Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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30. April 1926 Giles Brindley geboren, exzentrischer Erektionsmittel-Forscher

Giles Brindley war ein Tausendsassa der Wissenschaft: Der Brite war Musikwissenschaftler, Komponist und Physiologe. Er forschte über die Netzhaut und das Farbfernsehen. Besonders aufsehenerregend - im wahrsten Sinne des Wortes - wurden seine Versuche zur Behandlung erektiler Dysfunktion. Autorin: Hellmuth Nordwig

Stand: 30.04.2024 | Archiv

30 April

Dienstag, 30. April 2024

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Frank Halbach

Er gehört in das "Pantheon namhafter britischer Exzentriker", wie ein Augenzeuge eines legendären Vortrags schreibt: Giles Brindley, geboren am 30. April 1926. Weil seine alleinerziehende Mutter kaum Zeit für ihn hat, wächst der Schüler in Internaten heran. Ob er wohl dort geprägt wurde für das, was ihn später bekannt, aber auch berüchtigt machen wird?

Was passiert, wenn ... ?

Erst mal studiert Brindley Naturwissenschaften und spezialisiert sich auf alles, was im Körper passiert. Antworten sucht er gern mit ungewöhnlichen Experimenten. Zum Beispiel trinkt er als junger Dozent auf dem Kopf stehend, um zu beweisen, dass Schlucken nichts mit Schwerkraft zu tun hat. Später bringt er seiner Frau Hilary bei, sein Auto in hohem Tempo schleudern zu lassen. Als sie es kann, setzt er sich rein, lässt im vollen Schleuderkurs ein Kaninchen los und dokumentiert, wie lange es dauert, bis das verdutzte Tier wieder auf seinen Beinen steht.

Seine Forschung über das Nervensystem hat ganz praktischen Nutzen. Als einer der ersten konstruiert er eine Vorrichtung, die Blinden ein bisschen Sehvermögen zurückgeben soll. Vier Menschen pflanzt er sie ein, aber der Erfolg ist bescheiden. Anders sein Blasenschrittmacher: Er ist ein wichtiges Produkt für Querschnittgelähmte geworden. Erprobt hat er ihn vor allem an sich selbst. Dazu muss man nicht gelähmt sein: Es geht darum, auf Knopfdruck Wasser zu lassen.

Sichtbare Wirkung

Überhaupt ist er ein Fan von Selbstversuchen. Was uns nun zu besagtem Vortrag bringt, den er im Jahr 1983 in Las Vegas gehalten hat.
Sein Weg als Forscher hat ihn mittlerweile von der Harnblase zum Thema Potenz geführt. Auch da gibt es bekanntlich Bedarf für Hilfsmittel. Einige Substanzen sollen hier auf die Sprünge helfen - und der experimentierfreudige Brindley spritzt sich kurzerhand eine davon in den Schwellkörper seines Penis. Was nach seiner Schilderung bestens wirkt, aber trotzdem nicht zur Nachahmung empfohlen wird.

In Las Vegas soll er diese Ergebnisse vor Urologen vorstellen, und zwar - so die Vorgabe - möglichst anschaulich. Gesagt, getan. Brindley verabreicht sich die Spritze und macht sich eine Viertelstunde später auf zum Vortragssaal. Damit die Zuhörer die Wirkung einschätzen können, hat er eine lockere Trainingshose angezogen. Trotzdem ist das Ergebnis nicht so deutlich sichtbar, wie er sich das vorstellt. Ob er denn die Kleidung lieber fallen lassen würde, fragt ihn der Sitzungsleiter. Der Forscher lässt sich das nicht zweimal sagen - und watschelt mit heruntergelassener Hose zur ersten Reihe, auf dass die Herren Fachleute überprüfen können, dass er nicht schummelt.

Einer atemlosen Stille folgt durchdringendes Kreischen - denn was Brindley vielleicht nicht bedacht hat: Es sind nicht nur Ärzte im Raum, sondern auch viele von deren Ehefrauen. Die ahnen da noch nicht, dass dem Auftritt des Engländers fünfzehn Jahre später ein Medikament mit genau der gleichen Wirkung folgen wird - mit allen Konsequenzen für das Sexleben auch von Frauen, erfreulichen und unerwünschten. Genauso zwiespältig bleibt für uns das Bild von Giles Brindley, dem exzentrischen Experimentator - und Exhibitionisten.


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