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Kühe streicheln Warum Kopfschütteln Gefahr bedeuten kann

Streicheln Sie auch gerne mal Kühe? Was Sie dazu wissen sollten - und warum weglaufen vor einer Kuh immer eine schlechte Idee ist. Tipps vom Kuhflüsterer.

Von: Sabine Dangel

Stand: 16.02.2024

Kühe | Bild: mauritius-images

Wie wandere ich sicher an Kühen vorbei?

Nicht füttern. Nicht streicheln. Und: Keinen Hund mitnehmen. Das sind die drei Grundregeln, die "Kuhflüsterer" Philipp Wenz allen Wanderern auf Almen mitgeben würde. Er muss es wissen: Der studierte Agrarwissenschaftler arbeitet seit Jahren als Berater für den stressfreien Umgang mit Weidetieren und weiß, wie die eigentlich gemütlichen Wiederkäuer ticken.

Warum heben die Kühe manchmal Ihren Kopf so hoch, wenn Wanderer vorbeikommen?

"Ich hab dich gesehen" - ein aufmerksamer Blick an den Wanderer

So wie wir Menschen es nicht mögen, wenn uns Fremde zu nahe kommen, stört es auch Rinder, wenn ein bestimmter Mindestabstand zu ihnen unterschritten wird. Das Problem: Wie nahe zu nah ist, lässt sich nicht pauschal festlegen - das hängt vom individuellen Tier ab, aber auch von der aktuellen Situation, also etwa, ob Kälber in einer Herde mitlaufen. Ebenso wenig lässt sich sicher sagen, wie die Tiere reagieren, wenn sie sich gestört fühlen: Kann sein, dass sie nichts tun, oder sich auch zurückziehen - aber vielleicht entscheiden die Kühe sich auch dafür, Sie zu vertreiben.

Wenn Sie als Wanderer in die Nähe von freilaufenden Rindern kommen, sollten Sie die Tiere aufmerksam betrachten: Drehen sie die Köpfe in Ihre Richtung? Heben sie ihre Köpfe über die Höhe der Wirbelsäule? Dann sind Sie zu nahe und müssen mit einer Reaktion der Tiere rechnen. Besser, Sie schlagen von vorneherein gleich einen großen Bogen um die Tiere und halten zwischen 30 und 50 Meter Sicherheitsabstand. Dabei kontrollhalber immer wieder mal einen Blick zu den Tieren werfen.

Warum schüttelt die Kuh ihren Kopf, wenn ich sie streichle?

Mit Kopfschütteln sagt die Kuh "Fass mich nicht an", erklärt Kuhflüsterer Wenz. Wird dieser Wunsch wiederholt ignoriert, kann es durchaus sein, dass das Tier mit einem Angriff reagiert. Natürlich kann es auch sein, dass die Kuh ihren Kopf einfach nur schüttelt, weil sie lästige Fliegen nerven. Nur: Liegen Sie falsch mit Ihrer Interpretation, tragen Sie den Schaden davon.

Hör-Tipp! Joar Berge, Kuh-Freund und Aktivist, war zu Gast bei Dominique Knoll in unserer Interview-Sendung "Die Blaue Couch". Was er über Kühe und einen anderen Umgang mit Nutztieren zu erzählen hatte, hören Sie hier (und in der ARD Audiothek den Podcast kostenlos downloaden und abonnieren)

https://www.ardaudiothek.de/episode/blaue-couch/joar-berge-kuh-freund-ueber-den-anderen-umgang-mit-nutztieren/bayern-1/12698615/

Was tun, wenn eine Kuh direkt auf dem Weg liegt?

Auch wenn Kuh-Freund Joar Berge seine eigenen Kühe ausgiebig kuschelt, rät er generell ganz klar zu Vorsicht und viel Abstand im Umgang mit fremden Kühen. Aber was tun, wenn beim Wandern eine Kuh direkt auf dem Weg liegt? Berge meint dazu: "Eine liegende Kuh ist erstmal weniger bedrohlich - solange sie liegen bleibt, fühlt sie sich wohl." Allerdings auch: "Sobald sie aufsteht, sollte man ein paar Schritte zurück gehen und wieder einen großen Bogen schlagen."

Kann ich zutrauliche Kälbchen streicheln?

Vorsicht bei Kühen, die Kälber haben - ihr Schutzinstinkt ist schnell alarmiert.

Die Mutterkühe grasen auf der Bergwiese, dazwischen spielen oder ruhen ihre Kälber. Und manche kommen auch ganz zutraulich auf Wanderer zu und lassen sich streicheln. Klingt idyllisch, kann aber leicht stressig für Sie werden: Mutterkühe sind in der Regel viel scheuer als Milchkühe, die durch das tägliche Melken an den Kontakt mit den Menschen gewöhnt sind. Und sie sind, gerade wenn sie Kälber haben, sehr beschützend - oder andersrum: Sie reagieren schneller aggressiv, wenn jemand ihrem Nachwuchs zu nahe kommt. Schlagen Sie daher lieber einen Bogen um die flauschigen Kälbchen, wenn Ihre 100-Meter-Zeit nicht deutlich unter 10 Sekunden liegt.

Dabei geht die Gefahr für den Menschen übrigens nicht nur von der Mutterkuh selbst aus, sondern von der ganzen Herde, erklärt Rinder-Experte Wenz:

"Nicht nur die Mütter verteidigen ein Kalb, auch andere Kühe tun das."

