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Einer von zwei Millionen Menschen, die gleichzeitig online sind, um Fortnite zu spielen

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"Fortnite", boomendes Computerspiel mit hohem Suchtpotenzial

"Fortnite" ist von den Computerspielen des Battle Royal-Genre das erfolgreichste: Inzwischen sind bis zu zwei Millionen Menschen gleichzeitig online, um den Kampf aller gegen alle anzutreten. Eltern sind beunruhigt. Von Tobias Nowak

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Seit einem Jahr ist das Battle Royal-Genre das erfolgreichste der Games-Welt. Unter den Spielen, die sich diesen "Alle gegen alle“-Gefechten widmen, ragt "Fortnite" heraus: Inzwischen spielen es über 125 Millionen Menschen weltweit, bis zu zwei Millionen sind gleichzeitig online. Durch die neue, mobile Version des Spiels, erreicht „Fortnite“ auf Tablets und Smartphones nun auch die Schulen. Tobias Nowak berichtet über ein Spiel, das auf Jugendliche einen riesigen Reiz ausübt - und welche Probleme damit einher gehen.

"Dann bin ich einfach mal zu einem Freund gegangen und dann haben wir bei dem gezockt und dann hat mir das so Spaß gemacht, dass ich irgendwie sofort süchtig geworden bin sozusagen. Also ich hab gespielt und dann wollte ich sofort wieder spielen. Aber ich hatte halt keine PS4. Und dann saß ich zu Hause und wollte einfach „Fortnite“ spielen und das war echt irgendwie schlimm für mich, weil ich halt nicht konnte".

Das berichtet Fabian Janssen, zehn Jahre alt, von seiner ersten Erfahrung mit "Fortnite", dem zur Zeit angesagtesten Game der Welt. Über eine Playstation, den PC, Tablets, die Switch oder sogar das Handy stürzen sich Millionen Spieler in Alle-gegen-alle-Gefechte. Youtube-Stars werden millionenfach geklickt, wenn sie ihre Fortnite-Videos online stellen, wie der deutsche Paluten: "Ich hör’s doch jetzt hier schon direkt ballern!"

Archaischer Kampf weckt Instinkte

Die Faszination dieses Spielprinzips erklärt sich aus der Verbindung mehrerer Aspekte: Kämpfe, ganz gleich mit welchen Waffen, sind ein Archetyp von Konflikt und eignen sich wegen ihrer binären Struktur – Sieg oder Niederlage – für Spiele aller Art. Durch den Überlebenskampf aller gegen alle ergibt sich auch ein archaisches Motiv, das viele Menschen – meist männlich – anspricht. Und zuletzt kitzelt "Fortnite" in sehr kurzen Abständen das Belohnungszentrum: Ich habe eine tolle Waffe gefunden, ich habe mich einem Angriff entzogen, ich habe einen Gegner „eliminiert“ … jedes Mal bekommt das Gehirn eine kleine Dosis Dopamin. Das macht es leicht, vor dem Bildschirm die Zeit zu vergessen, hat auch Fabian Janssen festgestellt: "So war das, wenn ich so lange spielt habe und meine Augen haben gebrannt und sowas. Aber ich habe trotzdem weitergespielt, weil es mir Spaß gemacht hat. Also ich hab es an meinen Augen und dass mir schwindelig wurde erkannt, dass ich echt zu viel spiele."

"Fortnite" ist naturgemäß ein sehr kompetitives Spiel, in dem 99 Spieler verlieren und nur einer gewinnt. Das kann für sehr viel Frust sorgen. Und stärkt den Impuls, es gleich nochmal zu versuchen. Um dann wieder zu verlieren, und so weiter. Und wenn es gut läuft, möchte man das Siegesgefühl sofort nochmal erleben. Um sich aus diesem Teufelskreis zu lösen, braucht es ein gewisses Maß an Reflexion und Impulskontrolle, die Zehnjährige selten besitzen. Von Erwachsenen und älteren Jugendlichen kann man die Reife erwarten, nach einer Stunde frustrierender "Fortnite"-Matches den Computer auszuschalten und etwas anderes zu machen.

Kriegsgeräte im Kinderzimmer

"Fortnite" ist in einem bunten, cartoonhaften Stil gestaltet, die meisten Avatare haben eine positive Ausstrahlung, und auch Albernheiten, wie für’s virtuelle Überleben völlig unnötige Tanzbewegungen, betonen die atmosphärische Leichtigkeit des Spiels. Die sympathischen Spielfiguren halten aber realistisch wirkende Schusswaffen in Händen und bringen so häufig zum ersten Mal Kriegsgeräte in’s Kinderzimmer, die Kinder lernen mit "Fortnite", was ein Scharfschützenteleskop leistet. "Es verunsichert Eltern, dass sie kein verbindliches Alterskennzeichen finden, weil dieser Modus nie von der USK, der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, geprüft wurde", sagt Torben Kohring, Leiter der Fachstelle Jugendmedienkultur NRW. Er hat in den letzten Monaten eine Flut von Anfragen bekommen, in denen Eltern und Lehrer sich erkundigen, wie sie mit diesem Spiel umgehen sollen. Das Problem: Die USK, die Alterskennzeichungen für Computerspiele vornimmt, hat zwar das Grundspiel von "Fortnite" ab zwölf freigegeben, aber den stark kompetitiven Battle Royal-Ableger, in dem nur einer von 100 Spielern überlebt, nicht bewertet.

Denn Alterbeschränkungen erhalten in Deutschland nur Games, die auf Datenträgern verkauft werden. Download-Spiele wie "Fortnite“s Battle Royal unterliegen keiner Kennzeichnungspflicht. Aus medienpädagogischer Sicht urteilt der Spielratgeber NRW, dass das Spiel ab 14 Jahren problemlos gespielt werden kann. Torben Kohring: "Es gibt keine explizite Gewaltdarstellung, es gibt kein Blut. Es geht halt letztlich nicht da drum, sich irgendwie an der Gewalt zu ergötzen."

Einzelkämpfer unter sich

Neben der vergleichsweise harmlosen Gewaltdarstellung des Spiels haben viele Eltern auch ein Problem mit der Grundidee des knallharten Überlebenskampfes, an dessen Ende nur ein Gewinner steht. Diesem Einzelkämpfer-Prinzip steht entgegen, dass "Fortnite" einen sozial sehr verbindenden Einfluss hat: Nicht nur auf Schulhöfen und in sozialen Medien ist es ein großes Thema, auch berühmte Fußballspieler feiern ihre Tore zur Zeit gerne mit Gesten und Tanzbewegungen aus "Fortnite", und auf Youtube gibt es Millionen von "Fortnite"-Let’s Play-Videos.

"Fortnite" ist ein gelungenes Battle Royal-Spiel, das Hochspannung und hektische Action in bonbonbunter Umgebung bietet. Gewalt spielt keine große Rolle, im Gegensatz zu vielen lustigen, comichaften Details. Aber auch wenn das Spiel teilweise schon ab zwölf freigegeben ist, eignet es sich nicht für Kinder, da man schon ein gehöriges Maß an Frustrationstoleranz mitbringen muss, um die vielen, unvermeidbaren Niederlagen wegzustecken; 14 Jahre sollten Spieler schon alt sein. Für alle anderen, die mal ins Battle Royal-Genre reinschnuppern wollen und über blitzschnelle Reflexe verfügen, lohnt sich ein Versuch mit dem kostenfreien Spiel "Fortnite".