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Biomüllbeutel Warum dürfen kompostierbare Tüten nicht in die Biotonne?

Kompostierbares Plastik - klingt gut, verursacht aber in der Praxis Probleme. Warum das so ist und warum sogenannte Biomüllbeutel nicht in die Biotonne dürfen, lesen Sie hier.

Von: Alexander Dallmus

Stand: 19.01.2023

Eine Frau trägt zwei Plastiktüten mit der Aufschrift "100 Prozent kompostierbar" | Bild: mauritius images

Kompostierbare Plastiktüten - das klingt erstmal gut, führt aber praktisch in den Kompostieranlagen zu Problemen. Warum das so ist und welche Lösungsansätze dazu verfolgt werden, hören Sie in dieser Folge unseres Nachhaltigkeitspodcasts Besser leben:

https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/wie-gut-sind-kompostierbare-verpackungen-wirklich/bayern-1/85076920/

Kompostierbare Müllbeutel nicht in Biotonne

Bei den meisten Biokunststoffen geht es nach dem Einsatz als Verpackung, Folie oder Beutel nicht um einen geschlossenen Recyclingkreislauf, sondern um die Kompostierbarkeit der Produkte. Deshalb lassen sich die Anbieter, speziell von "kompostierbaren Verpackungen", die Abbaufähigkeit auch meist zertifizieren. Und zwar nach der Norm EN 13432 als "biologisch abbaubar". Und ein grünes Siegel gibt's noch obendrauf. Das Problem: Der grüne Keimling (Seedling) ist zwar ein eingetragenes Markenzeichen des Europäischen Verbandes der Biokunststoffproduzenten (en.european-bioplastics.org), aber letztlich nur eine Art Markenzeichen. Wichtigstes Kriterium, um die Lizenz zu erhalten: Das eingesetzte Bioplastik muss nach drei Monaten zu 90 Prozent verrottet sein muss. Allerdings unter industriellen Bedingungen.

Die meisten Kompostanlagen in Deutschland können damit nichts anfangen. Deshalb ist die deutsche Entsorgungswirtschaft auch absolut gegen den Einsatz von abbaubaren Kunststoffen in der Biotonne:

"Auch die Verordnungen, die es in Deutschland gibt, stehen dem entgegen. Das ist in Deutschland gar nicht erlaubt, dass diese biologisch abbaubaren Kunststoffe in die Biotonne geworfen werden."

Michael Buchheit, Vorsitzender der regionalen Gütegemeinschaft Kompost und Niederlassungsleiter bei Wurzer-Umwelt, im Bereich Bioabfall und Grüngut.

Bei Wurzer-Umwelt werden die Kosten, um kompostierbare Verpackungen und andere Störstoffe aus Bioabfall zu holen, auf mehrere 100.000 Euro jährlich beziffert.

Kompostierbare Biomüllbeutel

Das Problem ist, dass bei der Sortierung nicht klar unterschieden werden kann, was herkömmliches Plastik ist und was tatsächlich kompostierbar wäre. In der Regel gelangen diese Kunststoffe gar nicht in die Verarbeitung. Selbst wenn die Hersteller versichern, dass auch schon nach wenigen Wochen sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hat.

"Labortests oder auch Tests an praktischen Anlagen haben gezeigt, dass auch hochwertige, technisch gut aufgebaute Anlagen es nicht schaffen, innerhalb dieser vorgegebenen Zeiten diese Biokunststoffe abzubauen"

, Michael Buchheit Vorsitzender der regionalen Gütegemeinschaft Kompost und Niederlassungsleiter bei Wurzer-Umwelt, im Bereich Bioabfall und Grüngut

Beim weltgrößten Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen, wo auch kompostierbare Verpackungsmaterialien für die internationalen Märkte entwickelt und vertrieben werden, sieht man das natürlich etwas anders. Zu unflexibel und starr seien hier die Strukturen im Entsorgungssektor. "Zum Beispiel in Italien, dort gibt es Zusatzzertifikate, die von den Kompostierern für die verschiedenen Anwendungen herausgegeben werden und die dann sicherstellen, dass es innerhalb des Entsorgungssystems auch Akzeptanz findet", sagt Katharina Schlegel, BASF Global Market Development Biopolymers. Mit den entsprechenden Zertifikaten dürfen dort eben dann auch Verpackungen über die Biotonne entsorgt werden.