Philipp Wenz, Experte für Herdenmanagement und stressfreien Umgang mit Weidetieren

Kühen, die mit geschlossenen Augen daliegen: Bitte nicht erschrecken!

Bitte nicht erschrecken - diese Kuh döst und hört Menschen möglicherweise gar nicht

Die Kuh liegt mit geschlossenen Augen im Gras und kaut wieder. Jetzt leise anpirschen und einmal kurz streicheln? Besser nicht - es sei denn, Sie sind Weltmeister auf der Kurzstrecke, weil sich das erschrockene Tier hochrappelt und angreift. Hat es sich eine Kuh genau da so bequem gemacht, wo Sie vorbei müssen, ohne ausweichen zu können, sollten Sie sich mit Pfeifen oder Singen akustisch bemerkbar machen. So weiß die Kuh zumindest, dass Sie da sind. Ob und in welchem Abstand Sie dann allerdings an dem Tier vorbeigehen können, müssen Sie selbst entscheiden. 

Was tun, wenn mich eine Kuh angreift?

Auch wenn die Tiere meist friedlich sind: Unterschätzen Sie nicht Ihre Kraft

Wenn Sie die bisher genannten Tipps beherzigt haben, sollte dieser Fall nicht eintreten. Wenn doch, ist das Problem: Den EINEN Trick, der Ihnen hier sicher hilft, gibt es nicht - dafür müsste man wie ein Fachmann die Tiere "lesen" können.

Die nachfolgenden Tipps sind deshalb nur als mögliche (!) Interpretationen mit damit verbundenen Handlungsvorschlägen zu verstehen:

Grundsätzlich gilt bei alten und jungen Rindern: Stehen bleiben oder langsam rückwärts gehen. In keinem Fall den Tieren den Rücken zukehren und wegrennen oder gar mit den Händen fuchteln. Im Zweifelsfall kann das die Angriffslust der Rinder sogar noch steigern. 

Warum Sie Jungtieren besser nicht ausweichen sollten

Jungtiere wachsen heutzutage oft mit weniger Menschenkontakt auf - und schwanken daher schnell zwischen Angst und Neugierde, wenn sie etwa auf Wanderer treffen. Hüpft so ein Rudel auf Sie zu, weichen Sie nicht aus, denn "in der Regel tun das die Tiere", so Kuhflüsterer Wenz. So vermeiden Sie, dass Mensch und Tier erst recht auf Kollisionskurs geraten.

Wie gut hilft ein Stock bei der Verteidigung?

Auch wenn wir alle das Bild vom Viehhirten mit dem Stock in der Hand im Kopf haben: Der Stecken dient höchstens als Beschleunigungsmittel für geh-faule Kühe, zur Verteidigung taugt er nicht. Im Gegenteil, meint Kuh-Experte Wenz: "Ein Stock kann in falscher Sicherheit wiegen. Er mag in manchen Situationen etwas bringen, ist das angreifende Tier dagegen wirklich ängstlich oder sauer, hilft er nichts." Besser, Sie kommen den Kühen erst gar nicht so nahe, dass diese sich provoziert fühlen können.

Hörerfrage: Grasen Kühe wirklich meist in eine Richtung?

Mit einer Postkarte aus dem Urlaub hat uns BAYERN 1 Hörer Bernd aus Beilngries eine Frage geschickt: Mir ist aufgefallen, dass die Kühe auf den Weiden meist alle in die gleiche Richtung grasen - kann das sein? Die Zoologin Prof. Sabine Bengall und ihr Team von der Universität Essen haben genau das anhand von Satellitenfotos bei Herdentieren auf der ganzen Welt untersucht. Das überraschende Ergebnis fasst Wissenschaftlerin Bengall so zusammen: "Wenn man eine flache Weide hat, neigen die Tiere dazu, in eine Richtung zu grasen und interessanterweise sind sie dabei mit ihrer Körperachse nord-südlich ausgerichtet." Offensichtlich richten sich die Kühe beim Weiden nach dem Magnetfeld der Erde aus, ist ihre Schlussfolgerung.

Warum die Tiere dies tun, können die Wissenschaftler nicht erklären. Rätselhaft auch ihre weiteren Beobachtungen: "Bei Kühen, die unter Hochspannungsleitungen stehen, zeigt sich, dass die Tiere eher zufällig in ihrer Anordnung sind. Neben den Kühen hat das Forscher-Team auch Rehe und Hirsche untersucht. Das Ergebnis: "Auch Rehe und Hirsche richten sich - und das noch viel stärker als die Kühe - nord-südlich aus." Einschränkungen macht Bengall natürlich für besondere Wetterlagen: Wenn es etwa sehr kalt ist, dann tendieren die Tiere dazu, ihre Flanke der Sonne entgegenzustrecken. Wie sie etwa auch bei Sturm und/oder Regen gemeinschaftlich ihre Hinterteile dem Unwetter zudrehen.

Glückliche Kühe, die auf sattgrünen Alpenwiesen friedlich grasen - so stellen wir uns das vor, wenn auf der Milchtüte "Alpenmilch" steht. Aber: "Kommt Alpenmilch wirklich aus den Alpen?" Der BAYERN 1 Umweltkommissar hat ermittelt.


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