Bayern 1 - Experten-Tipps


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Womit Hände abtrocknen Welche Handtrocknung ist die umweltfreundlichste?

Papiertuch, Jetstream oder Stoffhandtücher - welche Art der Handtrocknung ist am hygienischsten? Und dazu auch noch umweltfreundlich? Der Umweltkommissar hat recherchiert.

Von: Alexander Dallmus

Stand: 18.02.2017 | Archiv

Hände abtrocknen | Bild: mauritius-images

Auf den ersten Blick scheint es einfach, einen Umweltvergleich zu machen. Allerdings zeigt sich, dass es so viele Komponenten gibt, die eine Rolle spielen, dass eine klare Rangfolge gar nicht so leicht zu erstellen ist. "Wir haben festgestellt, dass die Datenlage nicht so ist, wie man es sich für eine vernünftige Ökobilanz wünscht", sagt Elke Kreowski vom Bundesumweltamt (UBA) in Dessau, "da gibt es eben die Stoffhandtuchrollen, bei denen wir bis zum Baumwollanbau zurückgehen müssen. Bei den Papierspendern muss darauf geschaut werden, wo das Papier herkommt, also das Holz. Das sind natürlich riesengroße Datensätze die nicht zur Verfügung stehen, um alle Systeme vernünftig miteinander zu vergleichen." Das UBA hat es in einer neuen Untersuchung trotzdem versucht und dabei auch die modernen "Jetstream"-Trockner mit einbezogen, die in jüngerer Zeit vermehrt auch auf Toiletten in Deutschland zum Einsatz kommen.

Ein Aspekt ist in einer reinen Ökobilanz oft auch nicht berücksichtigt: Trocknen die Systeme wirklich schnell und umfassend die Hände? Das gehört in den Bereich der Hygiene, aber nicht zur CO2-Bilanz. Auf feuchten Händen finden sich aber noch wesentlich mehr Bakterien als auf wirklich trockenen. Der TÜV kam daher bei einer Untersuchung (2005) über die verschiedenen Arten der Handtrocknung (im Auftrag des Verbands Deutscher Papierfabriken e.V.) zu dem Schluss:

"... dass nach dem Händewaschen und dem anschließendem Trocknen mit Papier- oder Stofftüchern die Anzahl der Bakterien abnimmt und bei der Verwendung von Lufttrockner die Anzahl der Bakterien zunimmt."

TÜV Untersuchung von 2005

Papierhandtücher – nur sparsam ausgeben

Zwei Papiertücher pro Händeabtrocknen ist ökologisch ok - bei Recyclingpapier.

Papierspender sind auf Toiletten immer noch weit verbreitet und es ist in einer Umweltbilanz unbedingt notwendig zu beachten, ob hier Zellstoff aus Frischfaser oder Recyclingpapier ausgegeben wird. Leider ist es auch in Deutschland so, dass immer noch zu viel Papier aus Frischfasern importiert wird. Der Rohstoff für Frischfaserpapier wird aus Holz gewonnen, genauer aus Holz- oder Zellstoff. Vor allem der Zellstoff wird in Deutschland zu 80% importiert und der hierfür verwendete Rohstoff „Holz“ stammt sehr oft aus Urwaldgebieten.

Deshalb ist es logisch, ausschließlich Papierhandtücher aus 100% Recyclingpapier für den Einsatz in Toiletten zu verwenden. Der Altpapiereinsatz liegt in Deutschland immer noch bei 72 Prozent, wobei Zeitungen meist zu 100 Prozent aus Altpapier gewonnen werden. Der Vorteil von Papierfasern liegt darin, dass sie bis zu 7 Mal wiederverwendet werden können. Deshalb ist Altpapier auch der Rohstoff, aus dem Recyclingpapier gewonnen wird.

Herstellung von Papier für Hygienetücher

Je mehr Zellstoff wir verbrauchen, desto mehr Plantagen auf gerodeten Regenwaldgebieten gibt es. Aber auch die nordischen Urwälder in Russland, Schweden oder Kanada sind betroffen. Meist ist der industrielle Holzeinschlag für die Gefährdung der globalen Urwälder verantwortlich. In Nordamerika sind das bis zu 80 Prozent, in Russland bis zu 85 Prozent. Klimaveränderung und Bodenerosionen sind darauf zurückzuführen. Jahr für Jahr verschwinden 12 bis 15 Millionen Hektar Wald – das entspricht einer Fläche dreimal so groß wie die Schweiz. Rechnet man das hoch, verschwindet alle zwei Sekunden Urwald in der Größe eines Fußballfeldes!