Wie lange Biomüll kompostiert werden muss, richtet sich letztlich auch immer danach, wofür er später verwendet werden soll. Frischkompost für die Landwirtschaft braucht weniger Zeit, Fertigkompost für Schrebergärten muss wesentlich länger liegen. Allerdings steigen die Kosten für die Entsorgung, je länger die Kompostierung dauert. "Daher kommen wir mit den Überlegungen zu einer flexibleren Handhabung eigentlich nicht wirklich weiter", sagt Christopher Stolzenberg vom Bundesumweltministerium in Berlin, "eine spezielle Kennzeichnung solcher Verpackung ist also gar nicht nötig."

Kompostierbare Plastiktüten Biotonne

Aber genau diese spezielle Kennzeichnung "biologisch abbaubar" verwirrt viele Verbraucher gerade bei kompostierbaren Biomülltüten. Die meisten finden nämlich diese Tüten wesentlich hygienischer als die zugelassenen braunen Papiertüten, die schnell mal durchweichen. Und bei diesen so genannten Hemdchentüten, gibt es auch einige wenige Kommunen in Deutschland, die diese auch in der Biotonne akzeptieren. Das weiß natürlich auch Katharina Schlegel von BASF:

"Die erlauben diese Beutel und schätzen Sie auch sehr wert innerhalb ihres Abfallstroms, weil sie einfach gesehen haben, dass die Leute eine Form von Beutel zum Sammeln von Biomüll wollen und auch in Studien klar gezeigt ist, dass die Leute mehr sammeln, wenn man ihnen eine Tüte in die Hand gibt."

Katharina Schlegel, BASF Global Market Development Biopolymers

Unterm Strich führe das zu mehr Akzeptanz beim Biomüll und zu einem höheren sowie sortenreineren Aufkommen.

Tatsächlich haben viele Kommunen, wie etwa auch München, das Problem, dass sie kompostierbare Müllbeutel im Biomüll zwar verbieten, die Kunden sie aber dennoch reihenweise in die Braune Tonne werfen. Dass unter dem Aufdruck "kompostierbar" noch der Zusatz steht, dass man bei der für Biotonne zuständigen Gemeinde nochmal nachfragen soll, überlesen die meisten. Werden diese Tüten bei Stichproben-Kontrollen entdeckt, ist damit sofort die ganze Tonne für die Kompostierung unverwertbar geworden.

Im Nachbarland Österreich hat man das Problem auf eine sehr praktische Art gelöst. "Auch da gab es das Problem, dass zu viele Polyethylen-Tüten im Kompost sind und dass man die auch gar nicht mehr richtig raussammeln konnte", sagt Katharina Schlegel von BASF, "und dort war einfach eine ganz klare Lösung, dass einfach alles gegen kompostierbare ausgetauscht wird. Das war auch eine lange Diskussion, und am Ende des Tages war das eine Aktivität, die von den Kompostierern angetrieben wurde."

Wieviel Plastik darf im Biomüll sein?

Dass einige Bürger so schlecht oder nicht richtig trennen, wird auch für viele Kommunen und Landkreise zunehmend ein Problem. Es landet einfach zu viel Plastik in der Biotonne. Da gerade aus unseren Biomüll wieder gute Komposterde werden soll, ist es umso ärgerlicher, wenn letztlich Mikroplastik später auch im Gartenbeet landet oder auch in der Biogasanlage. Nach Schätzungen des Branchenverbands BVSE sind es bis zu 15 Prozent Fremdstoffe, die eigentlich nicht in die meist Braune Tonne gehören.

Die Kommunen und Landkreise, die für die Müllentsorgung zuständig sind, müssen sich etwas einfallen lassen. Denn schon bald dürfte es eine schärfere Gesetzgebung zu Plastik im Biomüll geben: Die Novellierung der Bioabfallverordnung könnte bis Mitte 2022 Gesetz werden. Dann dürfen Bioabfälle vor der Kompostierung nur noch maximal 0,5 Prozent Kunststoffe enthalten. Kommen die Bioabfälle aus der Biotonne, ist nur noch ein Prozent Plastik erlaubt.

Was tun gegen Plastik im Biomüll?

