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Louise Lecavalier

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Tanzwerkstatt Europa: Louise Lecavalier begeistert in München

Tanzwerkstatt Europa: Louise Lecavalier begeistert in München

Tanz nicht nur zeigen, sondern ihn erfahren und diese Erfahrungen weitergeben: Das ist der Grundsatz, dem sich die '"Tanzwerkstatt Europa" in München seit 27 Jahren verschrieben hat. Zum Auftakt mit Lecavaliers "Battleground". Von Stephanie Metzger

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Nicht nur für Walter Heun, den Gründer und Leiter der „Tanzwerkstatt Europa“, ist Louise Lecavalier ein Geschenk. Zur Eröffnung der diesjährigen Ausgabe des Festivals zeigte die kanadische „Anna Pavlova“ des zeitgenössischen Tanzes – wie Walter Heun Louise Lecavalier voller Bewunderung nennt – ihre Choreographie „Battleground“. Eine Stunde lang setzte die inzwischen 60-jährige Ausnahmetänzerin, der brütenden Hitze des Abends Tanz ohne Kompromisse entgegen. Und profitiert dabei von ihren 18 Jahren Erfahrung als Frontfrau der für ihren virtuosen Hochgeschwindigkeitstanz berühmten Companie „Lalala Human Steps“.

"System der Hörigkeit"

Auf halber Spitze trippelt Louise Lecavalier über den weißen Tanzboden, der nach hinten von einer hellen Sperrholzwand abgeschlossen wird. Die Knie hält sie gebeugt und zusammengepresst, die tänzelnden Füße setzen eine Automatenfigur in Gang, deren Hände zucken und zittern. Die Arme beugen und strecken sich rasant, hier und da eine Faust, die abgehakten Bewegungen der Gliedmaßen und des Oberkörpers folgen in getakteter Perfektion dem Beat der Musik. Die Rebellion, die das existentialistische Schwarz des Kostüms in den hellen Lichtfeldern heraufbeschwören könnte, ist einer Präzision des Funktionierens gewichen. Tempo und Exaktheit der Tänzerin wirken wie ein System der Hörigkeit, eine mechanische Hülle ohne menschliche Füllung. Oder wie die Figur des „Ritters, den es nicht gab“ aus Italo Calvinos gleichnamigem Roman, der Lousie Lecavalier als Vorlage diente. Will der Einzelne aber vom Automaten wieder zum Mensch werden, muss er ein Gegenüber erhalten: ein Alter Ego, einen inneren Gegner oder den Mitmenschen.

Netz und Korsett

Auch dieser Mitmensch trägt schwarz. Robert Abubo ist zunächst mehr Schatten als Gegenüber. Lecavalier nähert sich ihm an, auf Knien rutschend, dem Fremden den Rücken zugewandt. In den folgenden Pas de deux wächst sich dessen Part aus zum Antipoden aber auch Freund. Immer wieder lehnen die Tänzer die Köpfe aneinander, halten sie zärtlich. Siamesische Zwillinge, die sich brauchen und doch Ablösung suchen. Konkurrenten, wenn sie sich im Laufschritt überholen oder in angedeuteten Boxbewegungen gegeneinander antreten. Aber genauso Schicksalsgenossen, die sich zu Knäulen verknoten, wenn sie ihre verdrehten Körper an der Rückwand in die Vertikale stemmen.

Pause bis zum nächsten Existenzkampf

Der treibende Sound der E-Gitarre, den Komponist und Musiker Antonine Berthiaume mit elektronischen Beats live zusammenmischt, bildet dabei sowohl stützendes Netz als auch Korsett. Am Ende trägt Lecavalier den Partner auf dem Rücken aus dem Ring. Auf zwei Stühlen setzen sich die Tänzer nieder. Vielleicht nur eine kurze Pause bis zur nächsten Runde im Existenzkampf:

Ich sage immer, der Tanz ist so pluralistisch, wie die Anzahl der Menschen, die sich mit ihm beschäftigen. Und insofern ist Tanz so etwas wie die Auseinandersetzung mit dem Menschsein an sich. - Walter Heun

Einfach nur tanzen wollen

Louise Lecavaliers fulminanter „Battleground“ steht für eben diese existenzielle Interpretation des Tanzes. Das Programm der diesjährigen Tanzwerkstatt Europa wiederum für die von Walter Heun benannte Pluralität. Da sind die bekannten Namen wie eben Louise Lecavalier, Noé Soulier oder Jan Martens. Aber auch unbekanntere Künstlerinnen wie Louise Vanneste und Zsuzsa Rózsavölgyi (Susa Rosawöltschi). Ein Programm zwischen aktuellen Trends und Experiment, das kein Risiko scheut und doch für alle zugänglich sein soll:

Wir versuchen schon immer die aktuellen Entwicklungen im Tanz mit zu bedenken, aber vor allem auch in den Labs Künstlerinnen einzuladen, die ganz neue Ideen haben, die auch für Künstler die hier vor Ort arbeiten, Choreographen auch Performer auch für Leute aus der Theaterszene interessante Arbeiten machen. Und da ist zum Beispiel der Kris Verdonck einer, der zwischen der Bildenden Kunst, dem Theater, dem Tanz und der Medienkunst arbeitet. Solche Hybride interessieren mich für die Labs. Aber natürlich gibt es ganz viele Menschen, die einfach nur tanzen wollen und da gibt es dann auch ein entsprechend vielseitiges Angebot. - Walter Heun

Noch bis zum 11. August können Sie es nutzen, das Workshop und Gastspiel-Angebot der Tanzwerkstatt Europa in München.