Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. Juni 1783 Brüder Montgolfier führen ersten unbemannten Heißluftballon vor

Eigentlich waren die Brüder Montgolfier Papiermacher. Doch statt einen Papierflieger zu falten, entwickelten sie den ersten Heißluftballon. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 04.06.2020 | Archiv

04 Juni

Donnerstag, 04. Juni 2020

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Pariser würden sagen: Ganz schön langweilig hier. Annonay, das ist ein ruhiges Städtchen mitten in Frankreich. Viel Landschaft gibt es hier, eine kleine Papierfabrik und eine Gerberei. Das ist es aber auch schon. Vorbei sind die lustigen Zeiten des Mittelalters. Da wurde zur Erbauung der Einwohner ab und zu ein Sträfling von der Stadtmauer in den Fluss Deume geworfen und kam unter den Augen der Annonéens zu Tode. Nicht mal das gibt es jetzt noch, kurz vor der französischen Revolution.

Der Träumer und der Unermüdliche

Die Papierfabrik gehört einem gewissen Pierre Montgolfier, dem möglicherweise auch langweilig ist. Jedenfalls zeugt er mit seiner Frau Anne Duret 16 Kinder. Das zwölfte heißt Joseph, ein in sich gekehrter Träumer. In der Schule taugt er nichts. Sogar aus der Pflegefamilie, in die sein Vater ihn steckt, büchst er aus. Aber reisen und das Papier der Familie verkaufen, das kann er. Etienne, die Nummer 15, ist da ganz anders. Ein glänzender Schüler, fleißig und unermüdlich. Ihm vertraut der Vater seine Nachfolge an.

Wie die beiden die Erfindung machen, die sogar ihren Namen tragen wird und dem Städtchen Annonay endlich Abwechslung verschafft - darüber gibt es zwei Versionen. Die erste: Joseph ist bei einem Kunden in einem kalten Zimmer untergebracht. Um sein Hemd zu wärmen, hält er es in den Kamin, und - heureka! - es wird nach oben gezogen. Auch die zweite Version spielt in dem kühlen Quartier, nur studiert Joseph da einen Kupferstich. Der zeigt die Belagerung von Gibraltar, die zu der Zeit schon drei Jahre andauert. Träumend schaut Joseph in den Kamin - und bemerkt, dass der Rauch nach oben steigt! Und sogar ein Stück Seide tut das, das er bei sich hat. Vielleicht könnte man so Lebensmittel nach Gibraltar bringen?

Er fliegt!

Zu Hause experimentieren die Brüder gemeinsam und spannen auch die Belegschaft der Fabrik ein. Eine Ballonhülle aus Stoff und Papier wird genäht, Schnüre umkleiden das Ganze.

Erste Flugversuche finden nachts statt, damit es niemand merkt - trotzdem heißt es bald, da zaubert jemand. Am 4. Juni 1783 ist es dann soweit: Die Brüder entzünden in Annonay Stroh, Wolle und alte Schuhe - alles, was mächtig raucht. Dass nicht der Rauch wichtig ist, sondern die Hitze, wissen sie noch nicht. Bald sind acht Mann nötig, um den prallen Ballon zu halten. "Kaum aber war das Signal gegeben", heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, "so stieg (die Maschine) auf und schwang sich schnell in die Luft, wo sie mit beschleunigter Bewegung in weniger als zehn Minuten eine Höhe von tausend Toisen erreichte". Fast zweitausend Meter wären das, aber wer weiß das schon so genau. Jedenfalls geht der Ballon drei Kilometer weiter in einem Weinberg nieder.

Eine rundum gelungene Vorstellung, der rasch weitere folgen. Drei Monate später werden vom Schloss Versailles aus vor den Augen des Königs ein Hammel, ein Hahn und eine Ente in die Luft geschickt und überleben. Damit ist der Weg frei für menschliche Ballonfahrer. Zu spät für Gibraltar, aber während der Belagerung von Paris wird fast 90 Jahre später die Post mit bemannten Ballons aus der Stadt gebracht.


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