Damit weniger Kunststoffe von Blumentöpfen, Kartoffelnetzen und ähnlichem in den Biotonnen landen, und später in Kompostieranlagen ohne Schadstoffe richtig aufbereitet werden können, ziehen jetzt viele Städte und Landkreise die Daumenschrauben an. Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Beispielsweise auch im oberfränkischen Bamberg. Dort haben die Müllwerker bei der Leerung der Biotonnen in den letzten Wochen und Monaten auch mal einen genaueren Blick reingeworfen. Tonnen, in denen Fremdstoffe drin waren, bekamen einen roten Aufkleber. "Ich bin auch mal mitgefahren und sie glauben gar nicht, was man im Biomüll alles findet", klagt Jonas Glüsenkamp, der zweite Bürgermeister und Umweltreferent von Bamberg: "Eine Fritteuse, Plastiktüten, CD-Hüllen. Also alles, wo man eigentlich in der dritten Klasse irgendwann mal gelernt hat, dass es da nicht reinkommt oder sich zumindest die Informationen beschaffen kann. Und deswegen haben wir diese Tonnen stehengelassen."

Zunächst gab es zwar Proteste und auch wütende Briefe ins Rathaus, aber der erzieherische Moment zeigte Wirkung. Blieben anfangs noch etwa sechs Prozent der Biotonnen bei der Leerung stehen, waren es zuletzt nur noch 3 Prozent. Drei Problemfelder gibt es noch bei der Ahnung von Fehlwürfen: Erstens die kompostierbaren Verpackungen, wie Biomülltüten, die in der Braunen Tonne verboten sind. Zweitens Passanten, die Fremdstoffe in die rausgestellten Biotonnen werfen und große Wohnanwesen mit sehr vielen Parteien, sagt Jonas Glüsenkamp: "Wo es vielleicht einen gibt, der die Gemeinschaft da ausnutzt und Fehlwürfe tätigt. Auch da wird man über Informationen oder über die Wohneigentümergemeinschaften noch stärker in die Information gehen müssen."

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Biomülltüte aus Zeitung Denn die als biologisch abbaubar angepriesenen Plastikbeutel verrotten leider doch nicht, selbst nach 3 Jahren in Salzwasser nicht - das fanden Forscher der University of Plymouth jetzt raus. Dann doch lieber Zeitungs-Origami - einfach einwickeln geht natürlich auch 😉Gepostet von BAYERN 1 am Samstag, 4. Mai 2019

Ist PLA umweltfreundlich?

Schon beim Begriff "Bio-Kunststoff" wird's problematisch. Was nämlich genau "bio" ist oder sein muss, ist nicht geschützt. Letztlich können diese verketteten Moleküle aus Erdöl, aber auch aus Maisstärke oder Zuckerrohr kommen. Die chemische Grundlage für das Produkt kann deshalb bei jedem Stoff so zusammengesetzt sein, dass es nach einer gewissen Zeit wieder zerfällt oder die nächsten hundert Jahre bleibt. Somit kann eben auch ein petroleumbasierter Kunststoff durchaus biologisch abbaubar sein, erklärt Katharina Schlegel von BASF Global Market Development Biopolymers: "Das heißt, ein abbaubarer Kunststoff in der Kompostanlage kann sowohl Fossil als auch biobasiert sein, während ein biobasierter entweder klassisch nicht abbaubar ist - oder aber auch biologisch abbaubar.“

Für die meisten Biokunststoffe werden heutzutage Polylactide oder auch Polymilchsäuren genannt, kurz PLA, eingesetzt. Das Material ist aus Stärke, das dann eben aus Mais, Zuckerrohr oder auch Kartoffeln gewonnen werden kann. Nicht selten gibt es aber auch Mischungen aus nachwachsenden Rohstoffen und aus Erdöl.

Kompostierbares Plastik: Verpackungen aus Zucker, Milchsäure oder Zellulose

Die Hersteller und Anbieter kompostierbarer Verpackungen sind von ihren Alternativen zum petroleumbasierten Kunststoff natürlich überzeugt. Patrick Gerritsen produziert mit seiner Firma "Bio4Pack" beispielsweise kompostierbare Verpackungen in Nordhorn/Niedersachsen, nahe der niederländischen Grenze. Die Tüten sehen aus wie ganz herkömmliche, durchsichtige Plastikverpackungen auf Basis von Erdöl. Sind sie aber nicht, sagt Bio4Pack-Geschäftsführer Gerritsen:

"Nein, diese Verpackung ist auf Basis von Zellulose und Zucker - zu hundert Prozent kompostierbar. Auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen. Das heißt, ab auf den Komposthaufen und es verschwindet in CO2 und Wasser."

