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Der libysche Autor Hischam Matar 2017 in Köln

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Geschwister-Scholl-Preis: "Die Rückkehr" von Hisham Matar

Was passiert mit einem jungen Mann, dessen Vater entführt wird - der nicht weiß, wo der Vater geblieben ist, ob er noch lebt oder längst gestorben ist? Von diesen sehr persönlichen Fragen erzählt Hisham Matar in seinem Buch "Die Rückkehr".

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Man erwartet viele Sätze von einem Sohn, der Jahrzehnte nach seinem Vater suchte, der nie wirklich zur Ruhe kam, weil immer ein Teil seiner Familie fehlte. Einen Satz aber erwartet man nicht: Es ist einfach gewesen, dieser Sohn zu sein. Hisham Matar sagt genau diesen Satz.

Es ist sehr einfach, sein Sohn zu sein. Das mag befremdlich klingen – nach all dem, was passiert ist, was natürlich schwierig war. Aber in einer Umgebung, in der man sehr leicht die falschen Schritte gehen konnte, ging mein Vater sie nicht. Das erleichtert vieles. Und er hat mir etwas mitgegeben, das unglaublich für mich ist: Er hat immer geglaubt, dass es mir gut gehen wird. Er hatte das Vertrauen: Der Junge wird seinen Weg machen. Das hat mir Stärke gegeben und Geborgenheit.

Beziehung zwischen Vater und Sohn

Diesem besonderen Verhältnis spürt Hisham Matar in seinem Buch "Die Rückkehr" nach. Natürlich schreibt er darin auch über die Politik in Libyen, über das politische Engagement seines Vaters und später das eigene, um Druck auf Gaddafis Diktatur auszuüben und so – vergeblich – seinen Vater zu suchen. Aber im Kern erzählt Matar einfach von der Beziehung zwischen einem Vater und seinem Sohn. Um dieses Verhältnis zu beschreiben, es vielleicht selbst besser zu begreifen, sucht Hisham Matar immer wieder Orientierung in der Literatur, bei anderen Söhnen und ihren Vätern.

Einzelne Charaktere aus der Literatur hätten ihn auf seinem Weg begleitet, erzählt Matar. Telemach zum Beispiel, der in einigen Versen mit seinem Schicksal hadert, Odysseus‘ Sohn zu sein, ausgerechnet der Sohn dieses unglücklichen Mannes, dem es nicht vergönnt ist, nach Hause zurückzukehren.

Über dieses Thema zu schreiben, sagt Matar, war immer eine Hilfe, um Geduld gegenüber den Dingen zu entwickeln, die ihm eigentlich die Ruhe nahmen. Dennoch: Dieses Buch war anders als die vorherigen - bereits in zwei Romanen erzählte Matar vom Verlust eines Vaters. "Die Rückkehr" war schwieriger, persönlicher:

Es macht nicht den Anschein – ich spreche schließlich über Memoiren, aber eigentlich bin ich sehr zurückhaltend. Einige meiner engsten Freunde haben bei der Lektüre Dinge erfahren, die ich ihnen nie vorher erzählt habe. Es ist also ein Buch, das einen zurückhaltenden Mann dazu gebracht hat, sehr offen von ganz privaten Dingen zu erzählen. Damit habe ich mich zunächst nicht wohlgefühlt, aber: Als sich das Buch entwickelte, wurde es zu einem Objekt, zu etwas mit eigenen Ansprüchen, Forderungen.

Bücher als Gesprächspartner

Vielleicht ist es das, was Hisham Matar als Autor so auszeichnet: Dass Bücher für ihn Gesprächspartner sind – die Bücher, die andere geschrieben haben und die ihn durchs Leben begleiten. Aber eben auch die, die er selbst schreibt. Oder, wie er sagt, die sich von ihm schreiben lassen. Denn eigentlich sei das Bücherschreiben doch wie die Beziehung zu einem Partner: Man will dieses Gegenüber kennenlernen, es interessiert einen unglaublich, aber es hat auch einen eigenen Willen, den man nicht übergehen sollte.