Philosoph Robert Spaemann lächelt vor einer von Efeu bewachsenen Mauer in die Kamera
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Philosoph Robert Spaemann

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Philosophie und Glaube: Zum Tod von Robert Spaemann

Denken und Religion zu verbinden, war für Robert Spaemann kein Konflikt, sondern fruchtbare Spannung. Er ging seinen eigenen Weg, kritisierte Sterbehilfe wie Atomkraft aus ethischer Überzeugung. Nun ist der Philosoph im Alter von 91 Jahren gestorben.

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"Passt euch der Welt nicht an!" Wenn es einen Leitspruch gibt, dem der Philosoph Robert Spaemann folgte, dann war es dieser Satz des Apostels Paulus, sich nicht dem Zeitgeist unterwerfen, nicht den Moden, dem ständigen Wechsel der Meinungen und Wichtigkeiten. Dass ihm dabei immer wieder der Gegenwind ins Gesicht blies, das nahm er in Kauf.

Ein Gefühl der Sicherheit

Geboren wurde Robert Spaemann 1927 in Berlin. Sein Vater war Kunsthistoriker, die Mutter Tänzerin, eine Mary Wigman-Schülerin. Sie starb, als Robert Spaemann neun Jahre alt war. Nach ihrem Tod studierte sein Vater Theologie und wurde 1942 zum katholischen Priester geweiht. "Meine intellektuelle Entwicklung hatte immer etwas Traumwandlerisches. Jeden reißt seine Leidenschaft fort. Das gilt auf jeden Fall für mich: Was ich tat und dachte, tat und dachte ich immer mit einem gewissen Gefühl der Sicherheit. Wenn ich auf mein Leben zurückschaue – ich habe immer eine gewisse Naivität besessen", schreibt Robert Spaemann in seinen Lebenserinnerungen.

Seine Interessen waren weit gespannt und so schrieb er sich nach seinem Abitur für Theologie und Romanistik ein – Philosophie war für einen angehenden Theologen ohnehin Pflicht. Es war sein Lehrer Joachim Ritter, der ihn ganz zur Philosophie bekehrte. Dabei blieb er seinem katholischen Glauben treu: "Weil ich der Überzeugung war, dass der christliche Glaube, und zwar in seiner katholischen Version, wahr ist und dass deshalb alles, was man als vernünftig einzusehen gelernt hat, mit diesem Glauben vereinbar sein muss." Es war ein Leben zwischen Denken und Glauben, ein bewegtes Leben, das ihn nach seiner Habilitation über Stuttgart und Heidelberg nach München führte. Hier lehrte er fast 20 Jahre bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1992.

Philosophie, die sich einmischt

Robert Spaemann war ein Philosoph, der sich in alle großen Debatten einmischte, ob es um Bildungspolitik ging oder um Atomkraft, um die Liberalisierung der Sterbehilfe oder um Abtreibung. Immer wieder ging es ihm um lebenspraktische und zugleich grundsätzliche ethische Fragen. Auch in einer Vortragsreihe des Bayerischen Rundfunks, die in 14 Sprachen übersetzt wurde: "Wir erleben heute die Reaktivierung neuer Vorstellungen vom richtigen Leben, die gruppenspezifisch sind. Ich denke an die gewaltige Renaissance des Islam, ich denke an die sogenannte Alternativbewegung in unseren Ländern. Man wendet gegen sie oft ein, dass deren Standards nicht verallgemeinerbar sind. Wenn alle Menschen Mönche würden, würde die Menschheit aussterben, das ist klar. Und doch gingen vom Mönchtum entscheidende Impulse aus auf das Leben christlicher Generationen. Die Gefahr ist heute eher die umgekehrte: dass jede neue, jede alternative Bewegung sofort in den Sog der publizistischen Vermarktung hineingerät."

Gegen den Strich leben, gegen den Trend denken, widerständig sein: Nur so, schreibt Spaemann, kann der Mensch seine Freiheit bewahren. Ganz aktuell sind seine Gedanken, die er einige Jahre vor einer heute lautstark geführten Debatte niederschrieb – zur Forderung, dass sich alle Menschen, die in Deutschland leben, einer gemeinsamen Werteordnung zu unterwerfen haben: "Es ist bedenklich, Bürgern das Bekenntnis zu 'unserer Werteordnung' abzuverlangen. Abverlangen kann und muss man ihnen den Gehorsam gegenüber unseren Gesetzen. Was unsere Werte sind, ist ja selbst umstritten, obwohl der Druck der Political Correctness immer bedrohlicher wird." Es ist der Unterschied zwischen Haltung und Verhalten, der hier angesprochen wird: Die Haltung ist Sache des Einzelnen, das Verhalten reguliert die Gesellschaft.

Gott als Grundlage aller Wahrheitsansprüche

Robert Spaemann hat eine Fülle wissenschaftlicher Arbeiten geschrieben. Aber was ihn weit über sein Fach hinaus populär gemacht hat, war ein Aufsatzband mit dem Titel "Das unsterbliche Gerücht", in dem er die Existenz Gottes verteidigt. Es bringt sein Lebensthema auf den Punkt: Die Spannung zwischen Philosophie und Glauben. "Gottesglaube ist weder Bedingung für wahre Urteile noch für Gewissensüberzeugungen. Aber da die Existenz Gottes der ontologische Grund beider und in ihnen impliziert ist, beseitigt die Leugnung Gottes die Grundlage aller Wahrheitsansprüche und aller sittlicher Überzeugungen und damit tendenziell diese Ansprüche selbst."

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