Das Prädikat des weltbesten Torwarts stammt von der katalanischen Sporttageszeitung "Sport". In der Nachspielzeit fischte ter Stegen einen schier unhaltbaren Schuss von Paulo Dybala "kaiserlich" aus der Ecke. Die Superlative in den anderen Blättern waren nicht kleiner. "Wunderbar", nannte "Mundo Deportivo" die Parade, ter Stegen sei eine "Mauer". Für die "Marca", eigentlich Hausblatt des Rivalen Real Madrid, war ter Stegens Leistung entscheidend für Barcelonas Achtelfinal-Einzug: "Hut ab vor Marc-Andre ter Stegen! Der deutsche Torhüter hat sich definitiv als einer der besten Spieler auf seiner Position etabliert, wenn nicht sogar als der beste." Der Torwart sei ein Spieler, der Partien gewinne - "genau wie Leo Messi". "AS" nannte ter Stegens Leistung "erhaben" und "spektakulär". Er sei "der Anführer der Gruppe" gewesen, gegen Dybala habe er mit "magischer Hand" gerettet.
Auch wenn man ohne Emotionen die nüchternen Zahlen betrachtet, spielt ter Stegen bisher eine starke Saison. In 17 Saisonspielen in Champions League und spanischer Liga musste er erst fünf Gegentreffer hinnehmen, zwölf Mal spielte er zu Null. Auch in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft präsentierte er sich zuletzt als würdiger Vertreter von Bayern-Keeper Manuel Neuer. So würdig, dass er sogar Ansprüche auf die Nummer eins zwischen den deutschen Pfosten anmelden könnte?
Ter Stegen: Lob für Neuer, keine Ansprüche
Ter Stegen erhob bisher, wann immer auf die Nationalmannschaft angesprochen, keine Ansprüche und nahm brav die Rolle als Nummer zwei hinter Neuer an. "Manuel hat sich in den vergangenen Jahren eine gute Position erarbeitet", sagte ter Stegen zuletzt in einem kicker-Interview: "Solange er seine Leistung bringt, hat er es auch verdient, die Nummer eins zu sein." Nur: Neuer kann derzeit eben verletzungsbedingt nicht zeigen, wie stark er ist. Das weiß auch ter Stegen. "Natürlich habe ich den Anspruch zu spielen und irgendwann selbst die Nummer eins zu sein", sagte er - ohne ein konkretes Datum zu nennen.
Bundestrainer Joachim Löw hält bisher demonstrativ an Neuer fest. Neuer ist nicht nur als Torwart Nummer eins eingeplant, sondern als Kapitän der Nationalmannschaft natürlich ein fester Bestandteil in Löws WM-Planungen. Es gäbe "keinen Grund, unruhig zu schlafen", sagte Löw vor einiger Zeit: "Er hat ja auch noch genug Zeit, um fit zu werden. Ich weiß, dass das absolut machbar ist."
Wie einst Kahn und Lehmann
Und trotzdem bleiben Fragezeichen. Zumal das Duell Neuer - ter Stegen in einigen Momenten an den Zweikampf zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann vor der WM 2006 erinnert - abgesehen von den damals fehlenden Verletzungen. Bundestrainer Jürgen Klinsmann und sein damaliger Assistent Löw hielten lange an Oliver Kahn, wie Neuer auch noch Kapitän der Nationalmannschaft, fest. Kahn hatte sich über Jahre den Ruf als unumstrittene Nummer eins im deutschen Tor erarbeitet. Klinsmann vermied es allerdings, anders als Löw bisher, sich öffentlich zu einem Stammtorwart zu bekennen.
Erst im April 2006, zwei Monate und zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel, legte sich Klinsmann auch öffentlich auf seinen WM-Torwart fest. Und zur Überraschung vieler war es Lehmann und nicht der langjährige Kapitän Kahn. Dass Löw genauso handeln könnte in einigen Monaten, trauen die wenigsten dem Bundestrainer zu. Eine sinnvolle Option könnte es trotzdem sein - je nachdem, wie lange sich Neuers Verletzungspause noch hinzieht. "Zum Glück haben wir einen großartigen Torwart", sagte Barcelonas Trainer Ernesto Valverde nach dem Turin-Spiel über ter Stegen. Möglicherweise so großartig, dass er schon bereit ist für den Platz zwischen den deutschen WM-Pfosten 2018 als Nummer eins.