Patrick Gerritsen, Bio4Pack-Geschäftsführer

Auch Arnold Schleyer von der Firma "Compostella" im hessischen Laubach verkauft Plastikalternativen: "Wir haben die plastikfreie Verpackung für Wurst und Käse entwickelt. Wir haben ein dichtes Papier genommen. Ein Papier, das aus reiner Cellulose besteht. Und haben es bestrichen mit einem natürlichen Wachs. Und natürliches Wachs heißt in dem Moment: Ein Pflanzenwachs." Das Naturwachs stammt von der Carnauba-Palme, einer Wachspalme aus Südamerika.

Beide Produkte könnten Alternativen für Plastikverpackungen im Supermarkt sein. Zumindest in bestimmte Fällen. Die Zuckertüten von "Bio4Pack" sind beispielsweise für Linsen oder ähnliches gut geeignet, aber Vakuumverpackungen sind ein Problem und besonders hitzebeständig sind die Tüten auch noch nicht:  "Es kommt im Laden nicht vor, dass es anfängt zu verrotten", sagt Patrick Gerritsen, "es muss auf den Komposthaufen und dann geht es erst richtig los. Und dann sind wir innerhalb von zwölf Wochen auch komplett weg."

Bio-Kunststoffe in den Gelben Sack

Richtig entsorgt sind generell alle Biokunststoffe im Gelben Sack oder der Gelben Tonne. "Alle Verpackungen, die nicht aus Papier oder aus Glas sind, gehören in den Gelben Sack und damit auch diese bioabbaubaren oder kompostierbaren Verpackungen“, sagt Axel Subklew von der Kampagne "Mülltrennung wirkt!", einer Initiative der dualen Systeme in Deutschland. Allerdings will gerade die kompostierbaren Verpackungen da auch niemand so recht haben. Schließlich ist sehr wichtig, dass am Anfang des Prozesses immer auch an die spätere Recycling-Ausbeute gedacht wird. "Das steuern wir über entsprechende Anreizsysteme. Die normalen bioabbaubaren, kompostierbaren Verpackungen gelten als nicht recyclingfähig. Zurzeit...", fügt Axel Subklew noch an, "weil wir diesen Verwertungsweg nicht haben. Und deshalb sind sie auch teurer und müssen teurer in der Lizenzierung werden."

Problematisch beim Recycling sind insbesondere die Verpackungen, die kompostierbar sind. Beim Reinigungs- und Pflegemittelhersteller Werner & Mertz, die mit ihrer Marke "Frosch" zu den führenden Aufbereitern vom Plastik aus dem Gelben Sack gehören, sieht man diese Stoffe auch kritisch, denn sie führen zu Problemen bei der Verwertung gerade im PET-Strom, aber auch bei anderen Kunststoffen.

"Das heißt, schon geringe Mengen an kompostierbaren Verpackungen in dem Kunststoffrecycling führen zu massiven Qualitätsverlusten bis hin zu komplett unbrauchbaren Ergebnissen. Kunststoffe, die biogenen Ursprungs sind, machen im Recycling keine Probleme, sofern sie eben die Polymere Struktur von konventionellen Kunststoffen, die auf Rohöl basieren haben."

Timothy Glaze, Leiter Corporate Affairs bei Werner & Mertz

Aber das ist in der Regel der Fall, so dass sie letztlich wie ganz normaler Kunststoff in den Recyclingprozess eingehen und auch recycelt werden können. In den Biomüll dürfen kompostierbare Plastiktüten nicht, hier lesen Sie "Was darf in die Biotonne"

Noch keine Lösung: Mit Bio-Kunststoff gegen Plastikflut

Leider meist nicht kompostierbar: Bio-Plastiverpackungen

Dass die Flut an Plastik(-Verpackungen) und die daraus resultierenden winzigen Teilchen, das Mikroplastik, mittlerweile weltweit ein ernsthaftes Problem darstellen, ist zumindest erkannt. Allein in Deutschland gelangen nach einer Untersuchung (Fraunhofer-Studie von 2018) jährlich rund 446.000 Tonnen Kunststoff in die Umwelt. Inzwischen reagiert auch die Politik: So hat die EU ein Herstellungsverbot für Einwegplastik beschlossen, das ab Mitte 2021 gelten soll. Bereits 2019 sind, im Rahmen der Basler Konvention, die Regeln für den Export von Kunststoffabfällen verschärft worden. Als Folge drängt die Industrie wiederum mit sogenannten Bio-Kunststoffen oder kompostierbaren Verpackungen auf den Markt. Aber im deutschen Wertstoff-Kreislauf hat man für diese Produkte derzeit keine Verwendung und sie schaffen eher Probleme, da sie nicht selten falsch entsorgt werden.

