schwächen? Nein, authentisch! Ein unbedarftes Liedchen? Vielleicht, aber eben auch emotional romantisch. Und bescheiden ist Nicole mit ihrem Sieger-Lied beim Eurovision Song Contest in Harrogate auch noch. Während Pazifisten den „totalen Frieden“ fordern, wünschte sie sich nur "Ein bisschen Frieden". Autorin: Susi Weichselbaumer

Stand: 24.04.2024 | Archiv

24 April

Mittwoch, 24. April 2024

Autor(in): Susi Weichselbaumer

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Wenn einem niemand das zutraut, weil es seit jeher jede und jeder in den Sand gesetzt hat. Und dann steigt man wie Phönix aus der Asche - also in dem Fall kein schillernd bunter Phönix mit mächtigen Schwingen und rundherum Gefeuere und Gelodere, sondern im schlichten dunklen Kleid, die weiße Gitarre in der Hand. "Ein bisschen Frieden" ...

Es ist die Zeit des Kalten Krieges. Ost gegen West. Wettrüsten. Angst vor Atomwaffen. Da "Ein bisschen Frieden" auf der Klampfe gegenhalten zu wollen, ist schon irgendwie - ein bisschen - läppisch, kritteln manche. Die meisten aber haben es später immer schon gewusst. Nämlich, dass Deutschland sehr wohl einen Phönix aus der Asche hinlegen kann - nach bis dahin nur Pleiten beim Eurovision Song Contest. Tatsächlich versucht man zwischenzeitlich aus der Not heraus sogar, den Erfolg von Udo Jürgens im Wortsinn "einzugemeinden". Der entscheidet 1966 den Musikwettbewerb für sich mit einem deutschsprachigen Lied, "Merci, Chérie". Aber: Punkte auf Deutsch sammelt Jürgens für sein Heimatland. The winner is Austria.

Wann kommt mal Deutschland aufs Treppchen?

An points for Germany glaubt irgendwann kaum mehr wer. Grandprix-technisch ist Deutschland abonniert auf Schlusslichtnation. Als am 24. April 1982 im englischen Harrogate dann eine 17-jährige Schülerin aus Saarbrücken antritt – mit langen föhngewellten Haaren, einem schlichten dunklen Kleid mit weißem Spitzenkragen – ist klar: Das wird wieder nichts. Zum einen sind da schon ganz Andere gescheitert. Und zum anderen scheitert Deutschland immer.

Danke, Nicole!

Nicole Hohloch aus Saarbrücken ist dennoch guter Dinge. Auf Betriebs- und Schulfesten tritt sie auf, seit sie zehn Jahre alt ist. Ralph Siegel hat sie kürzlich unter Vertrag genommen und schon zwei Singles mit ihr veröffentlicht. "Der alte Mann und das Meer" und "Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund". Platz 2 der deutschen Charts hat sie damit erreicht. Und allein auftreten muss sie beim Eurovision Song Contest auch nicht mit ihrer Gitarre. Ralph Siegel am Klavier schiebt mit an, dazu die Band auf der Bühne samt Harfenistin, ein Orchester gibt es zusätzlich, hintenraus fällt der Chor mit ein: "Sing mit mir ein kleines Lied"… und Europa singt mit. Klatscht und punktet Deutschland zum ersten Mal auf Platz 1. Nach endlosen Grand Prix-Traumata ist Deutschland der Phönix.

Und Nicole? Die bringt das Lied zum Abschluss der Veranstaltung gleich nochmal auf Deutsch, Französisch, Englisch und Niederländisch. Es folgen Berge von Fanpost für die 17-Jährige, unzählige Pressetermine, Konzertanfragen. Die Hausaufgaben schickt die Schule per Fernschreiber an die Tourneeorte hinterher. Nicoles Karriere hebt ab. Deutschlands Grand-Prix-Erfolg allerdings verebbt. In den kommenden Dekaden voted Europa uns erstmal wieder konsequent in den Punktekeller. Egal. Wir haben Nicole, genauer die Welt hat Nicole. Und die wird für immer das Mädchen bleiben, das mit der Gitarre gegen Kriege ansingt.
In allen möglichen Sprachen. In den frühen 2020er Jahren zum Beispiel als inzwischen renommierter Schlagerstar gegen den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine - auf Russisch. Damit endlich gilt: "Dass die Welt in Frieden lebt".


0