Da das Altpapier in Deutschland gesammelt wird, sind auch die Transportwege deutlich kürzer. Bei Papierspendern in Toiletten ist es natürlich wichtig, die Ausgabe extrem zu kontrollieren. Vorrichtungen, die es ermöglichen, ganz leicht drei, vier oder mehr Tücher zu entnehmen, sind nicht gut und drücken die Ökobilanz eines Papierspenders nach unten. In der Regel wird mit zwei Papiertüchern pro Trocknungsvorgang gerechnet. Noch besser sind jedoch neue Geräte, die lediglich ein Blatt ausgeben. Allerdings steht hier der Ökologie auch die Hygiene gegenüber, denn - wie bereits erwähnt - sind nur wirklich trockene Hände nach dem Waschvorgang auch weitgehend frei von Bakterien.

Das Umweltzeichen „Blauer Engel“ gibt immerhin eine Orientierung. „Also wenn da nicht vier oder fünf Tücher mit rauskommen, ist ein Papierspender mit Recyclingpapier auch in Ordnung“, sagt Kreowski vom UBA. Nicht berücksichtigt sind dabei die Folgekosten für die Betreiber. Gerade bei Papierspendern fallen große Mengen Müll bzw. Papiertücher an.

Mehrweg-Handtuchrollen – die Wäsche macht’s!

Handtuchrollen sind wegen der Baumwolle ökologisch schwierig.

Hinter jeder Handtuchrolle aus Baumwolle, steckt ein Herstellungsprozess, der es in sich hat. Baumwolle ist beim Anbau sehr empfindlich und braucht eines in rauen Mengen: Wasser! In einem einzigen T-Shirt stecken bis zu 2.000 Liter Wasser, die vor allem beim Baumwollanbau anfallen - das entspricht zirka 10 vollen Badewannen. Angebaut wird Baumwolle ausgerechnet in sehr trockenen Gebieten, weil Regen die gesamte Ernte vernichten könnte, wenn sich die Knospen mit Wasser vollsaugen und verfaulen. Deshalb muss - so grotesk das auch klingt - fast zwei Drittel der weltweiten Baumwollanbaufläche künstlich bewässert werden. Das ist rund die Hälfte aller bewässerten Flächen der Erde. Der Baumwollanbau ist damit für etwa sechs Prozent des globalen Süßwasserverbrauchs verantwortlich.

Um dem noch die Krone aufzusetzen, laufen Baumwollpflanzen ständig Gefahr von Schädlingen befallen zu werden, weil das heiße Klima und die ständige Feuchte hierfür den idealen Nährboden bilden. Das Ergebnis ist, dass massenweise Insektizide über den Anbauflächen ausgekippt werden. Für kein anderes landwirtschaftliches Anbauprodukt werden so viele Pflanzengifte eingesetzt.

Die Folgen dieser intensiven Landwirtschaft sind versalzte Böden, sinkende Grundwasserspiegel und die Umleitung von Flüssen. Das erschreckende Ergebnis lässt sich vor allem beim Aralsee feststellen, einem der größten Binnenmeere der Welt. 70 Prozent des Sees sind mittlerweile ausgetrocknet, auch eine Folge des Baumwollanbaus in der Region. Außerdem stammt mittlerweile fast drei Viertel der weltweit geernteten Baumwolle aus genveränderten Pflanzen. Hauptproduzenten sind China, Indien und die USA. Von den Arbeitsbedingungen auf den vielen Feldern in zahlreichen Entwicklungsländern gar nicht zu reden.

Besser getrocknet, aber noch nicht ideal

Das Öko-Institut Freiburg hat 2006 die Umweltbilanz untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen:

"Insgesamt haben Handtuchrollen aus Baumwolle die geringsten Umweltauswirkungen. Dies gilt sowohl für den Vergleich mit Papierhandtüchern, die komplett aus Frischfasermaterial hergestellt wurden, als auch mit solchen, die zu 50 Prozent aus Recyclingpapier produziert sind."

