Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. April 1840 Das Märchen von Hase und Igel wird veröffentlicht

Auf Plattdeutsch steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm: der Schwank "Der Hase und der Igel", übernommen aus Wilhelm Schröders Hannoverschem Volksblatt. Der Zuruf "Ich bin schon hier!" wurde zum geflügelten Wort. Geschichten vom Wettlauf langsamer mit schnellen Tieren gibt es schon seit der Antike. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 26.04.2024 | Archiv

26 April

Freitag, 26. April 2024

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Es war einmal, genauer gesagt, es war exakt am 26. April 1840, an einem Sonntag, die Sonne schien hell, als ein braver Hausvater beim Zeitung lesen behaglich ins Grunzen geriet. Das mag jetzt zwar geschummelt sein, aber ist wahrscheinlich so ähnlich passiert. Der Hausvater nahm die Pfeife aus dem Mund: "Fro! Fro, kumm her!", rief er auf Platt. Denn die Geschichte trug sich in Norddeutschland zu. "Wat givt et denn? Ick bin all hier!" Die Hausfrau trocknete sich die Hände an der Schürze ab. "Ick will dir een Geschicht vertellen!" "O, mien Gott, Mann!" fing die Frau zu schreien an, "und dafür holst du mich aus der Küche?" Der Mann hob das "Hannoversche Volksblatt" in die Höhe: "Das musst du unbedingt hören!“ "Denn man to!" Also las der Mann "sien Fro", heiter grunzend, diese Tierfabel vor, die am 28. April 1840 erstmals schriftlich unters lesende Volk gebracht worden war.

Am Puls der Zeit

Ein alter Jägersmann soll die Geschichte dem Verleger Wilhelm Schröder im Dorfkrug von Bexhövede bei Bremerhaven erzählt haben. Warum der Hannoveraner Zeitungsmacher das Jägerlatein dann, mit einem schönen Titel versehen, ins bekanntere Buxtehude verlegt hat, weiß kein Mensch. Aber "Dat Wettlopen twischen den Haasen un den Swinegel op de lütje Haide bi Buxtehude" traf ganz offensichtlich den Nerv der Biedermeier-Zeit, die vom bürgerlichen Rückzug ins Private, politisch Unverfängliche bestimmt war. Die Gebrüder Grimm nahmen das Märchen 1843, tatsächlich im Original-Dialekt, in ihre Sammlung auf. Für alle nicht Plattsprechenden hier der Hinweis, dass mit einem "Swinegel" beileibe kein Schweineigel gemeint ist. Ein Igel mag zwar krummbeinig sein, wie der Hase richtig anmerkt. Aber schmutzig wird er eher notgedrungen bei diesem Acker-Wettlauf zwischen den zwei ungleichen Gegnern.
Umso toller (nicht wahr, hoho, sagte der Hausvater zu seiner Frau), wie das stachlige Ehepaar den hochmütigen Hasen dann mit seinem Verwechslungstrick zu Tode hetzt!

Und die Moral von der Geschicht‘ ...

"De Lehre uut disser Geschicht is ...", der Mann hob den Finger. Erstens: "Dass sich niemand über kleine Leute wie uns lustig machen sollte. Und zweitens:" Er zwinkerte seiner Frau zu: "Zusammen sind wir echt stark, du musst nur tun, was ich dir sage!" "Sien Fro" verdrehte die Augen. Nein, das ist jetzt gelogen. Wahr ist dagegen, dass die üblichen Bebilderungen der Fabel gewisse Zweifel aufkommen lassen, ob sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat. Sah der Hase nicht, dass eine der beiden "Ick bin all hier!" rufenden Figuren eine Schürze und die andere Hosenträger trug? Egal, auch die Frage nach der Fairness. Der Erfolg gab dem bauernschlauen Igelmann recht. Die 1938/39 gedrehte Verfilmung des Märchenstoffes durch die Gebrüder Diehl steigerte seinen Bekanntheitsgrad noch. Zeitung, Kaktus, Pfeife, Kinderschar und Kaffeepott: was für ein beschauliches, selbstzufriedenes Leben, während draußen Krieg, Hetze und Verfolgung herrschten. 1946 ernannte die neugegründete Zeitschrift "Hörzu" den Igel mit der charakteristischen Igel-Frisur zu ihrem Maskottchen und gab ihm den Namen Mecki. Meckis harmlos-behagliche Comic-Abenteuer begleiteten die West-Deutschen dann durch die Wirtschaftswunderjahre. "Un wenn se nich storben sünd, lewt se noch." Heißt es in der Originalversion des Märchens vom Hasen und seiner kooperierenden Ehefrau. Dann leben sie noch - noch heute mitten unter uns, die biederen Swinegels mit ihren kleinen Tricks und Schummeleien.


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