Gerade im Lebensmittelhandel haben Plastikfolien oder Umverpackungen zudem eine Funktion: Sie sollen vor allem Obst und Gemüse schützen. So fällt auch das Ergebnis eines sechsmonatigen "Unverpackt-Tests" bei Bio-Lebensmitteln in 630 REWE-Märkten im Südwesten Deutschlands eher verhalten positiv aus. Einerseits, berichtet die REWE-Group, könnten (hochgerechnet) bei unverpacktem Bio-Eisbergsalat zwar bundesweit 3.000 Kilogramm Plastik jährlich eingespart werden. Andererseits würden im gleichen Zeitraum voraussichtlich 18,5 Tonnen Bio-Eisbergsalat unverkäuflich, weil die schützende Hülle fehlt. Lässt sich das Problem von Plastikverpackungen also mit Lebensmittelverschwendung gegenrechnen? REWE stellte bei seinem Versuch noch etwas viel Entscheidenderes fest:

"In der Zeit, wo beispielsweise Bio-Karotten lose angeboten wurden, sank die Nachfrage danach deutlich. Demgegenüber griffen eine zunehmende Zahl an Kunden nach den verpackten, konventionellen Möhren."

REWE-Group

Erforschung von alternativen Bio-Kunststoffen in Bayern

Das Problem vieler Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen, hat bereits das Umweltbundesamt (UBA) 2012 umrissen. Damals lautete das ernüchternde Fazit: Verpackungen aus Erdöl-Plastik sind - ökologisch betrachtet - zumindest etwa gleich schlimm wie biologisch abbaubare Ersatzprodukte:

"Der CO2-Ausstoß fällt zwar geringer aus, ebenso der Verbrauch von Erdöl. In anderen Umweltbereichen kommt es aber zu größeren Belastungen - vor allem durch Düngemittel" Studie des Umweltbundesamtes (UBA) von 2012

Eben, wenn die alternativen Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, wie Zuckerrohr, aber auch Mais oder anderen Kulturpflanzen. Zumal, wenn es Konkurrenzen gibt zum Futter- bzw. Lebensmittel-Einsatz, und eben diese Pflanzen dann in Monokulturen oder problematischen Regionen angebaut werden. "Das heißt, dass dort dann auch ökologische Schäden entstehen, die wir nicht unterstützen wollen," sagt Timothy Glaze von Werner & Mertz  in Mainz. "Ein weiteres Problem ist, dass die Biodiversität dadurch natürlich massiv eingeschränkt wird. Und auch das ist ein Grund für uns, zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Kunststoffe biogenen Ursprungs einzusetzen."

In Bayern geht die Forschung zu alternativen Verpackungsmaterialien deshalb auch in eine andere Richtung. An der technischen Hochschule Nürnberg, arbeitet Prof. Dr. Stephanie Stute zum Beispiel mit Bakterien, die sie mit Roh-Glycerin füttert. Roh-Glycerin ist ein billiges Abfallprodukt aus der Bio-Dieselherstellung, das derzeit kaum verwertet wird. Hier aber zum Nährstoff für die Herstellung von Bio-Plastik wird:

"Und dann verwerten diese Bakterienzellen das, teilen sich - und wenn man dann einen gezielten Nährstoffmangel setzt, hören diese Zellen auf sich zu teilen und lagern nur noch Speicherstoffe ein. Ähnlich wie Oliven Öle einlagern oder ein Getreidekorn Stärke einlagert, lagern diese Bakterien eben Poly-Buttersäure ein und das ist das Bio-Polymer, das uns interessiert."

Prof. Dr. Stephanie Stute, TU Nürnberg

Diese Poly-Buttersäure - kurz PHB - kommt am Ende des Verfahrens als cremig-milchig-weiße Flüssigkeit heraus. Wenn Forscherin Stephanie Stute das Wasser entzieht, bleibt eine Art Granulat übrig. Aus diesem Pulver ließe sich dann, in verschiedenen Verfahrensschritten wiederum, Verpackungsmaterial wie Tüten oder Folien oder auch Einweggeschirr herstellen. Das Problem derzeit: PHB ist in der Herstellung noch etwa fünf Mal so teuer wie entsprechendes Standardplastik. "Mit einem deutlich wirtschaftlicheren Verfahren", sagt Stephanie Stute, "könnte sich hier schnell eine Umstellung auf die Bio-Polymere für Verpackungsmaterialien ergeben. Das wäre mein Hauptziel." Bis das Produkt wirklich konkurrenzfähig ist, dürften noch einige Jahre vergehen.