Öko-Institut Freiburg

Es ist bei dieser Untersuchung jedoch noch ein anderer Punkt herausgearbeitet worden, der zeigt, wie schwierig ein Vergleich unter Umweltaspekten in diesem Bereich ist: Die Handtuchrollen aus Baumwolle müssen natürlich in regelmäßigen Abständen gewaschen werden. Allein hier gibt es jedoch große Unterschiede beim Energie- und Wasserverbrauch, der es nahezu unmöglich macht einen allgemein gültigen Wert festzulegen. Die Stoffhandtuchrollen müssen, einer Empfehlung des UBA entsprechend, „mindestens 80 mal wiederverwendbar sein“ und „der Frischwasserverbrauch darf bei Wäschereien mit Wiederverwendung des Wassers 8 Kubikmeter/Tonne Trockenwaschgut und bei allen sonstigen Wäschereien 10 Kubikmeter/Tonne Trockenwaschgut nicht überschreiten.

Der hygienische Vorteil liegt klar bei den Handtüchern aus Baumwolle. Hier kann jeder seine Hände schnell und ordentlich trocknen.

Elektrische Handtrockner – mittlerweile mit Düsenantrieb

Moderne Hochdruck-Händetrockner schneiden bei Ökolbilanz und Hygiene gut ab.

Elektrische Handtrocknungssysteme haben keinen besonders guten Ruf. Nicht nur weil es in der Vergangenheit oft sehr lange gedauert hat, bis die Hände einigermaßen trocken waren, sondern auch, weil sie als wahre Bakterienschleudern galten, die Keime munter im Raum verteilen.

Die modernen Hochdruck-Händetrockner (z.B. der Airblade von Dyson oder Geräte von Magic Stream) haben den Markt jedoch durcheinandergewirbelt. Bei den „Jetstream“-Trocknern wird der  Luftstrom mit sehr hoher Geschwindigkeit (etwa 600 km/h) zwischen die Hände geblasen. Das pustet mit enormer Kraft die Wassertropfen von Handflächen und Fingern, wobei der Rest der Feuchtigkeit verdunstet. Die Systeme arbeiten allesamt sehr energieeffizient und nach einer Studie der University of Westminster in London (2008), haben Papierhandtücher und Jetstream-Händetrockner ähnlich gute Trocknungszeiten von etwa 10 Sekunden. Bei herkömmlichen Warmluft-Händetrocknern dauert es, mit etwa 50 Sekunden im Durchschnitt, entsprechend länger.

Auch eine US-Ökobilanzstudie 2011 des Materials Systems Laboratory Massachusetts Institute of Technology (MIT), im Auftrag der Firma Dyson, kommt zu dem Schluss, dass Jetstream-Händertrockner (in diesem Falle der Dyson-Airblade) in Sachen Nachhaltigkeit weit besser abschneiden als vergleichbare Systeme wie Papierspender oder Handtuchrollen. Überprüft wurden nicht nur das Treibhauspotenzial, sondern auch "potenzielle Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, Ökosystemqualität, Energieverbrauch, Wasserverbrauch und Bodennutzung“, heißt es im Ergebnisbericht der Untersuchung.

Fazit

Trotz aller Versuche, ist es nicht zufriedenstellend möglich, eine wirklich zufriedenstellende Ökobilanz-Studie für alle Händetrockner-Systeme auszuarbeiten. Deshalb ist auch das Umweltbundesamt (UBA) zurückhaltend, was eine klare Rangfolge angeht. Dennoch muss Elke Kreowski zugeben, „dass eben die CO2-Blanz bei den Hochgeschwindigkeitstrocknern sehr gut ist, weil sie nur aus einem Motor bestehen, der mit relativ wenig Strom die Hände trocknet.“ Zusätzlicher Ressourcenverbrauch durch Papier oder Baumwolle entfällt. Als Orientierung dient auch in Zukunft der "Blaue Engel". Die entsprechend vergebenen Zertifikate werden in Kürze auf der Webseite des Umweltbundesamtes veröffentlicht.

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