Auch am Fraunhofer-Institut in Würzburg wird geforscht. Die Chemikerin Dr. Sabine Amberg-Schwab entwickelt dort mit ihrem Team kompostierbare Barriere-Schichten für Verpackungen. Also Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Fühlt sich an wie Plastik, hat dieselben Eigenschaften wie Plastik, ist aber komplett kompostierbar:

"Da kann man eben sehen, dass bioabbaubare Beschichtungen, erste Zersetzungsreaktionen schon nach sechs Wochen zeigen. Wenn das Material also komplett abgebaut also verkompostiert ist, bleibt dann nur noch Wasser, CO2 und ein bisschen Sand übrig."

Chemikerin Dr. Sabine Amberg-Schwab, Fraunhofer-Institut Würzburg

Für den Alltag ist aber wichtig, dass die Produkte nicht nur die Vorgaben der EU erfüllen, sondern auch in modernen Kompostieranlagen der Entsorger, beim Zersetzungsprozess mit anderen Stoffen mithalten können.

Kompostierbares Plastik

Solange es im Rahmen eines gezielten Abfallmanagements keine sinnvolle Verwertung oder Rückführung von biobasierten Kunststoffen gibt, muss natürlich auch über die Sinnhaftigkeit solcher Produkte diskutiert werden. Zumal wenn es, außer einer thermischen Verwertung, keinen Zusatznutzen gibt. Das ist vor allem dann problematisch, wenn diese Verpackungen beim Verbraucher den Eindruck erwecken, sie seien "besser" als herkömmliche Plastikverpackungen die aber immerhin wieder dem Recycling zugeführt werden können. Noch forscht auch die Lebensmittelbranche nur sehr punktuell an alternativen Materialien, beispielsweise auf der Basis von Bambus, Gras, Zuckerohr oder Maisstärke:

"Es gibt viele Forschungsinitiativen, allerdings handelt es sich meistens um Einzelfalllösungen für bestimmte Lebensmittel, weniger um Verpackungslösungen, die in großem Umfang eingesetzt werden können."

Sieglinde Stähle, Wissenschaftliche Leitung des deutschen Lebensmittelverbands

Immer dann, wenn herkömmliches Plastik nicht einfach ausgetauscht, sondern gezielt wegen spezieller Eigenschaften von Bioplastik ersetzt werden kann, macht es Sinn: "Wir haben zum Beispiel in Österreich für Karotten Folien eingeführt, die eine 50 Prozent längere Haltbarkeit für die Karotten und Wurzelgemüse haben", sagt Verpackungsberaterin Carolina Schweig, "die eine Verkeimung oder das Verschimmeln verhindert. Das sind Ansätze und dafür rentiert sich das tatsächlich, weil wir dann wieder vielmehr Funktionalität da reingekommen."

Gerade für den Einsatz von Plastik im Freien oder speziell in der Landwirtschaft, können kompostierbare Materialien durchaus auch schon bald eine sinnvolle Ergänzung darstellen. "Ob das jetzt Planen in der Landwirtschaft sind", sagt Axel Subklew von "Mülltrennung wirkt!", "das kann eine sinnvolle Anwendung sein. Dass diese Materialien quasi auch wieder eingearbeitet werden können. Also kein Mikroplastik, wie wir es ja nicht haben wollen. Und für solche Anwendung kann das eine sehr, sehr gute Lösung sein." Zum Beispiel bei Abdeckungen von Mais- und Gras-Silos. Hier hat kürzlich ein Chemiker aus Ampfing, im oberbayerischen Landkreis Mühldorf am Inn, eine Plane zum Aufspritzen entwickelt, die nicht nur kompostierbar, sondern sogar für Kühe essbar sein soll. Mit seinem Start-up "feed!it" haben er mit einem Partner dabei den dritten Platz beim regionalen Businessplan-Wettbewerb "ideenReich 2020“ gewonnen.

Quellen:

Podcast "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast"

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Alle Folgen zum Nachlesen finden Sie auf der Übersichtsseite "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast".

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